Gladbeck. Eimer an der Decke: Die Gladbecker Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule gibt ein miserables Bild ab. „Konkurrenzkampf“ mit einem Gymnasium.
Alrun ten Have lächelt müde und winkt ab. Von den Schultoiletten fängt sie lieber gar nicht erst an. Die Schulleiterin wandelt durch die Hallen der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule in Gladbeck und lässt den Blick schweifen. Hallen, das trifft es ziemlich gut, zumindest klingen die Schulflure so. Der Hälfte fehlen nämlich die abgehängten Decken, schon ein Gespräch zwischen zwei Menschen klingt wie ins Megaphon gebrüllt. Da stellt man sich die Geräuschkulisse lieber nicht vor, wenn zur großen Pause 1072 Schüler hier durchschwappen. Und trotzdem sind die Flure nur ein Punkt auf einer langen Mängelliste.
An die haben wohl auch die Menschen gedacht, die am WAZ-Familiencheck teilgenommen haben – und die Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule mit äußerst bescheidenen Noten bedacht haben. Die schlechteste Zensur setzte es in der Kategorie „Zustand/Ausstattung“, eine 4,4. Die kann man gut nachvollziehen, wenn man so durch die Schule spaziert – und sich dann auch denken, dass die Note für „Atmosphäre“ (3,3) auch unter dem baulichen Desaster gelitten hat.
50 Jahre Schulleben haben in Gladbeck ihre Spuren hinterlassen
Und Alrun ten Have? Überrascht ist sie jedenfalls nicht. „Wir machen tagtäglich auf den Verfall aufmerksam“, sei es die Traglufthalle, in der im Winter kalte zwölf und im Sommer stickige 30 Grad herrschen, die Fenster, die mittlerweile erneuert wurden, aber erst, nachdem einige aus dem Rahmen fielen – oder eben die Megaphon-Schulflure. „Würden Sie sich da wohlfühlen?“ Ziemlich eindeutig eine rhetorische Frage.
Und den Verfall, den gibt es nicht erst seit gestern oder einem halben Jahr. „Ich bin seit 2012 hier, vieles hat sich seitdem nicht gebessert. Teile der Schule und Einrichtung sind noch so, wie sie 1974 gebaut wurden.“ Oder eben auch nicht mehr, in bald 50 Jahren Schulleben ist natürlich einiges zu Bruch gegangen.
Schuleinrichtung in Gladbeck: Von einer Musikanlage, die nur theoretisch da ist
Zum Beispiel in der Aula (Pädagogisches Zentrum). Da weiß man gar nicht, wovor man sich zuerst gruseln soll. Die Streben an der Decke – Fachbegriff Mero-System – haben fingerdick Staub gefangen, „seit ich hier bin, ist da keiner drangegangen“. Die Nebenbühne hat keinen Boden, schon drei bis vier Jahren nicht mehr, das alte Stäbchenparkett wurde nach einem Wasserschaden herausgerissen und hat bis heute keinen Nachfolger. Und dann gibt es noch eine theoretische Schiene für einen theoretischen Vorhang und ein theoretisches Musiksystem. Betonung auf „theoretisch“.
Im „Bewegungsraum“ nebenan steht alles still, obwohl die Planung schon seit über einem Jahr steht, die Schülervertretung hat sich engagiert. Im Moment fristen aber nur ein Kicker und ein paar Tischtennisplatten ein ziemlich unbewegtes Dasein. Das geplante Laufband hat sich noch gar nicht blicken lassen. Weiter geht es durch die, sehr euphemistisch betrachtet, „rustikalen“ Flure ohne Decke, dort hängt ein Eimer an einem undichten Rohr, wenn es keine Schule wäre, wäre das fast charmant. Ein Stück weiter klemmt eine Rolle Klopapier unter einem Streben, ten Have erzählt von der „Broken-Windows-Theorie“: Wenn erstmal eine sprichwörtliche Scheibe zerbrochen ist, sinkt die Hemmschwelle, noch weiter rumzusauen.
Im Konkurrenzkampf mit Gymnasium: Gesamtschule stiefmütterlich behandelt?
Zusammengefasst also: Die Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule ist zu einem großen Teil in einem miserablen Zustand. Nicht überall, das betont Alrun ten Have, der sanierte Teil der Schule sei qualitativ top, alle Klassenräume haben mittlerweile digitale Tafeln. Das Gesamtbild ist trotzdem vernichtend.
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Das hat die Schulleitung auch schon der Politik mitgeteilt, Kollegium und Schülerschaft fühlen sich, gerade mit Blick auf die drei Gymnasien, stiefmütterlich behandelt. „Die bauliche Situation der Schulen in Gladbeck hat einen großen Einfluss auf die Anmeldezahlen“, schreibt sie in einem Brief an den Schulausschuss vom 18. Oktober. „Wir konkurrieren zum Beispiel mit einem Gymnasium – Neubau, digitale Ausstattung aus einem Guss. Als einzige Schule der Stadt stehen wir ohne Namen am Gebäude dar.“ Die Liste der Stellungnahmen zu verschiedenen Themen ist lang. Passt gut zur langen Mängelliste an der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule.
>> KRITIK AM WAZ-FAMILIENCHECK
- Schulleiterin Alrun ten Have kritisiert die Umfrage der WAZ, zum einen, weil sie nicht repräsentativ ist, zum anderen, weil nicht nachvollzogen werden kann, ob die Teilnehmer wirklich einen Bezug zur jeweiligen Schule haben.
- Tatsächlich haben sich nur acht der 239 Teilnehmer aus Gladbeck zur Schulform Gesamtschule geäußert – mit 3,35 Prozent der kleinste Anteil aller Schulformen.