Herne. Bürger in Herne sind wegen Lärm verzweifelt. Auslöser ist das Nordfrost-Tiefkühllager. Ist die neue Lärmschutzwand etwa zu kurz?

Lärm, genauer: ein Dauerbrummen durch das riesige Tiefkühllager Nordfrost in Herne treibt Anwohnerinnen und Anwohner noch immer zur Verzweiflung. Das Unternehmen hat eine 450 Meter lange Lärmschutzwand aufgebaut, die aber reicht nicht um das gesamte Gelände. Viele Bürgerinnen und Bürger klagen deshalb weiterhin über unerträglichen Lärm. Die Stadt nimmt die Kritik Ernst. Ein Gutachten zum Schallschutz, vorgelegt von Nordfrost, reicht der Verwaltung nicht. „Es bleiben Fragen offen“, sagt Achim Wixforth, Chef im städtischen Fachbereich Umwelt und Stadtplanung, zur WAZ. Ein Treffen mit Unternehmen und Gutachter sei deshalb vereinbart worden.

Seit der Eröffnung des laut Nordfrost „größten Tiefkühlhauses in Deutschland“ am Malakowturm in Unser Fritz vor knapp vier Jahren reißt die Kritik an dem Lärm nicht ab. Frustrierte und genervte Anwohnerinnen und Anwohnern beklagen ein Dauerbrummen, verursacht durch Kühlaggregate an dem Gebäudekomplex, aber auch an den wartenden Lastwagen. Als Reaktion rüstete das Unternehmen zunächst kraftstoffbetriebene Aggregate um, die seither nur noch elektrisch betrieben werden. Als das keine erkennbare Wirkung zeigte, entschied sich Nordfrost zum Bau der bis zu 14 Meter hohen Lärmschutzwand. Seit etwa einem Jahr steht sie nun, aber die Klagen sind nicht verstummt.

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Zunächst das Positive: Von der Unser-Fritz-Straße sind keine Klagen mehr bekannt. Das sagt auch Anwohner Horst Schröder zur WAZ: „Es ist ruhiger geworden.“ Allein: Ob die Schallschutzwand, die in weiten Teilen parallel zu der Straße gebaut wurde, ausreicht, müsse erst der kommende Sommer zeigen, wenn die Kühlaggregate an heißen Tagen auf Hochtouren laufen. Keine Verbesserungen sehen dagegen Anwohnerinnen und Anwohner im Osten, also die der Paul-, aber auch der Josefstraße. Nicht verwunderlich, denn dort hört die Lärmschutzwand plötzlich auf.

Herner: Forderung nach Nachbesserung

Aus der Vogelperspektive sind das Nordfrost-Kühlhaus und die neue Lärmschutzwand gut zu erkennen. Kritik an Lärm kommt noch von Anwohnerinnen und Anwohnern der Paul- und Josefstraße.
Aus der Vogelperspektive sind das Nordfrost-Kühlhaus und die neue Lärmschutzwand gut zu erkennen. Kritik an Lärm kommt noch von Anwohnerinnen und Anwohnern der Paul- und Josefstraße. © funkegrafik nrw | Anna Stais

Warum eigentlich?, fragen Manuela Holland und Manfred Sokolowsky. Ihre Doppelhaus-Hälften grenzen im Osten an das Nordfrost-Gelände, dazwischen liegt eine Bahntrasse. Holland lebt mit ihrer Familie in der Josefstraße, dort läuft die Lärmschutzwand aus. Nordfrost, sagte die 50-Jährige zur WAZ, raube ihrer Familie weiterhin den Schlaf. Mehr noch: „Das Brummen ist 24/7 da.“ Folge: „Man ist nur noch genervt.“ Sokolowsky berichtet, dass der Lärm sogar noch zugenommen habe. Die Schallschutzwand reagiere wie ein Resonanzkörper und leite den Lärm der nahen Autobahn nun verstärkt in die Siedlung: „Es ist, als säße man auf dem Mittelstreifen“, erzählt der 68-jährige Architekt. „Das ist auf Dauer nicht auszuhalten.“

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Die beiden Nordfrost-Nachbarn fordern Abhilfe und weitere Verbesserungen am Lärmschutz. Das fordert auch Wannes Bezirksbürgermeister Uwe Purwin. Auch wenn der Lärm auf der Unser-Fritz-Straße offenbar deutlich nachgelassen habe - auf der Paul- und der Josefstraße sei er noch da. „Dort gibt es noch immer arge Probleme“, so der SPD-Politiker, der direkt um die Ecke wohnt. Die Stadt müsse beim Lärmschutz am Ball bleiben, und auch für diese Anwohnerinnen und Anwohner müsse eine Lösung gefunden werden, sagt er zur WAZ.

Fordert Verbesserungen am Lärmschutz: Wannes Bezirksbürgermeister Uwe Purwin.
Fordert Verbesserungen am Lärmschutz: Wannes Bezirksbürgermeister Uwe Purwin. © SPD

Am Ball bleiben, das will die Stadt. In der Bezirksvertretung Wanne hakte die SPD nun nach und wollte von der Verwaltung wissen, was aus dem schalltechnischen Gutachten geworden ist, das den Nutzen der neuen Schallschutzmauer prüfen sollte. Liegt der Verwaltung ein solches Gutachten vor?, fragt der Bezirksverordnete Torsten Röll. Und wenn ja: Wie lautet die Erkenntnis? Das Gutachten, antwortete Achim Wixforth, der Chef im städtischen Fachbereich Umwelt und Stadtplanung, liege zwar vor, zufrieden sei die Stadt damit aber nicht. Ins Detail ging er nicht, nur so viel: „Wir sind dabei, Werte zu hinterfragen.“ Er sagte zu, dass sich die Stadt um die Nöte der Menschen im Osten des Nordfrost-Grundstücks kümmere. Ende Februar, sagte er nach der Sitzung zur WAZ, wolle sich die Stadt mit Unternehmen und Gutachter zusammensetzen. Dabei sollen alle offene Fragen geklärt werden. In der nächsten Sitzung der Bezirksvertretung Wanne am 19. März könnten die Ergebnisse dann voraussichtlich präsentiert werden.

Neben dem Malakowturm hat sich Nordfrost im Stadtteil Unser Fritz angesiedelt. Gut zu erkennen: die neuen Lärmschutzwand.
Neben dem Malakowturm hat sich Nordfrost im Stadtteil Unser Fritz angesiedelt. Gut zu erkennen: die neuen Lärmschutzwand. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Und was sagt Nordfrost zu der Lärmschutzwand? Mindert sie den Lärm ausreichend? Und was sagt das Unternehmen zur Kritik der Anwohnerinnen und Anwohner? „Da noch ein weiteres Gespräch mit der Stadt Herne zu der von uns errichteten Lärmschutzwand bevorsteht, bitten wir um Ihr Verständnis, dass wir dem an dieser Stelle nicht vorgreifen“, so die schriftliche Antwort aus der Firmenzentrale im friesischen Schortens .

>>> Nordfrost hat 40 bundesweite Standorte

Nach 17 Monaten Bauzeit wurde das Tiefkühl-Logistikzentrum von Nordfrost im Mai 2020 auf der 13 Hektar großen, direkt an der A42 gelegenen ehemaligen Bergwerksfläche Unser Fritz mit 70.000 Paletten-Stellplätzen eröffnet.

Mit dem neuen Haus verfügt das Familienunternehmen über 13 Logistikstandorte in NRW. Es betreibt nach eigenen Angaben in Deutschland rund 40 Logistikzentren mit 800.000 Palettenstellplätzen.