Herne. . Aus ganzem Herzen „Herzlmacher“: Karl Heinz Hollmann schreibt die zuckersüßen Liebeserklärungen auf den Lebkuchenherzen der Kirmes noch selbst. Seit 25 Jahren ist er gemeinsam mit seiner Frau Margarete auf Märkten unterwegs. Nicht nur auf Crange.

Es ist ja auf Crange nicht anders als auf jeder Kirmes: Kommt wieder ein Kerl, „halb besoffen, und die Frau ist zu Hause – dann muss der was haben“, sagt Karl Heinz Hollmann. Und Hollmann hat ein Herz für solche Fälle, dies etwa werde gern genommen: „Mami, ich hab dich lieb.“

Das Herz des Rummels ist aus Lebkuchenteig, das muss schon so gewesen sein, als die Männer dort noch Met tranken, und etwas davon hat Karl Heinz Hollmann hinüber gerettet in unsere Zeit: Hollmanns sind die „Herzlmacher“, „im hundertsten Jahr“, sagt der 69-Jährige, was schon deshalb nicht stimmen kann. Aber es fühlt sich so an. Weil der Herzlmacher die Lebkuchenherzen noch selbst bemalt. Nach Wunsch.

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Man kann also schreiben lassen, Weiß auf Braun in Zucker („Grün sieht komisch aus“), dass Hermann und Kornelia heiraten, wie schwer das Baby war bei der Geburt, oder „Du bist mein Glück, du bist mein Stern, auch wenn du schimpfst, hab ich dich gern“. Die Farben sind auf Crange dabei oft vorgegeben: „Egal, was drauf steht, es muss blau und weiß sein“, sagt Hollmann leise und findet das „ganz schlimm. Aber was soll so’n Fußballfan sonst machen?“

Kundenwunsch ist Hollmanns Befehl

Des Kunden Wunsch ist ihm Befehl, er hat damit schon Ehen gestiftet und andere gerettet. Da kam einst einer, „so’n Gesicht“, der hatte Krach mit der Gattin, der Herzlmacher aber eine Idee: „Sollen wir unser Geschirr wieder gemeinsam abwaschen?“, schrieb er auf ein Herz der Größe Hundert. Später kam die Frau, sie brauchte ein paar Tage, aber ließ ein „Ja“ dazu pinseln. Auf diese Weise haben Hollmanns auch bei Heiratsanträgen in Herzform mitgewirkt, waren einmal sogar zur Feier eingeladen.

Seit 25 Jahren gemeinsam über die Märkte

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Zuckerwatte: Keine Rede von Kalorien, es geht hier um Kultur. Zuckerkocher gibt’s auf Jahrmärkten seit Jahrhunderten, herzhaft aß man bis zum Wirtschaftswunder in der Wirtschaft. Die Watte ist gar nicht schlimm: enthält außer heißer Luft nur fünf Gramm Zucker.

Liebesperlen: Deutsche Geschichte, im Babyfläschchen verpackt: Rudolf Hoinkis, Süßwarenfabrikant aus Görlitz, erfand die gefärbten Zuckerdragees 1908. „Ich liebe euch so wie diese Perlen“, sagte er zu seiner Familie. „Liebesperlen“ und Firma halten bis heute.

Gebrannte Mandeln: Der Klassiker in Tüten, soll wie andere Klassiker aus Wien kommen. Gern „noch warm“, hat zum Zucker das Verhältnis 1:1. Mandeln sind im Karamellmantel inzwischen nicht mehr allein, teilen ihn mit Exoten: Pekan- und Paranüssen.

Paradiesapfel: Auch „Liebesapfel“ und als solcher nicht zu verwechseln mit der Kartoffel, die die Kirmes unter beiden Decknamen ebenfalls erobert hat. Gilt als Aphrodisiakum, ist aber trotz Apfels wohl eher Zucker und Farbstoff als Vitamin (siehe 1. Mose, 3).

Da kam dann „Der Herzlmacher“ mit einem Riesen-Herz, ein eher kleiner, etwas gebückter Lebkuchen-Mann, dabei ist die Macherin eigentlich Margarete, seine Frau. Die fand „furchtbar“, was ihr Mann da malte, „wie ‘ne Frau halt so ist, die hat’s mehr mit der Ästhetik“. Also sagte Karl Heinz: „Mach, wenn du’s besser kannst.“ So reisen sie jetzt seit 25 Jahren über die Märkte, haben zuvor Brot verkauft, später Kräuterbonbons und noch später Fertig-Herzen. Standard der Sorte „Ich liebe dich“. Bis Hollmann in einer Fabrik den „Igel“ sah, das schräge Nagelbrett, auf dem der Kuchen bemalt wird, und dachte: „Das können wir auch.“

Was er nicht kann, ist das Herz auch zu backen. Mehr als 20 Tonnen würde ein Container wiegen, und dann dieser schwere Honig-Teig, früher, weiß Hollmann, waren „die Lebküchner solche Brocken“ – und breitet die Arme aus.

Galerie von Muster-Herzen

Ihm reicht die selbst bemalte Bude mit dem kleinen Wohnwagen dahinter, und die Kletterei, wenn er morgens das „Museum“ öffnet: die Galerie von Muster-Herzen, für die er über die Auslage steigen muss. „Es gäbe das auch modern.“ Aber dieser Wagen ist von 1974, gebraucht gekauft und zugebaut mit dünnen Holzregalen, auf denen die Herzen trocknen. Wobei die übrigens immer trocken sind, das liegt in der Natur des Lebkuchens. Kurz aufbacken hilft, aber dann kommen die Leute und drücken in den Zuckerguss, „die behandeln die Herzen wie Brötchen“.

Aber eins haben wollen sie alle. „Es hängt mit der Kälte der Zeit zusammen“, glaubt der Herzlmacher. Er hat sie oft, die Menschen, die einen Lebkuchen „für den lieben Nachbarn“ wollen. Oder jene alte Dame, die Hernes Bürgermeister vorschickte: mit einem Herz, von dem aller Zucker längst abgefallen war. Der Mann war gestorben, sie wollte seine Liebe restaurieren. „Ein Herz kann man nicht reparieren?“ (Behauptet Udo Lindenberg.) Der Herzlmacher kann. Drei Stunden standen Hollmanns und zuckerten liebevoll nach.

Jetzt stehen sie wieder auf Crange, die schnell trocknende Zuckermasse in der Maschine, links das Pfeilwerfen, rechts das Pferderennen und gegenüber den Autoscooter, irgendwie von gestern, aber für die Zukunft bereit. Denn „wenn wir aufhören, gibt’s den Herzlmacher nicht mehr“. Das kann keiner wollen, sie waren 2010 „Cranges Beste“, und Karl Heinz Hollmann, der schon als Kind in der Kirmesbude die Büchsen aufstellte, hat nie was anderes gewollt, als genau das zu sein: „Kirmesmann“. Wenn das Alter also zwickt, guckt er in die Gesichter der Kinder – „und dann bleiben wir dabei“.