Herne. Der Bürgerabend mit Bayernzelteröffnung auf der Cranger Kirmes steht an. Korrekte Kleidung wäre da doch: Tracht. Die kann man sogar in Herne kaufen (siehe unten). Grund genug für unsere Redakteure Franziska Bombach und Tobias Bolsmann, einen Selbstversuch zu wagen. Eine Anprobe mit Hindernissen.
Bürgerabend mit Bayernzelteröffnung - korrekte Kleidung wäre da doch: Tracht. Kann man sogar in Herne kaufen (siehe unten). Franziska Bombach und Tobias Bolsmann waren zur Anprobe.
„Ein Dirndl macht aus jedem Mädchen eine fesche Frau“, sagte mal ein Freund zu mir. Da kann die Dirndlanprobe nur gut sein. Die Lederhosen springen mir sofort ins Auge, aber wo sind die Dirndl?
Als kleiner Junge hatte ich eine Lederhose, das gehörte damals dazu. Als Erwachsener gehört krachledern nicht zu meiner modischen Palette. Deshalb bin ich etwas ratlos angesichts der überraschenden Vielfalt, die Alpin-Trachten bietet.
Die Verkäuferin schiebt die Stange mit einer Reihe von Dirndl zu mir rüber. Die Farben sind alle relativ gedeckt. Schade, ich hätte liebend gerne eins in türkis probiert. Da fällt mein Blick auf ein Dirndl mit roter Schürze und braun-weißem Grundstoff. Das gefällt mir, das nehme ich.
Diese Lederhosen sind ziemlich schwer, und unförmig sehen sie auf der Stange auch noch aus. Mit den Größen komme ich gar nicht zurecht. 56? Deutlich zu groß! 50, meine normale Größe entpuppt sich im ersten Versuch als zu klein. Oder sind die bayerischen Buam schmaler als ich dachte?
Schnell noch eine hübsche Bluse ausgesucht, und schon verschwinde ich in der improvisierten Umkleidekabine - der Damentoilette. Raus aus den Klamotten und rein ins Dirndl. So einfach, wie ich mir das vorstelle, ist es aber nicht. Zunächst muss ich in die Bluse kommen. Werden die Ärmel auf der Schulter gelassen oder zieht man sie etwas herunter? Schulterfrei sieht es besser aus.
Zweiter Versuch, ebenfalls in einer improvisierten Umkleide auf der Herrentoilette. Ist das eine Fummelei: Diese ganzen Knöpfe, etwa bei dieser komischen Klappe vorne. Plötzlich wird es an den Waden eng. Ich muss die Schnüre lockern. Immerhin: Die Wollsocken halten schön warm.
Nun das Kleid. Von einer Freundin weiß ich, dass die teuren Dirndl nur geschnürt werden. Meins hat einen Reißverschluss auf der Seite. Das macht das Anziehen für mich leichter, sieht aber auch qualitativ anders aus, als jene, die nur gebunden werden. Noch ein wenig an den Schnüren vor der Brust gezogen und schon sitzt das Dirndl.
Geschafft - denkste! Ich bekomme die Hosenträger nicht über meine Schultern gezogen. Entweder bin ich zu ungelenkig oder zu alt - oder beides. Ich hole mir Hilfe von der Verkäuferin.
Letzte große Frage: Wohin kommt die Schleife der Schürze? Man muss vorsichtig sein. Jede Position hat eine Bedeutung: linke Seite bedeutet, ich bin noch zu haben. Rechts gebunden wäre ich vergeben, in der Mitte hinten verwitwet, mittig vorne bedeutet, ich sei noch Jungfrau. Ich verrate jetzt nicht, wo ich die Schleife trage.
Fertig! Sieht doch ganz fesch aus. Aber ein ganzer Abend mit Lederhose im Bayernzelt könnte eine Belastungsprobe werden. Nicht für die Lederhose - für mich.
Ein Trachtengeschäft mitten im Ruhrpott
Es gibt Geschäftsideen, die können nicht funktionieren, zum Beispiel: Im Ruhrpott einen Laden mit bayrischen Trachten zu eröffnen. An einer Stelle, an der die Laufkundschaft gegen Null tendiert. Funktioniert nicht. Doch - sagt Rehan Mohammad.
Der Pakistani verkauft seit Jahren Kleidung, in erster Linie für Motorräder. Die lässt er in seinem Heimatland nähen. Vor etwa zwei Jahren registrierte Mohammad, dass immer mehr Betriebe dort Dirndl und Trachtenmode nähen. Mohammad hängte sich an den Trend und baute ein Sortiment auf. Zunächst an der Hauptstraße im Herzen von Eickel, seit einigen Wochen in einer ehemaligen Eckkneipe am Heisterkamp. Deshalb: Laufkundschaft fast ausgeschlossen.
Das spielt aber keine große Rolle. Alpin-Trachten, so der Geschäftsname, holt die Kundschaft im Internet ab - bei Ebay oder Amazon. Das Dirndl ist ab 39 Euro zu haben, die Lederhose ab 54. Dazu gibt es Accessoires wie Edelweißkettchen, Wollsocken und Haferlschuhe. Der Verkauf laufe gut, gerade während des Oktoberfests. Welch Ironie: Waschechte Bayern orderten im Kohlenpott Trachten, die in Pakistan hergestellt wurden - um sie dann auf den Münchner Wies’n anzuziehen.