Herne. Hunderte Geräte liegen in Herne ungenutzt in einem Schulkeller: Die Tablets für alle Schüler bringen Schulen an die Grenzen ihrer Kapazität.

Wirbel um Tablets in Herne: Die Digitalisierung der Schulen sorgt bei Schulleitungen für großen Ärger. Denn trotz oder gerade wegen der gelieferten Tablets stoßen sie mit ihrem Kollegium und den Schülern in der Praxis auf viele Probleme. Auch sonst sind sie mit dem Stand der Digitalisierung der Schulen alles andere als zufrieden.

So berichtet eine Schulleitung aus Herne vor einigen Wochen: „Wir haben fast 1000 Tablets im Keller liegen – aber wer soll sie einrichten?“ Zwar sei es ja schön, dass die Schulen die digitalen Endgeräte geliefert bekämen. Diese könnten aber nicht einfach an die Schülerinnen und Schüler verteilt werden. Nun lägen sie im Keller, weil niemand die Zeit und die Kompetenz habe, sie einzurichten, um sie nutzen zu können. Bei besagter Schulleitung löst das nur Kopfschütteln aus.

Herne: Einrichtung der Tablets für Schulen sehr aufwendig

„Für 200 Kinder das Tablet einzurichten, ist eine Menge Arbeit“, sagt Meike Blind, Schulleiterin der Katholischen Grundschule an der Bergstraße. „Jedes einzelne muss benannt und ins System eingepflegt werden. Es gibt viele Leihverträge, viel Papierkram. Alle müssen ins WLAN eingespeist werden“, beschreibt die Schulleiterin den Aufwand, der schon an ihrer kleinen Schule entstehe. „Das dauert Stunden, bis das alles eingerichtet ist.“ Das Leihgerät solle in der Schule genutzt werden, die Schulen hätten aber keine Ladegeräte erhalten. „Es ist schleppend, umständlich und aufwendig“, so Meike Blind. Es sei ein hoher Verwaltungsaufwand. Sie habe einen der Lehrer zu einem Digitalisierungsbeauftragten benannt.

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Doch nicht an allen Schulen ist dies möglich: „Wir haben nicht die Leute, die das können“, beklagt Katharina Rodermund, Leiterin der Gesamtschule Wanne-Eickel. Zum einen seien fast keine Informatiklehrer an der Schule, zum anderen der zeitliche Aufwand viel zu groß. „Es heißt, das Land gibt Geräte, das ist ja auch schön, aber wer sorgt dafür, dass sie eingerichtet und gewartet werden?“

Schulträger ist „erheblicher Aufwand“ bekannt

„Grundsätzlich werden alle vom Schulträger beschafften Geräte betriebsbereit ausgeliefert“, sagt Heike Christine Wegner, Abteilungsleiterin für Bildungsmanagement und Digitalisierung bei der Stadt. Die Herausforderungen für die Schulen ergäben sich vor allem bei der Einrichtung der Lernplattform. Darüber hinaus müssten bei Windows-basierten Endgeräten zusätzliche Einstellungen vorgenommen werden. „Dieser ,First-Level-Support’ wird seitens der Schulen vorgenommen und ist ein erheblicher Arbeitsaufwand“, räumt Wegner ein. „Der Umstand ist dem Schulträger bekannt.“ Wenn die Schulen Hilfe benötigten, könnten sie sich an die Schul-IT wenden, die die Schulen bei konkreten Fragestellungen berate, so Wegner weiter.

Schuldezernent Andreas Merkendorf betont, dass es kaum eine Kommune gebe, die so schnell und so sauber in Sachen Digitalisierung gearbeitet habe. „Wir haben alle Fördermittel verbraucht, da ist kein Cent übrig geblieben“, sagt er. Zudem habe die Stadt eine ganz eigene Abteilung aufgebaut, damit alles funktioniere. Sollte es Probleme geben, wolle er sowas als Problemanzeige hören.

Serie: Schule 2023 in Herne – es brennt:

Die Schulen fühlen sich dennoch alleine gelassen. „Die Politik hat es sich ein bisschen einfach gemacht“, sagt Dennis Robertz, Schulleiter am Otto-Hahn-Gymnasium. Sie habe zwar das Geld für die Anschaffung gegeben, aber die allermeiste Arbeit bleibe bei den Schulen. „Das sind Zusatzaufgaben in ganz großem Stil, die einfach mal so nebenher gemacht werden sollen. Und das ist nicht in Ordnung“, so Robertz. Nur in Chargen gebe die Schule nun Tablets an die Schülerinnen und Schüler aus, um zu gucken, ob das schulische WLAN überhaupt stabil genug für Hunderte Tablets sei.

Dennis Robertz, Schulleiter des Otto-Hahn-Gymnasiums in Herne, prangert die massive zusätzliche Arbeit an, die durch die Tablets auf die Schulen zugekommen ist – sowie mangelnde Unterstützung von Stadt und Politik.
Dennis Robertz, Schulleiter des Otto-Hahn-Gymnasiums in Herne, prangert die massive zusätzliche Arbeit an, die durch die Tablets auf die Schulen zugekommen ist – sowie mangelnde Unterstützung von Stadt und Politik. © Funke Foto Services GmbH | Rainer Raffalski

Robertz findet aber auch lobende Worte für die Stadt: für die zügige Beschaffung der Tablets etwa; auch für die Einführung von Microsoft Teams als Plattform – bei der er auf Fortsetzung hoffe. Der Weg hin zum Arbeiten mit digitalen Geräten sei grundsätzlich der richtige, sagt der Schulleiter des Otto-Hahn-Gymnasiums. Es müsse aber einen deutlich größeren Support geben. „Es weiß auch keiner, was in vier, fünf Jahren ist, wenn die Tablets nicht mehr aktuell oder auch kaputt sind, wo dann weitere Exemplare herkommen sollen“, gibt Robertz zu bedenken. Nehme die Politik dann wieder Geld in die Hand oder müssten Eltern für die Kosten aufkommen? „Das ist alles noch vollkommen ungeklärt, wie es in der Zukunft weitergehen soll.“

In Herne gebe es eine digitale Vorzeigeschule, die Claudiusschule, die richtig schön geworden sei, sagt Katharina Rodermund. „Diese Schüler erleben den Umgang mit digitalen Medien als Alltag. Und diese Schüler kommen nach der vierten Klasse dann zu uns. Dann können sie alles vergessen, was sie gelernt haben“, bedauert die Schulleiterin. Denn bei ihr gebe es keine digitalen Tafeln in den Klassenräumen, bisher auch keine funktionierenden Endgeräte. Die Digitalisierung der Schulen? Für sie weiter mangelhaft.

>>>WEITERE INFORMATIONEN: Umverteilung von Endgeräten

  • Da digitale Endgeräte aus verschiedenen Förderprogrammen bezogen wurden (EU-Programm und NRW) müsse an einigen Schulen eine Umverteilung von Geräten durchgeführt werden, teilt die Stadt mit. „Die Umverteilung ist in den Förderrichtlinien vorgegeben und somit leider alternativlos“, sagt Heike Christine Wegner.
  • Folgende Schulen seien betroffen: Die Grundschulen Forellstraße, Ohmstraße, Kunterbunt, Max-Wiethoff-Straße, Josefschule, Freiherr-vom-Stein sowie Galileo. Zudem die Hauptschule Hans-Tilkowski-Schule, die Förderschulen an der Dorneburg, Robert-Brauner-Schule, am Schwalbenweg sowie Erich-Kästner-Schule und die Gesamtschulen Wanne-Eickel und Mont-Cenis.
  • Insgesamt seien es gut 2300 Endgeräte, die umverteilt werden müssten. Der Schulträger arbeite mit Hochdruck daran, dass auch diese Schulen schnell mit Endgeräten versorgt werden.