Berlin. Die Eckpunkte des neuen Klimaschutzgesetzes stehen. Was jetzt passieren muss, damit die scharfen Ziele auch erreicht werden können.

Es war die passende Bühne für diesen Auftritt: Einen Tag, nachdem die Bundesregierung sich auf Eckpunkte für das überarbeitete Klimaschutzgesetz geeinigt hat, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag die neuen deutschen Klimaziele beim Petersberger Klimadialog offiziell vorgestellt. Um lebenswerte Bedingungen auch für künftige Generationen zu erhalten, sagte Merkel, „müssen wir heute handeln, ambitioniert und solidarisch“.

Für Deutschland heißt das: Klimaneutralität bis spätestens bis 2045, 65 Prozent weniger Emissionen als im 1990 schon 2030. Im Entwurf für das überarbeitete Klimaschutzgesetz, der dieser Redaktion vorliegt, sind auch schärfere Jahresziele für die einzelnen Sektoren bis 2030 festgehalten, außerdem Zwischenziele für 2035 und 2040. Zum ersten Mal ist zudem festgelegt, um wie viel die gesamten Emissionen jährlich zwischen 2030 und 2040 sinken müssen. Mit seinem Urteil zu mehreren Klimaklagen hatte der Bundesverfassungsgericht die Regierung zu diesem Schritt gezwungen.

Das Gesetz gibt zwar nicht vor, mit welchen Maßnahmen die neuen Ziele erreicht werden sollen. Es erhöht aber deutlich den Druck auf die zuständigen Ministerien, jetzt zu handeln und Emissionen einzusparen. Was der neue Ehrgeiz im Klimaschutz konkret bedeuten könnte:

Klimaschutz: Kommen höhere Heizkosten?

Der 2019 beschlossene CO2-Preis auf Wärme und Verkehr sollte ohnehin steigen, von 25 Euro in diesem Jahr auf 30 Euro Anfang 2022. Mit den neuen Klimazielen könnte er jetzt allerdings schneller deutlich höher liegen: Die Grünen fordern einen Preis von 60 Euro pro Tonne, auch die Unionsfraktion setzt auf höhere Preise.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt fordert, den Preis zum Jahreswechsel auf 45 Euro pro Tonne festzusetzen – diese Stufe sollte eigentlich erst 2024 erreicht werden. Die Bundeskanzlerin sympathisiert offenbar ebenfalls mit einer schnelleren Steigerung: Sie halte eine CO2-Bepreisung für ein besonders geeignetes Instrument der Lenkung, sagte Merkel am Donnerstag. „Auf der Zeitachse wollen wir möglichst schnell die Marktmechanismen wirken lassen.“

Für viele Menschen würde das höhere Heizkosten bedeuten, weil damit Öl und Gas teurer würden. Weil Mieter und Mieterinnen aber nicht selbst entscheiden können, wie ihre Wohnungen geheizt werden, pocht die SPD darauf, dass Vermieter die Hälfte dieser höheren Kosten übernehmen sollen.

Strom: Energiewirtschaft muss am meisten einsparen

Die Energiewirtschaft ist in Deutschland für den größten Block von Treibhausgasemissionen verantwortlich, und muss deshalb auch am meisten einsparen: Nach dem Entwurf des neuen Klimaschutzgesetzes sollen im Stromsektor 2030 nur noch 108 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen werden statt wie bisher geplant 175.

Gehen wird das nach Meinung von Expertinnen und Experten nur, wenn der Kohleausstieg nicht erst 2038 kommt, sondern schon vor 2030. Dass dafür das Kohleausstiegsgesetz noch einmal geändert wird, gilt allerdings als unwahrscheinlich. Stattdessen baut man darauf, dass die steigenden Preise des europäischen Emissionshandels schon vor 2030 die Kohleverstromung unwirtschaftlich machen wird. Mindestens ebensowichtig ist, dass parallel die erneuerbaren Energien sehr schnell ausgebaut werden – hier stockt es derzeit gewaltig. Lesen Sie auch: Baerbock fordert in Brief an Merkel mehr Klimaschutz

Wie sich all das auf die Strompreise auswirkt, ist offen. „Es ist ganz klar, dass wir mehr erneuerbare Energien brauchen bis 2030“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) im ZDF-Morgenmagazin. „Aber es ist auch ganz klar, dass das nicht zu Lasten des Strompreises gehen kann.“ Er will stattdessen die Einnahmen aus dem CO2-Preis für den Ausbau nutzen. Patrick Graichen, Direktor des Thinktanks Agora Energiewende, plädiert dafür, das über den Preis eingenommene Geld zur Senkung der EEG-Umlage zu nutzen. Bis zu 3 Cent pro Kilowattstunde könnte Strom damit für Verbraucherinnen und Verbraucher, sagt Graichen.

Verkehr: Tempo 130 könnte Emissionen senken

Ein höherer CO2-Preis würde sich auch an der Zapfsäule bemerkbar machen: Die Einführung des Preises Anfang 2021 schlug nach Angaben der Bundesregierung mit 7 Cent mehr pro Liter Benzin zu Buche. Für einen CO2-Preis von 55 Euro, wie er eigentlich erst 2025 vorgesehen war, rechnet die Regierung mit 15,5 Cent mehr pro Liter. Damit der Preis aber seine Aufgabe erfüllen kann, Menschen zum Umstieg auf klimafreundlichere Verkehrsmittel zu bewegen, müssen diese Alternativen allerdings erst einmal vorhanden sein. Bislang fehlt es zum Beispiel an Ladesäulen für E-Autos.

Eine Maßnahme, mit der die nächste Bundesregierung schnell Emissionen im Verkehrsbereich senken könnte, wäre Tempo 130 auf Autobahnen. Das haben sich zum Beispiel SPD und Grüne schon ins Wahlprogramm geschrieben.

Industrie: Wirtschaft muss Emissionen senken

Auch die Wirtschaft muss sich darauf einstellen, deutlich schneller als geplant ihre Emissionen zu senken. Statt bisher 140 soll die Industrie laut Referentenentwurf im Jahr 2030 nur noch 119 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente verbrauchen dürfen.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie zeigte sich am Donnerstag etwas überrumpelt von den neuen Vorgaben: „Die hektische Verschärfung der nationalen Klimaziele erhöht die Unsicherheit für Wirtschaft und Verbraucher“, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Die neuen Ankündigungen zum Klimaschutz seien schwer nachvollziehbar, es fehle an „Konzept, Strategie und realistischer Planung, wie das für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen funktionieren soll“, kritisierte er.