Herne. Die Raumnot an Schulen in Herne spitzt sich zu. Schulleiter sehen die Qualität des Unterrichts in Gefahr. Die Stadt versucht gegenzusteuern.
Durch überfüllte Klassen und zu wenige Räume sehen Schulleitungen in Herne die Qualität des Unterrichts gefährdet. So warnt etwa Katharina Rodermund, Schulleiterin der Gesamtschule Wanne-Eickel: „Der Raummangel ist bei uns ein sehr großes Problem. Alles, was man sich an pädagogischen Konzepten überlegt, scheitert an den fehlenden Räumen.“ Stadt und Schulamt sind sich des Problems bewusst. Doch das Gegensteuern erweist sich als schwierig.
Das Problem ist in Herne nicht neu: Bereits die erste Flüchtlingswelle im Jahr 2015 (damals aus Syrien) machte deutlich, dass nach der Schließung einiger Schulstandorte in Herne in den Jahren zuvor nun vielerorts Klassenräume fehlten. An der Gesamtschule Wanne-Eickel seien zu der Zeit vier zusätzliche Container als Klassenzimmer aufgestellt worden. Aber: „Der Platz reicht dennoch hinten und vorne nicht aus“, betont Rodermund.
Herner Schulleiterin: „Wir sind absolut am Ende unserer Kapazitäten“
Inzwischen habe die Schule mehr als 1200 Schülerinnen und Schüler. Gesamtschulen böten ein differenziertes System, und diese Differenzierung erfordere einen hohen Raumbedarf. Wenn dann noch andere Förderbedarfe hinzukämen, wenn mit einzelnen Kindern gearbeitet werden solle, fehle der Platz. „Wir sind absolut am Ende unserer Kapazitäten“, so die Schulleiterin. Seit Jahren hoffe sie auf einen Anbau: bisher vergeblich.
Dass die Situation an der Gesamtschule Wanne besonders schwierig ist, gesteht auch Dennis Neumann, Leiter des Fachbereichs Schule, ein und sagt: „Wir prüfen alle Möglichkeiten – auch die eines Schulanbaus.“ Auch die Verringerung der Zügigkeit sei eine Option, müsse aber an anderer Stelle aufgefangen werden. Klassenraummodule sollen „kurzfristig mehr Raum schaffen“. Wobei „kurzfristig“ hierbei heißt, dass Container frühestens zum Sommer 2024 zu bekommen seien, da der Markt gerade sehr verknappt sei.
„Unsere Schulen in Herne sind im Schnitt 70, 80 Jahre alt, da hatte man ganz andere Ansprüche an einen Schulraum“, erläutert Dennis Neumann die Problematik. Damals habe es vor allem Frontalunterricht gegeben, heute lerne man mehr in Kleingruppen, mit Differenzierungsräumen. Früher waren es Halbtagsschulen, heute benötigten die Ganztagsschulen Platz für Mensen, Küchen und Co. „Irgendwann kommt man architektonisch an die Grenzen.“
Neue Auffangklassen für Grundschulen in Herne
Und das Platz-Problem betrifft bei weitem nicht nur die Gesamtschule Wanne-Eickel. An den Grundschulen sind die Klassen mancherorts auch „bis unters Dach voll“, wie Schulamtsdirektorin Andrea Christoph-Martini es formuliert. „In Wanne und Mitte sind wir randvoll. Das ist ziemlich erschreckend.“ Weitere starke Zuzüge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak sowie Flüchtlingskinder aus der Ukraine bräuchten einen Schulplatz.
Deshalb sollen neben den bestehenden 16 Auffangklassen im Grundschulbereich drei weitere gegründet werden. Diese sollen an der Galileoschule, der Grundschule Forellstraße und wahrscheinlich eine zweite am Jürgens Hof entstehen, sagt Schulrat Dieter Leiendecker. Zudem gebe es sieben Auffangklassen an weiterführenden Schulen. „Die Situation mit Schulplätzen ist sehr angespannt“, betont auch Leiendecker.
Serie: Schule 2023 in Herne - es brennt:
- Lehrer mit Steinen beworfen – Gewalt von Schülern nimmt zu
- Zwänge, Ängste: Schüler viel häufiger psychisch erkrankt
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Jedes Kind werde immer einen Platz an einer Grundschule bekommen, das betonen die Verantwortlichen unisono. Andrea Christoph-Martini räumt aber auch ein: „In Wohnortnähe einen Platz an einer Grundschule zu bekommen, bleibt nur noch ein Wunsch von Eltern, den wir nicht immer erfüllen können.“ Denn auch unabhängig von den Flüchtlingskindern seien die Klassen voll.
Die Stadt versucht, durch den Neu- und Ausbau gegenzusteuern (siehe Infobox). „Bei jedem Grundstück und Gebäude, das frei wird, prüfen wir, ob es für eine Schulnutzung hergerichtet werden kann“, betont Schuldezernent Andreas Merkendorf. Nur so könne die Voraussetzung geschaffen werden, die Klassengröße wieder zu reduzieren.
Forderung nach einer vierten Gesamtschule
Bis es soweit ist, heißt es für einige Schulen weiter improvisieren. „Die große Menge an Kindern, die große Heterogenität, führt zu einer höheren Belastung der Lehrkräfte“, fasst Christoph-Martini zusammen. Die Kinder litten nicht direkt unter der Situation, aber: „Die individuelle Zeit, die jedes Kind vom Lehrer bekommen kann, ist zwangsläufig geringer.“ Das sei für manche Kinder problematisch, da es die Fördermöglichkeiten einschränke.
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Katharina Rodermund hofft auf eine Verbesserung der Situation – und zwar möglichst zeitnah: „Wir haben so engagierte Kollegen, die motiviert sind. Wir würden gerne unsere Funktion als Ganztagsschule, die den Kindern einen Lebensraum bietet, erfüllen.“ Die nötige Fläche dafür müsse geschaffen werden. Wenn es nach ihr geht, wüsste sie auch schon wie: „Aus meiner Sicht brauchen wir dringend eine weitere Gesamtschule in Herne. Wir schaffen das hier sonst nicht.“ Eine Forderung, die in Herne nicht ganz neu ist.
>>>WEITERE INFORMATIONEN: Schulbau-Projekt
- In den letzten Jahren habe die Stadt einiges unternommen, um mehr Schulraum zu schaffen, betont Dennis Neumann, Leiter des Fachbereichs Schule. Folgende Projekte würden aktuell umgesetzt oder sollen zeitnah in Angriff genommen werden:
- Grundschule Lackmanns Hof (Neubau)
- Grundschule Galileo-Schule (Sanierung und Erweiterung)
- Grundschule Michaelstr. (Erweiterung)
- Grundschule Max-Wiethoff-Schule (Sanierung und Erweiterung)
- Grundschule Europastr. (Sanierung und Erweiterung)
- Quinoa-Schule (Generalsanierung und Erweiterung)
- Grundschule Claudiusschule (Aktivierung des Gebäudes der ehem. Astrid-Lindgren-Schule)
- Grundschule Horstschule (Aufstellung von Modulen und Umgestaltung im Gebäude)
- Grundschule Südschule (Aufstellung von Modulen)
- Grundschule Eickeler Park (Aufstellung von Modulen und Umgestaltung im Gebäude)
- Grundschule Freiherr-vom-Stein (Aufstellung von Modulen)
- Gesamtschule Mont-Cenis (Sanierung und Teilneubau)
- Weitere Standorte habe die Stadt im Blick: Etwa die Reaktivierung der ehemaligen Görresschule zur Erweiterung der Zügigkeit im Verbund mit der Südschule. Außerdem soll nach der Fertigstellung der Grundschule am Lackmanns Hof und dem Umzug der Grundschule an der Forellstraße, der Standort Forellstraße als neuer Standort genutzt werden, so Merkendorf. Auch am Berliner Platz solle geschaut werden, ob eine Reaktivierung einer Schule möglich sei.
- Bei der Erich-Fried-Gesamtschule warte man in diesem Jahr auf das Ergebnis der Machbarkeitsstudie für eine Erweiterung im Rahmen des Ausbaus der Zügigkeit.