Gladbeck. 17 Gäste schauten sich auf dem Rentforter Hof um. Wieviel Milch liefert eine Kuh, wieviel frisst sie? Die Besucher erfuhren es bei einem Rundgang
Natürlich erlebt man beim Besuch des Hofes Im Winkel an der Voßbrinkstraße in Rentfort noch bäuerliche Idylle – sorglos vor sich hin fressende Kühe, die unverkennbare „Landluft“, das bilderbuchmäßig daliegende Bauernhaus samt Remise. Doch der bäuerliche Betrieb ist heute alles andere als idyllisch – akribisch durchdachte Zeitpläne, computergestützte Produktion, hochtechnisierte Maschinen. Davon konnten sich die 17 Besucher überzeugen, für die das Landwirte-Ehepaar Birgit und Bernd Im Winkel auf Bitten der WAZ die Hofpforten geöffnet hat.
Allerdings musste das Ehepaar gar nicht so viele Pforten öffnen: Der moderne Kuhstall kommt ohne Pforten aus, bietet den knapp 200 Kühen, dank offener Bauweise mit nur wenigen Wänden und dafür mehr Gittern, eine artgerechte Haltung. Die im Fachjargon „Boxen-Laufställe“ genannten Unterstände bieten jedem Tier drei Plätze: Fress-, Liege- und Laufplatz. Und sie können frei entscheiden, ob sie nach draußen auf die angrenzende Weide wollen. „An den Hitzetagen Anfang des Monats blieben aber alle lieber im Stall“, berichtet Landwirt Bernd Im Winkel.
196 Kühe stehen im Moment im Kuhstall an der Voßbrinkstraße
Am Stall begrüßt er die Gäste, die im Rahmen der Aktion „WAZ öffnet Pforten“ an diesem Nachmittag nach Rentfort gekommen sind, seine Frau Birgit serviert frisch zubereitete Erdbeermilch. Seit 1575 gebe es den Hof, informiert Hofchef Bernd Im Winkel. als „Hof Hachmann“ ist er bis heute in den Stadtplänen eingezeichnet. Das Bauernhaus stammt aus dem Jahr 1876. Seit 1972, als sein Vater Theo in die Familie Hachmann einheiratete, heißt der Hof Im Winkel. Schon vor vielen Jahren hat sich der Betrieb auf die Vieh- und Milchwirtschaft konzentriert. 196 Kühe stehen derzeit im Kuhstall, insgesamt gibt es 250, rechnet man die „trocken“ stehenden Kühe (die im Augenblick keine Milch geben) und die Tiere in der Aufzucht (Kälber) dazu.
Wieviel Milch liefert eine Kuh, wieviel frisst sie?, wollten die Leser wissen. „Eine Kuh sollte mindestens 35 Liter am Tag liefern, die Beste kommt auf 58 Liter“, so Im Winkel. Im Jahr bringt eine Kuh etwa 9600 Liter. Sinkt die Leistung, verlässt sie den Stall, wird letztlich geschlachtet. Durchschnittlich werden die Kühe 7,2 Jahre alt. Es gibt aber auch Kühe, die sind 13 und 15 Jahre alt. „Die haben schon jede über 100 000 Liter Milch gegeben!“
Bis zu 160 000 Liter Milch werden im Monat produziert
Am Melkstand konnten die Gäste sehen, wie der Melkvorgang über die Bühne geht. Gut zwei Stunden dauert das Melken insgesamt, und das zweimal am Tag. Nach Anlegen des Melkwerkzeugs – der Bauer steht eine halbe Etage tiefer und kann in Arbeitshöhe die Euter erreichen – läuft das Melken vollautomatisch, die Milch fließt aus den Melkbecken über eine Leitung in einen riesigen Tank. Bis zu 160 000 Liter Milch werden so im Monat auf dem Hof Im Winkel produziert.
Bernd Im Winkel: „Um gut Milch geben zu können, muss die Kuh gut fressen.“ Da werde nichts dem Zufall überlassen. Das Grundfutter – Mais, Gras, Getreide und Rüben – kommt aus eigener Produktion, nur ein wenig Kraftfutter wird dazu gekauft. Das Futter wird in einem Mischwagen gemixt, sonst frisst die Kuh nur das, was ihr schmeckt. „Insgesamt brauchen wir zehn Tonnen Futter am Tag – 50 Kilo pro Kuh.“
Die Gülle ist wertvoll für den Bauern und kommt aufs Feld
Daten und Fakten zur Landwirtschaft Gladbeck
Die Ackerflächen in Gladbeck machen zusammen genommen 25 Prozent der Stadtfläche aus. Es gibt noch 15 Bauernhöfe, darunter aber nur drei Vollerwerbsbetriebe. Diese Betriebe, allesamt milchproduzierend, leben voll und ganz von den Erträgen ihrer Höfe.
Die meisten Ackerflächen gibt es in Rentfort (233 Hektar), gefolgt von Zweckel (181) und Ellinghorst. Felder gibt’s auch in Brauck und Butendorf.
Was passiert mit der Gülle? Im Winkel: „Das ist ein Kreislauf: Die kommt aufs Feld, wo die Früchte wachsen, die ist ein Gut für uns.“ Es sei genau geregelt, wieviel wann auf jedes Feld darf, alles werde kontrolliert. 125 Hektar beackert er. „Deshalb darf man nicht ohne weiteres den Tierbestand erhöhen, man muss nachweisen, wo die Gülle bleibt.“
Nach einem Blick in den Kälberstall – 220 Jungtiere kommen im Jahr auf dem Hof zur Welt – diskutierten Gäste und Gastgeber bei Bratwürstchen und Erfrischungsgetränken noch über das Hofleben.