Gladbeck. . Zweimal am Tag wird auf dem Rentforter Hof gemolken. Das bedeuten 1,6 Mio Liter „weißes Gold” im Jahr. Ein Melkvorgag dauert mehr als zwei Stunden.

„Im Märzen der Bauer . . . Er pflüget den Boden, er egget und sät.“ Auch auf dem Hof Im Winkel weckt die Märzsonne die Lebensgeister – wenn sie denn mal endlich richtig scheinen sollte. „Das Gras muss angedüngt, die Äcker müssen für die Zuckerrüben vorbereitet werden”, erzählt Landwirt Bernd Im Winkel. Gleichzeitig müssen die Wiesen „abgeschleppt” werden – die Grasnarben aufgelockert, die Maulwurfhügel verteilt werden. „Aber wegen der Kälte beginnt das dieses Jahr alles eher schleppend.“

„Zwischendurch” heißt es, das Arbeitspensum im Milchstall zu absolvieren. Zweimal am Tag werden auf dem Rentforter Hof die Kühe gemolken: Um 5 Uhr und um 16.30 Uhr. „Manche Milchbauern tun’s dreimal, auch wir haben das mal ausprobiert, aber es ist kaum leistbar“, so Bernd im Winkel. Auch bei 10 bis 12 % mehr Milch lohne sich der hohe Arbeitsaufwand nicht.

Die Milchproduktion ist das Hauptstandbein des Hofes und trägt zu 85 % zum Ertrag bei. Zweimal am Tag melken, das heißt, zweimal am Tag die Kühe in den Melkstall treiben, sie am „Fischgrätenmelkstand”, an dem zweimal zwölf Kühe Platz finden, anordnen (wobei die Kühe schon von allein wissen, wo’s langgeht), per Hand die Euter reinigen und vormelken, das Melkgeschirr durch die Hinterbeine anlegen und die Melkmaschine starten. Übrigens gibt es schon Robotermelkstände, zu denen die Kühe bis zu sechsmal täglich allein gehen und ein Roboter das ganze Procedere erledigt. „Das ist aber nichts für uns, man verliert den Kontakt zur Kuh und verlässt sich nur noch auf Technik.“ Bei den Im Winkels sind die Kühe in eine hochleistende und niedrigleistende Gruppe eingeteilt: Die erste (80 Tiere) bringt über 40 l pro Melkung, die zweite (60 Tiere) liegt darunter. Im Schnitt bringt eine Kuh 33 l pro Tag, 9600 l im Jahr.

Über die Milchleitung fließt das „weiße Gold” (pro Melkung rd. 2300 l, am Tag 4600 l) in den Milchtank, der bis zu 17 000 l fassen kann. Im Jahr kommen 1,6 Mio Liter zusammen. Nach dem Melken springt das Melkgeschirr von allein vom Euter (wegen Unterdrucks) und wird automatisch gespült, der Melkstall komplett gereinigt. Für einmal melken braucht der Bauer bis zu zweieinhalb Stunden. Die Milch, die 37° warm aus dem Euter kommt, wird im Tank auf 4° gekühlt. Eine Stunde nach dem Melken ist diese Temperatur erreicht. Alle drei Tage kommt der Milchtankwagen und saugt die Produktion ab. Dabei wird die Temperatur kontrolliert und die Menge gemessen. Und es werden Proben gezogen. Im Winkel: „Die Milch ist das am meisten untersuchte Produkt der Landwirtschaft.” Die Molkerei zieht sie für folgende Überprüfungen: Wassergehalt (um ein Anreichern mit Wasser zu unterbinden), Zellgehalt (Futtergesundheit), Keimgehalt, Antibiotika, Harnstoffwert, Fett, Eiweiß und Laktose.

Milchkontrolleur kommt monatlich

Jede Probe wird datentechnisch festgehalten. „Wenn der Tankwagen in der Molkerei ankommt, kann ich unsere Werte schon im Internet erfahren”, erläutert Im Winkel. Verstöße gegen die Milchreinheit würden finanziell streng bestraft. Ganze Monatsproduktionen könnten mit Preisabschlägen belegt werden.

Und die Kontrollen der Molkerei sind nicht alles: Einmal im Monat kommt der Milchkontrolleur vom Landeskontrollverband. So wie diese Woche Josef Brocks, der während der Melkzeit von jeder Kuh eine Milchprobe zieht und die Menge registriert. Auch hier wird auf Milchharnstoff, Zellgehalt, Fett/Eiweiß sowie auf somatische Zellen untersucht. Letztere geben Auskunft über mögliche Krankheiten. Nach drei Tagen liegt das Ergebnis vor. Im Jahr heißt das 1650 Proben á 3 Euro.

Rentforter Milch geht zur Molkerei nach Köln

Der Hof Im Winkel, dessen Milch zur Molkerei „Friesland Campina“ nach Köln geht, erzielt derzeit einen Preis von 27,2 Cent pro Liter. Campina produziert für die hochwertige Produktlinie „Landliebe“. „Da ist es Voraussetzung, dass bei den Milchkühen eine gentechnikfreie Fütterung erfolgt, das erfüllen wir“, erläutert Landwirt Bernd Im Winkel. Bezahlt wird die Milch nach Fett-, Eiweiß- und Laktosegehalt (bei Im Winkel: 3,9 % Fett, 3,45 % Eiweiß, 5,58 % Laktose).

Die EU-Milchquote, die die Produktion lange mengenmäßig pro Hof begrenzte, ist seit 2015 abgeschafft. „Jetzt wird der Preis durch Angebot und Nachfrage bestimmt.“ Dennoch ist er unter Druck: Durch den Wegfall der Quote stockten viele Landwirte ihre Kapazitäten auf, so dass die Mengen stiegen. Gleichzeitig fallen weiter große Exporte durch das Russland-Embargo weg. Und nach wie vor drückt die Marktmacht der großen Supermarktketten. Bernd Im Winkel hofft dennoch auf baldige Entspannung und einen Preisanstieg auf über 30 Cent, die eigentlich nötig seien. Immerhin: „Die Inlandsnachfrage steigt.“

Drei Generationen Im Winkel leben unter einem Dach

Drei Generationen wohnen bei den Im Winkels unter einem Dach: Neben Chef Bernd Im Winkel (42), der den Hof 2009 übernommen hat, und seiner Frau Birgit (42), die aus der Bauernfamilie Kuhlmann in Buer stammt und als Hauswirtschafts-Ausbilderin beim Diakonischen Werk in Bottrop arbeitet, leben ihre Kinder Georg (9), Franziska (11) und Felix (12) sowie die Großeltern Annette und Theo Im Winkel (beide 69) auf dem Hof an der Voßbrinkstraße, die beide als Seniorchefs noch kräftig mit anpacken auf dem Hof, dessen historische Wurzeln bis ins Jahr 1576 zurückreichen.

Ursprünglich hieß der Hof Hachmann, in den Theo im Winkel 1972 einheiratete. Er selbst stammt vom Hof Im Winkel an der Brabecker Straße, der in den 1950er Jahren neu entstand. Die Im Winkel kamen planungs- und industrieverdrängt aus Scholven nach Rentfort. Auf ihrem ehemaligen Hof entstand die Scholver Halde. Den neuen Hof vermittelte die Scholven-Chemie seinerzeit, die dem Gut Brabeck den entsprechenden Grund abkaufte. Das heutige Bauernhaus Hachmann/Im Winkel wurde 1876 gebaut. Das Vorgängerhaus stand gut 100 Meter näher zur Josefskirche.