Gladbeck. In Gladbecks Pfarrei St. Lamberti gibt es viele Schätze. Nicht alle sind aus Gold und Silber, doch sie lassen Stadtgeschichte lebendig werden.
Er sieht fast unscheinbar aus, knapp zwanzig Zentimeter groß, und wirklich strahlen und glänzen tut er auch nicht mehr. Trotzdem ist der Hermanus-Kelch der wichtigste Schatz der Gladbecker Pfarrei St. Lamberti – und dabei geht es nicht einmal ums Materielle. Es ist vor allem seine Geschichte, die diesen Kelch so wertvoll macht. Er stammt aus dem 14. Jahrhundert und ist ein „hervorragendes Werk des Kunsthandwerks hochgotischer Zeit“, so das Urteil des Kunsthistorikers Paul Pieper.
Der Kelch ist aus Silber, und er war mit hoher Wahrscheinlichkeit auch mal vergoldet, sagt Eugen Gibkes, Verwaltungsleiter von St. Lamberti. Doch über die Jahrhunderte wurde die goldene Schicht wohl nach und nach weggeputzt. Der Kelch sei über all die Zeit auch im Besitz der Gladbecker Kirche gewesen.
Die Besonderheit: Im Fuß des Kelches haben sich die beiden Stifter verewigt. Neben den Abbildungen stehen dort die Namen Hermanus und Herzeloy. Viel sei über sie nicht bekannt. Doch man vermute, dass es sich um einen Ritter aus der Umgebung und seine Frau handele. Normalsterbliche hätten derart kostbare und teure Geschenke wohl nicht machen können.
Schätze von St. Lamberti
Lokalhistoriker gehen davon aus, dass der Kelch von Hermann von der Horst im Bruch gestiftet wurde. Derartige Geschenke an die Kirche seien in dieser Zeit nicht unüblich gewesen, sagt Eugen Gibkes. „Die Stifter waren damit präsent im Gottesdienst, auch über den Tod hinaus in mehreren Generationen“, erläutert er die Hintergedanken solcher Schenkungen.
Im Gottesdienst wird diese Kostbarkeit nicht mehr eingesetzt. Das gilt auch für andere Schätze der Pfarrei. Eugen Gibkes und die Archivarin der Pfarrei, Elke Dißelbeck-Thewes, haben zwei Reliquienschreine hervorgeholt. Öffnet man die vier Klappen, so fällt der Blick auf winzige Reliquien, also Überreste, die einen Bezug zu einem Heiligen haben. Hier unterscheidet die Kirche zwischen Primärreliquien, also etwa Blut, Asche oder Gebeine des Heiligen sowie Berührungsreliquien, also Dinge, die mit dem Heiligen oder den Primärreliquien in Berührung gekommen sind.
In den beiden Schreinen befänden sich Berührungsreliquien, so Gibkes Auffassung. Ein Blick auf die Namen und Abkürzungen lässt den Laien meist eher ratlos zurück. Auf wen die Reliquien zurückgehen, erschließt sich nicht immer sofort. Immerhin, eine scheint auf Franz von Assisi zu deuten, Vorbild und Namenspatron des aktuellen Papstes. Die Schreine selbst sind im Prinzip Würfel aus Holz, innen hohl und von außen mit dünnen Goldblechen und Heiligendarstellungen versehen. Die Reliquien sind auf Samt gebettet, und blickt man ins Innere des Kubus, so fällt auf, dass sie von hinten mit rotem Siegellack geschützt sind.
Gladbecks älteste Kirche wurde im Krieg durch Bombenangriffe zerstört
Die Lamberti-Kirche wurde im Krieg stark zerstört. Der damalige Hochaltar lag in Trümmern. Doch Fragmente dieses Kunstwerks, das der spätere Dombaumeister zu Köln, Bernhard Hertel, im Zusammenspiel mit der gesamten Kirche geplant hat, blieben erhalten. Ein Relief lagert im Keller des katholischen Stadthauses. Der weiße Marmor strahlt immer noch, das Relief zeigt die Wandlung von Wasser zu Wein, ein zweites zeige die Brotvermehrung, sagt Elke Dißelbeck-Thewes
Solche bildlichen Darstellungen seien in der Vergangenheit besonders wichtig gewesen, sagt Eugen Gibkes. Es ging dabei gar nicht immer unbedingt darum, Reichtum und Pracht zur Schau zu stellen. „Aber damals war der Gottesdienst auf Latein, eine Sprache, die nur die wenigsten verstanden haben.“ Und gehe man noch weiter zurück in der Zeit, konnte ein Großteil der Menschen nicht einmal lesen, die seien auf solche Darstellungen angewiesen gewesen. „Die Ausstattung der Kirche sollte daher auch den Glauben transportieren.“
Schätzen halten Erinnerungen an aufgegebene Gladbecker Kirchen wach
Auch in der Kirche finden sich Teile dieses Marmor-Altars wieder. An den Wänden im Altarraum etwa hängen zwei kleine, eher unauffällige Heiligenfiguren. Auch sie waren vorher Teil des Altars. Sie dienen nun als Schmuck für die wiederaufgebaute Kirche und verbinden, wenn man so will, die Vor- und die Nachkriegszeit miteinander. Der Tabernakel hat die Bombardierung ebenfalls überlebt, er steht jetzt links im Altarraum. Die vielen bunten Steine, das sei jedoch nur Glas, sagt Gibkes.
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Die Kirchengeschichte der jüngeren Vergangenheit in Gladbeck war geprägt von Schließungen, Entweihungen oder gar dem Abriss von Kirchen. Das spiegelt sich aber tatsächlich auch in den Kirchenschätzen wider. So ist einer der ersten Kelche der inzwischen abgerissenen Kirche St. Johannes erhalten geblieben. Er soll auch künftig in der Gladbecker Pfarrei zum Einsatz kommen.
Gotische Madonnenfigur aus St. Johannes muss noch einen Platz finden
Wobei für die Kelche gelte, dass sie oftmals im Besitz des Priesters sind. Vielfach sind sie ein Geschenk zur Primiz, also zur Priesterweihe und zur ersten Heiligen Messe, die sie feiern. Nicht selten verbinden Priester damit auch etwas Persönliches. Der Gladbecker Jan Sienert etwa, der 2022 zum Priester geweiht wurde, hat in seinen Kelch ein Stück Stahl aus Duisburg einarbeiten lassen, um seine Verbindung zur Region zu zeigen. In seiner Hostienschale wurde ein Stück Kohle verarbeitet, außerdem der Ehering seines verstorbenen Großvaters. So verbindet die Priester vieles mit ihrem Kelch. Manche Priester hinterlassen sie dann einer Kirche, und so ist wohl auch der Kelch an St. Johannes gekommen.
Anders die Monstranzen, die großen prachtvollen Behälter, in denen zu Fronleichnam das Allerheiligste durch die Straßen der Stadt getragen wird. Sie gehören der Kirche. St. Lamberti hat inzwischen eine ganze Reihe davon zu bieten. Das liegt daran, dass eine kleinere, moderne aus der inzwischen entweihten Elisabeth-Kirche den Weg in die Pfarrkirche gefunden hat. Gibkes: „Zuletzt wurde sie gar zur Fronleichnamsprozession eingesetzt.“
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Steht sie neben den beiden anderen, so fällt sie sofort auf, sie ist kompakter, moderner und man sieht ihr an, dass sie wie der Kirchenbau in Ellinghorst aus den 1950/60er-Jahren stammen dürfte. Doch auch wenn die Monstranzen so prächtig aussehen, so gilt hier ebenfalls. Es ist nicht alles Gold, was glänzt, und es ist nicht alles Edelstein, was funkelt.
Es gehe eben darum, auch Schätze aufzubewahren, zu zeigen und zu nutzen, die aus den aufgegebenen Kirchen stammen, sagen Elke Dißelbeck-Thewes und Eugen Gibkes übereinstimmend. So existiert noch eine gotische Madonnenfigur aus St. Johannes, auch sie soll einen neuen Platz finden. So wolle man den Gläubigen, die ihre Gemeinde verloren haben, ein Stück Heimatgefühl vermitteln. Auch das kann ja eine Art Schatz sein, wenn auch nicht im materiellen Sinne. Aber ein Schatz kann ja so viel mehr sein.