Gladbeck. Die landwirtschaftlichen Waren verknappen und verteuern sich. Bei den Landwirten in Gladbeck steigt die Verunsicherung. Wie die Höfe reagieren.
Die Landwirte in Gladbeck bleiben von der Ukraine-Krise nicht verschont und werden durch die Preisexplosionen zunehmend verunsichert. „Das ist eine herausfordernde Zeit, und ich befürchte, dass es schon im nächsten Jahr zu Versorgungsengpässen kommen kann und in ärmeren Ländern der Welt zu Hungersnöten“, meint Bernd Im Winkel, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Lokalvereins.
Im Winkel berichtet als Folge des gesunkenen Getreide-Angebots von deutlichen Preisanstiegen etwa beim Weizen, das örtliche Landwirte zur Fütterung ihres Milchviehbestandes teils zukaufen müssen. „Wir zahlen im Moment 37/38 Euro pro hundert Kilo Weizen, letzten Sommer waren es gerade mal 18 Euro“, berichtet Landwirt Bernd Im Winkel. Zum Hintergrund: 25 bis 30 Prozent des Getreides in Deutschland komme aus der Ukraine, was nun ausfalle. Bis Ostern habe sein Betrieb, so Im Winkel, einen Kontrakt mit einem Lieferanten zu festen Preisen gehabt. Nun aber laufe alles über einen sich ständig verändernden Tagespreis. „Das ist eine riesige Kostenstelle geworden.“
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Landwirte: Beim Getreide und beim Raps explodieren gerade die Preise
![Landwirt Bernd im Winkel berichtet von teils explodierenden Preisen in der Landwirtschaft. Landwirt Bernd im Winkel berichtet von teils explodierenden Preisen in der Landwirtschaft.](https://img.sparknews.funkemedien.de/235432275/235432275_946684801_v16_9_1200.jpeg)
Ähnlich sehe es beim Raps aus, auch ein Zusatzfutter für die Kühe: Raps sei äußerst knapp geworden; entsprechend hätten sich die Preise entwickelt: 45 statt 23 Euro pro 100 Kilo Rapsschrot. „Man muss mindestens acht Tage im Voraus bestellen und weiß auch dann nicht, was geliefert wird, möglicherweise nur eine Teilmenge“, erläutert der Vorsitzende des Landwirtevereins. Explodiert seien geradezu die Preise für Dünger, zu dessen Herstellung „unheimlich verteuerte’“ Energie benötigt werde. Folge: Die Bauern sparen bei der Düngung der Felder, was auf eine geringere Ernte hinauslaufen werde, sagt Im Winkel.
Um Risiken zu minimieren, habe er, so Im Winkel, für seinen Hof eine neue Strategie für die anstehende Ernte geplant: Der Rentforter Bauer wird sein Getreide – Weizen und Gerste – auf dem Hof einlagern und bei Bedarf mit einer Miet-Mühle selbst mahlen. Im Winkel: „Normalerweise verkaufen wir unser gedroschenes Getreide nach der Ernte und kaufen es später gemahlen, mit einem kleinen preislichen Aufschlag, zurück.“ Das sei ihm aber nicht geheuer in diesem Jahr. „Man weiß ja nicht, wohin der Preis noch geht.“
50 Prozent der Ackerflächen in Gladbeck werden mit Futtergetreide bewirtschaftet
![Der größte Teil des Futters für die Gladbecker Kühe wird auf den Feldern im Stadtgebiet angebaut. Der größte Teil des Futters für die Gladbecker Kühe wird auf den Feldern im Stadtgebiet angebaut.](https://img.sparknews.funkemedien.de/235432273/235432273_946684801_v16_9_1200.jpeg)
In Gladbeck werden etwa 50 Prozent der Ackerflächen mit Getreide bewirtschaftet – und davon zu annähernd 100 Prozent mit Futtergetreide (Weizen, Gerste, Roggen) zur Versorgung der Milchkühe. Auch die andere Hälfte wird größtenteils zur Tierversorgung beackert – vor allem Mais und Gras. Grundsätzlich hält Im Winkel bei einer Notsituation die Reduzierung von Futtergetreide zu Gunsten des Anbaus von Brotgetreide für möglich. „Aber dann müsste der Tierbestand reduziert werden – doch solange wir sie haben, müssen wir sie satt kriegen.“
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![1350 Quadratmeter Stallfläche baut Landwirt Michael Overgünne derzeit an seinen bisherigen Kuhstall auf dem Hof an der Konrad-Adenauer-Allee an. 1350 Quadratmeter Stallfläche baut Landwirt Michael Overgünne derzeit an seinen bisherigen Kuhstall auf dem Hof an der Konrad-Adenauer-Allee an.](https://img.sparknews.funkemedien.de/226759705/226759705_1565629256_v1_1_200.jpeg)
Sein Landwirte-Kollege Michael Overgünne vom Hof Ostrop-Overgünne an der Konrad-Adenauer-Allee weist allerdings darauf hin, dass sich die Ackerflächen in Gladbeck – was Boden und Klima anbelangt – nur unzureichend zum Anbau von Brotgetreide eignen. „Hier reicht die Qualität nicht für backfähiges Getreide.“ In manchen Jahren könne es gut gehen, in den meisten aber nicht – oder der Landwirt müsse zusätzlich düngen.
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![Landwirt Michael Overgünne schätzt den Anbau von Brotgetreide in Gladbeck als gering ein – Gladbecks Boden sei dazu nicht gut genug. Landwirt Michael Overgünne schätzt den Anbau von Brotgetreide in Gladbeck als gering ein – Gladbecks Boden sei dazu nicht gut genug.](https://img.sparknews.funkemedien.de/235432271/235432271_946684801_v16_9_1200.jpeg)
„Aber wir Landwirte arbeiten als Team“, erläutert Overgünne, „so könnten wir vielleicht mehr Futtergetreide produzieren, andere Landesteile dafür mehr Brotgetreide.“ Im Übrigen, so der aus Kirchhellen stammende Landwirt, würden Milchviehbetriebe, wenn sie Futtergetreide anbauen, nicht Feldfrüchte vernichten, sondern sie zu einem Lebensmittel umwandeln: Milch.
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Letztlich, meinen Overgünne und Im Winkel, sei auch die Bewältigung von Krisensituationen vor allem eine Frage der Wirtschaftlichkeit – das gelte ebenfalls für die (Wieder-)Nutzung stillgelegter Ackerflächen (etwa vier Prozent aller Anbauflächen). „Wenn bei steigenden Kosten auch die Erlöse steigen, bleiben die Betriebe stabil“, so Im Winkel. Immerhin seien zuletzt die Milchpreise gestiegen: auf etwa 46 Cent pro Liter. Es ist noch gar nicht so lange her, da bekamen die Landwirte von der Molkerei nur 23 Cent für einen Liter ihres„weißen Goldes“. Und, das stellt zumindest Bernd Im Winkel fest, sei seinen Beobachtungen nach zuletzt die Wertschätzung gegenüber den Landwirten gestiegen.
Felder sind in gutem Zustand
Trotz des eher trockeneren Frühjahrs: Die örtlichen Landwirte sind mit den Ackerbeständen durchaus zufrieden. „Das Getreide steht prima da, es sieht nach einer guten Ernte aus“, meint Bernd Im Winkel, der Vorsitzende des Landeswirtschaftlichen Lokalvereins Gladbeck. Auch der Mais entwickele sich gut, und die erste Grasernte sei sogar hervorragend gewesen.
Letztlich habe es durchaus zwischendurch immer mal wieder ordentlich geregnet. Dennoch sei es oberflächlich durchaus trocken. „Wir brauchen das eine oder andere Gewitter“, so der Chef des Landwirtevereins.