Herne. In Herne sind Nachbarn eines riesigen Tiefkühllagers auf der Palme: Ein Dauerbrummen treibt sie zur Verzweiflung. Nun gibt es eine erste Klage.

Nachbarn des Tiefkühllogistikers Nordfrost in Herne gehen auf die Barrikaden. Ein Dauerbrummen, verursacht durch das riesige Tiefkühllager, raube ihnen den Schlaf, klagen sie. Versprochene Verbesserungen hätten nichts bewirkt. „Es ist einfach grauenhaft“, schildert Johanna Leckebusch (24), eine der Anwohnerinnen und Anwohner, die aktuelle Lage.

Die Lärmbelästigung auf dem Betriebsgelände in Unser Fritz mache ihnen seit der Eröffnung des „größten Tiefkühlhauses in Deutschland“ im Mai vor einem Jahr zu schaffen, sagen die Anwohner. Sie sind frustriert und genervt. Betroffen seien Hunderte Menschen unter anderem aus der Allee- und Unser-Fritz-Straße. Nach Protesten habe Nordfrost im Juli an den Hallenkomplexen insgesamt 23 elektrisch betriebene Stromanschlüsse eingerichtet, die die Geräusche dämpfen sollen, meldete die Stadt im vergangenen Monat. Ursache für die Brummgeräusche seien kraftstoffbetriebene Kühlaggregate an Lkw gewesen. Diese würden nun elektrisch und damit leiser über die neuen Stromanschlüsse betrieben.

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Herne: Anwohner ziehen eine vernichtende Bilanz

Nachbarn des Nordfrost-Tiefkühllagers in Unser Fritz sind genervt von einem Dauerbrummen.
Nachbarn des Nordfrost-Tiefkühllagers in Unser Fritz sind genervt von einem Dauerbrummen. © Hans Blossey

Also alles gut? Mitnichten. Knapp einen Monat später ziehen die Anwohner eine vernichtende Bilanz: Nichts habe sich gebessert, klagen sie. Vor allem an den warmen Tagen sei das Dauerbrummen unerträglich, sagt Johanna Leckebusch von der Unser-Fritz-Straße zur WAZ. Sie müsse ob des tiefen Dauertons mit geschlossenem Fenster schlafen, dennoch werde sie durch die Geräusche immer wieder aus dem Schlaf gerissen. „An der Lautstärke hat sich nichts geändert“, sagt auch Nachbar Horst Schröder von der Mondritterschaft Wanne-Eickel, ebenfalls ein Betroffener. Je wärmer es sei, desto lauter werde es – weil Nordfrost dann stärker kühlen müsse, meint er.

Auf der Palme ist auch Daniela Ulrich. Die Lärmbelästigung, schimpft die 56-Jährige, sei „fürchterlich“. Sie fühle sich so, als stünde sie neben einer Bassbox: „Da kann man keine Nacht vernünftig schlafen.“ Ein weiterer Anwohner, der ungenannt bleiben will, kritisiert ebenfalls den „sehr lauten, monotonen Ton“. Sein Kommentar: „Das ist nicht zum Aushalten.“ Bei dem schönen Wetter am Wochenende habe er sich nicht im Garten aufhalten können: „Da hätte ich mich auch auf die A 40 setzen können“, vergleicht er den Geräuschpegel. Der 43-Jährige fürchtet um seine Gesundheit: „Industrielärm macht krank.“ Er habe nun die Stadt Herne angezeigt, weil sie den Betrieb des Tiefkühllagers seinerzeit genehmigt hat – offensichtlich unter falschen Voraussetzungen.

Stadt Herne: Lärmbelästigung hat sich reduziert

Nach Auskunft der Stadt Herne sind die Anlagen zur Lärmreduzierung so wie vom Unternehmen angekündigt umgerüstet worden. Wie Stadtsprecher Michael Paternoga gegenüber der WAZ außerdem sagt, hat die Stadt entsprechende Kontrollen durchgeführt. Und wie hat sich die Umrüstung auf Elektroaggregate ausgewirkt? „Nach erster Einschätzung der Stadt Herne hat sich die Lärmbelästigung durch die Installation der zusätzlichen Stromanschlüsse reduziert“, antwortet Paternoga. Er fügt an: „Eine weitere Überprüfung wird regelmäßig stattfinden und gegebenenfalls zusätzliche Maßnahmen geprüft.“ Von einer Anzeige sei im Rathaus (noch) nichts bekannt.

Nordfrost teilte am Abend mit, dass das Unternehmen die Zahl von so genannten Elektranten in Abstimmung mit der Stadt Herne durch Nachrüstung erweitert und „organisatorische Maßnahmen zur Sicherstellung der Nutzung der Einrichtungen“ umgesetzt habe. „Dies war ein wichtiger Baustein, um den Lärmemissionen von der Ursache her entgegenzuwirken und diese damit zu reduzieren“, so eine Sprecherin. Nun werde geprüft, ob es darüber hinaus Handlungsbedarfe zu weiteren Lärmminderungsmaßnahmen gebe – „in enger Abstimmung mit der Stadt Herne.“

>> WEITERE INFORMATIONEN: Das Logistikzentrum

Nach 17 Monaten Bauzeit wurde das Tiefkühl-Logistikzentrum von Nordfrost im Mai 2020 auf der 13 Hektar großen, direkt an der A 42 gelegenen ehemaligen Bergwerksfläche Unser Fritz mit 70.000 Paletten-Stellplätzen eröffnet.

Mit dem neuen Haus verfügt das Familienunternehmen über 13 Logistikstandorte in NRW. Es betreibt nach eigenen Angaben in Deutschland rund 40 Logistikzentren mit 800.000 Palettenstellplätzen.