Gladbeck. Vor 55 Jahren haben sie ihren Abschluss gemacht. Nun trafen sich die Ehemaligen der Mädchenrealschule wieder. Dabei ging’s auch um Rudi Assauer.

„Nur gucken, nicht anfassen“, so warnte Schalke-Legende Rudi Assauer im Jahr 2007 in einem Werbefilm mit Schauspielerin und Lebensgefährtin Simone Thomalla. Die Schülerinnen der Gladbecker Mädchenrealschule wären vor 50 Jahren über eine solche Ansage froh gesehen. Ihnen war sogar das Gucken untersagt – hinweg über den weißen Strich auf dem Schulhof, der das Areal ihrer Schule von der benachbarten Jungenrealschule trennte. Wer dennoch versuchte, mit den Jungen Kontakt aufzunehmen, dem drohte ein ernsthaftes Gespräch mit der Rektorin.

Heute können die einstigen Pennälerinnen, allesamt 70 plus, darüber nur noch lachen. Am Freitag trafen sie sich zum Klassentreffen – 55 Jahre nach der Mittleren Reife – im Gasthof Berger in Feldhausen und plauderten über vergangene Zeiten und aktuelle Entwicklungen. Alle fünf Jahre kommen sie zusammen, die in Gladbeck lebenden Frauen treffen sich darüber hinaus alle drei Monate zum Frühstück.

Wo einst die Gladbecker Mädchenrealschule war, steht jetzt das Hallenbad

Mit 40 Schülerinnen startete die Klasse im Jahr 1963 – und zwar in einem alten Schulgebäude an der Bottroper Straße, wie sich Karin Maas, die das Treffen organisiert hat, erinnert. Heute steht dort das Hallenbad. Die 40 Mädchen mussten für den Besuch der Realschule sogar noch eine Aufnahmeprüfung bestehen. Wenige Jahre später erfolgte der Umzug der Mädchenrealschule in den Neubau an der Kortestraße, der heute unter dem Namen Anne-Frank-Realschule firmiert. Fast alle schafften den Abschluss – trotz zweier Kurzschuljahre, die Mitte der 1960er-Jahre durchgeführt worden waren, um den Schuljahresbeginn von Ostern auf den Sommer verlegen zu können.

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Eigentlich war klar in der 60er-Jahren: Mädchen haben nach der Schule zu heiraten

Nein, befremdlich sei es nicht gewesen, eine reine Mädchenschule zu besuchen, sagt Annette Klostermann-De Nil, sondern in den 1960er-Jahren der Normalfall. Und eigentlich sei es schon etwas Besonderes gewesen, überhaupt auf die Realschule gehen zu dürfen. Denn: Für die Eltern war es in der Regel ausgemachte Sache, dass ihre Töchter nach der Schule heiraten, eine Familie gründen und fortan als Hausfrau und Mutter agieren. Wofür dann also die Mittlere Reife machen? Mitunter, sagt Annette Klostermann-De Nil, hätten die Eltern auch überhaupt nicht das Vertrauen gehabt, dass die Mädchen den Schulabschluss schaffen.

Eine ehemalige Schülerin hat es von Gladbeck nach Oslo verschlagen

Aber Pustekuchen. Alle gingen in den Beruf und wurden Steuerberaterin, Krankenschwester, Friedhofsgärtnerin, Versicherungskauffrau oder Physiotherapeutin. Einige zog es auch in die Politik – so zum Beispiel die vor zwei Jahren verstorbene Brigitte Puschadel, die stellvertretende Bürgermeisterin in Gladbeck war. Insgesamt sei das eine große Vielfalt, sagt Annette Klostermann-De Nil, die zusammen mit einigen anderen noch das Mädchengymnasium besuchte, um Abitur zu machen und Lehrerin zu werden. Die meisten der jungen Frauen hielt es übrigens in Gladbeck. Eine Schülerin verschlug es nach Oslo.

Vom Umgang mit „schlechten Pädagogen“

Eigentlich seien sie gerne zur Schule gegangen, berichtet Karin Maas. Natürlich hätten sie nicht nur bei guten Lehrkräften Unterricht gehabt, erinnert sich Annette Klostermann-De Nil. Aber schlechte Pädagogen, die würden eine Klasse auch zusammenschweißen. Gemeinsam würde man Strategien entwickeln, wie man damit umgehen könne.

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Nach einem „lauten und lustigen Nachmittag“ im Gasthof Berger verabredeten sich die einstigen Mädchen und heutigen gestandenen Damen zum nächsten Treffen in bereits zweieinhalb Jahren – wie von Beginn ohne männliche Begleitung. Aber das sind sie ja gewohnt