Gladbeck. Simon Terhardt führt in vierter Generation einen Laden in Gladbeck. Er sieht derzeit eine „Renaissance der Fachgeschäfte“. Hier sagt er, warum.

Seit 1887 haben die Terhardts schon ihr Geschäft in der Gladbecker Innenstadt. Ein Aufkleber auf einem der Schaufenster verkündet diese Zahl stolz. Und doch hat Simon Terhardts Traumwerkstatt nicht mehr viel mit der Möbel- und Sargschreinerei gemein, die sein Ururgroßvater einst gegründet hat. Aus dem späteren Möbelgeschäft machte Simon Terhardt dann ab 2002 ein Spezialgeschäft für Betten und alles, was damit zusammenhängt.

„Es gab hier im Haus schon immer eine große Fachabteilung und einen Schwerpunkt auf Betten“, erzählt Terhardt. Doch inzwischen dreht sich am Rande der Fußgängerzone an der Bachstraße alles um den Schlaf. Jetzt wurde die Traumwerkstatt ausgezeichnet als „Bettenfachhändler des Jahres“, zum zweiten Mal nach 2018. Die Jury eines Fachverlags hat den Gladbecker Geschäftsmann ausgezeichnet insbesondere für seinen Weg, den Simon Terhardt bei der Digitalisierung geht.

Kunden können digital durch die Gladbecker Ausstellungsräume wandern

Dabei hat der Gladbecker nicht einmal einen Online-Shop. Trotzdem existiert im Internet eine digitale Kopie seiner Geschäftsräume. Über die Internetseite der Traumwerkstatt, oder aber dem QR-Code auf den Werbeflyern, können die potenziellen Kunden also zunächst einmal von zu Hause aus virtuell durch den Laden schlendern. Sie können sich so ein Bild von dem Angebot machen und sich dann vor Ort individuell beraten lassen.

Silke Funkemeyer gehört zum fünfköpfigen Team der Traumwerkstatt.
Silke Funkemeyer gehört zum fünfköpfigen Team der Traumwerkstatt. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Nun ist es möglicherweise in einem Bettenfachgeschäft auch einfacher, auf einen Online-Shop zu verzichten. Schließlich werden Betten, Lattenrost und Matratzen oftmals vorher ausprobiert. Doch was Terhardt und sein Team im stationären Laden anbieten, geht dann doch übers „Probeliegen“ hinaus. Wenn nötig, vermessen sie auch den Körper des Kunden. Das könne etwa beim Kauf eines Lattenrostes sinnvoll sein, sagt Simon Terhardt.

Wenn nötig wird der Kunde im Laden vermessen

In dem Laden steht ein Gestell, etwa in der Größe eines mittleren Kleiderschranks. Dort stellt sich der Kunde hinein und wird zunächst vermessen – auf Höhe von Kopf, Schulter, Taille, Hüfte und Knie. Dann wird die Krümmung der Wirbelsäule abgemessen. Diese Daten kombiniert ein Computer dann mit zuvor abgefragten Vorlieben – etwa, ob man viel auf der Seite schlafe. Daraus werde dann am Ende die individuelle Anpassung des Lattenrostes berechnet. Auf einem „Messbett“ kann der Kunde die Einstellung dann sofort ausprobieren. Während der im Bett liegt, kann der Lattenrost automatisch verstellt werden. „Da merkt man dann auch sofort einen Unterschied.“

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Solche Dinge seien eben nicht im Internet anzubieten, sagt Simon Terhardt. Zumal es immer mehr Kunden gebe, die von der schieren Vielfalt im Netz überfordert seien, nicht wüssten, was für ihre Bedürfnisse das Richtige sei. Deshalb spricht Terhardt auch von einer „Renaissance der Fachgeschäfte“.

Sein Eindruck: „Die Menschen, auch jüngere, haben total Bock auf Kontakt mit Menschen.“ Das sei selbstverständlich abhängig vom Produkt, dass man anbiete, aber die direkte Beratung werde immer noch als ein Plus angesehen. „Viele wollen halt einfach auch einen Ansprechpartner vor Ort haben.“ Gerade bei etwas teureren Produkten, die länger halten sollen, sei das gefragt.

Kunden kommen sogar vom Niederrhein bis nach Gladbeck

Dabei sagt Terhardt, dass seine Preise vergleichbar sind mit denen im klassischen Möbelhandel. „Vergleichbare Qualität kostet immer vergleichbares Geld“, stellt er klar. Mit den ganz billigen Angeboten aus dem Internet oder vom Discounter will er gar nicht konkurrieren. „Wir leben davon, dass die Leute es einmal vernünftig machen, damit zufrieden sind und lange Ruhe haben.“

Die Menschen, auch jüngere, haben total Bock auf Kontakt mit Menschen.
Simon Terhardt - Geschäftsführer Traumwerkstatt

Ein Konzept, das anzukommen scheint. Die Kunden kämen aus dem gesamten Ruhrgebiet, auch vom Niederrhein zu ihm nach Gladbeck, sagt Simon Terhardt. Und die müssen im Zweifel Zeit mitbringen. Wer das Komplettpaket braucht, also Bettgestell, Lattenrost und Matratzen, bei dem dauere die Beratung auch schnell mal zwei Stunden. Das fünfköpfige Team arbeitet deshalb in der Regel mit Terminen.

Viele Kunden, die nach Gladbeck kommen, haben Leidensdruck

Das sei den Kunden aber auch wichtig, denn einige von ihnen hätten tatsächlich Leidensdruck, hätten schon einiges ausprobiert, um ihre Schlafprobleme in den Griff zu kriegen. „Die sind dann auch entsprechend offen“, so Simon Terhardt.

Wobei auch klar ist: Nicht jedes Schlafproblem lässt sich mit der passenden Schlafzimmerausstattung lösen. Geht es um körperliche oder psychische Probleme, die den Nachtschlaf stören, stößt auch die Traumwerkstatt an ihre Grenzen. Das sage man dann aber auch so offen, stellt Simon Terhardt klar.

Hat er denn eine Erklärung, warum sich Teile des Einzelhandels generell schwer tun? „Das liegt möglicherweise an der ein oder anderen Stelle an einer gewissen Austauschbarkeit.“

Blick in die Innenstadt

Die Gladbecker Innenstadt hat ihre Probleme, das ist bekannt. Gleichzeitig gibt es aber auch viele Geschäfte, die hier die Fahne hochhalten und ihren Teil dazu beitragen, dass die City trotz allem nicht tot ist – wie manchmal pauschal behauptet wird.

In loser Folge will die Lokalredaktion deshalb Fachgeschäfte und inhabergeführte Läden aus der Gladbecker Innenstadt vorstellen und die Geschäftsleute zu Wort kommen lassen.