Herne. Die neue Claudiusschule gilt als Vorzeigeschule in Herne. Doch was ist an dieser Grundschule anders und wie wirkt es sich auf den Unterricht aus?
Der Baudreck ist noch nicht ganz weggewischt, einige letzte Arbeiten stehen noch an, doch schon jetzt gilt die Claudiusschule in Wanne als Vorzeige-Grundschule in Herne. Während andere Schulen über zu enge Klassenräume und Mensen, über fehlendes WLAN und generell eine zu schlechte Ausstattung klagen, können Lehrer und Kinder nach der Generalsanierung und einem Teilneubau der Claudiusschule seit den Sommerferien aus dem Vollen schöpfen. Doch was ist es, was hier besser oder zumindest anders ist als an anderen Schulen? Die WAZ hat sich mit Schulleiterin Britta Nutt-Winter umgesehen.
„Wir sind noch nicht ganz angekommen“, sagt Nutt-Winter gleich zu Beginn. Noch gebe es Heizungen, die nicht funktionierten, Fenster, die nicht aufgingen, bis sie nachjustiert werden, oder auch Klebebänder, die nicht abgemacht seien. „Es sind viele Kleinigkeiten, die nerven“, aber das kenne jeder, der selbst mal eine Baustelle im Haus hatte. Insgesamt freut sie sich aber: „Die Stadt hat unsere Ideen und Vorschläge weitestgehend umgesetzt.“
Herne: Klassen der Claudiusschule bilden Cluster
Denn sie und ihre Stellvertreterin, Elisabeth Steinsiek-Moßmeier, haben den Umbau der Schule inhaltlich maßgeblich mitgestaltet. Der erste Punkt: Zunächst habe die Stadt einen Schulneubau auf dem Sandspielplatz neben dem Schulhof geplant, erinnert sich Nutt-Winter. Aber diesen wollte die Schulleitung nicht opfern. Sie hätten deshalb die Idee des Anbaus ins Spiel gebracht, für die sich die Stadt dann auch begeistern konnte. „Dann haben wir beide uns auf den Weg gemacht und haben Architekturschulungen besucht, bei denen es um modernen Schulbau ging“, so Nutt-Winter.
Dadurch kamen sie auf eine zentrale Idee, die ebenfalls umgesetzt wurde: die Clusterbildung. „Bei uns haben immer drei Klassen einer Jahrgangsstufe als Cluster einen zusätzlichen vierten Ganztagsraum“, erklärt Nutt-Winter. „Dabei war uns wichtig, dass ein Sichtkontakt zwischen allen vier Räumen möglich ist“, ergänzt Stellvertreterin Steinsiek-Moßmeier das Konzept. Deshalb sind in den Türen und Wänden der Klassenräume große Fensterscheiben installiert, die den Blick in den Flur bzw. in die Klasse ermöglichen. „So kann man Kinder auch im Flur oder anderen Räumen arbeiten lassen, ohne die Aufsichtspflicht zu verletzen“, so die stellvertretende Schulleiterin.
Flur wird bei Claudiusschule in Herne zum Lernbereich
Denn der Flur ist kein schmaler Gang, sondern wird in der Claudiusschule selbst zum Lernraum. Er ist sehr weitläufig und in der Mitte gibt es Tische und Sitzmöglichkeiten, an denen die Kinder alleine oder auch in Gruppen arbeiten können. Gerade sitzt hier Lehrerin Yvonne Adamzik mit Henrik (8) und arbeitet ganz individuell mit ihm an Aufgaben. „Wir haben große Klassen und da ist es angenehm, dass die Kinder auf dem Flur einfach mal Ruhe haben“, freut sich Adamzik über die neuen Möglichkeiten.
Grundlage des Konzeptes ist der rhythmisierte Ganztag, auf den die Claudiusschule bereits seit 2012 setze, so Nutt-Winter. Dabei gehen die Kinder nicht nach dem Unterricht in die Betreuung, sondern das Personal des Offenen Ganztags (OGS) ist den ganzen Tag mit den Klassenlehrern in den Klassen. So gibt es für die Kinder auch während des Vormittags immer wieder Entspannungsphasen durch Spiel- und Bastelzeiten. Den Lehrern bietet es die Möglichkeit, einzelne Schülerinnen und Schüler aus dem Klassenverbund zu nehmen und mit ihnen individuell zu arbeiten, während die OGS-Kraft bei den restlichen Schülern bleibt.
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Insgesamt 226 von 328 Kindern an der Schule – zwei von drei Klassen je Stufe – besuchen die OGS und sind in diesen rhythmisierten OGS-Klassen. Offener Ganztag und Schule sind in der Claudiusschule nicht mehr zwei unabhängige Einrichtungen, sondern untrennbar miteinander verwoben. Das zeigen auch kleine bauliche Details: So liegen das Büro der Schulleiterin, das Sekretariat, sowie Räume der Ansprechpartner der OGS und der Schulsozialarbeit direkt nebeneinander.
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Neben diesen Klassen- und OGS-Räumen gibt es noch spezielle Bereiche: etwa großzügig gestaltete MINT-Räume, die zum Forschen und Experimentieren im Sachunterricht einladen, aber auch sogenannte Snoezelräume, also Entspannungsräume, in denen Kinder zwischendurch zur Ruhe kommen sollen. Es gibt Aufenthalts- und Besprechungsräume sowie einen Lehrmittelraum, wo früher das Schwimmbad war. In der Turnhalle wurde der Boden erneuert sowie Prallschutz an den Wänden installiert.
Ein weiterer Gewinn: die große Küche und Mensa. „Die Küche war früher so groß wie ein Klassenraum“, so Nutt-Winter. Nun gibt es mehrere abgetrennte Räume, einer allein mit mehreren Gefrierschränken fürs Essen, eine Waschstraße für das dreckige Geschirr und einen Zubereitungsraum. Hier sei auch genügend Platz für das Brotzeit-Projekt, an dem die Schule bald teilnehmen wird. Die Mensa kann durch eine bewegliche Wand in zwei Räume geteilt werden, damit die Klassen getrennt essen können. Für Veranstaltungen kann sie als großer Raum genutzt werden. Die Jahrgangsstufen 1 und 2 essen in ihren OGS-Klassenräumen.
Displays statt Tafeln ermöglichen interaktiven Unterricht
Nicht zu vergessen: Die staubigen Kreidetafeln sind durch Displays ersetzt worden. „Alle hatten vorher Respekt, weil der Wechsel vom einem zum anderen Tag kam“, so Steinsiek-Moßmeier. Inzwischen hätten sie Fortbildungen gehabt und die Vorteile seien enorm. Unterlagen oder auch Bastelanleitungen ließen sich leichter visualisieren, kein separater CD-Player werde mehr benötigt. „In den neuen Räumlichkeiten zu arbeiten macht schon Spaß“, so ihr Fazit.
Ob die Kinder an der Claudiusschule durch die neuen Möglichkeiten auch besser lernen könnten als an anderen Grundschulen in Herne? „Das kann ich so nicht beantworten“, sagt Elisabeth Steinsiek-Moßmeier diplomatisch. „Aber auf jeden Fall ermöglicht es uns ganz neue Unterrichtsmethoden.“
>>>WEITERE INFORMATIONEN: Teilstandort an der Hedwigstraße
- Bereits zum kommenden Schuljahr 2023/24 soll die Claudiusschule von drei auf fünf Züge erweitert werden. Die zwei zusätzlichen Züge sollen in der ehemaligen Astrid-Lindgren-Förderschule an der Hedwigschule unterrichtet werden.
- In der Schulkonferenz war auf die Erweiterung zunächst mit viel Kritik reagiert worden. Bei den Anmeldungen für das kommende Schuljahr sei das aber bei den Eltern kein Thema gewesen, so Nutt-Winter. Außerdem, so betont sie, soll die Schule genauso ausgestattet werden, wie die Schule an der Claudiusstraße.