Gelsenkirchen. An der Veltins-Arena liegt Gelsenkirchens „Open Innovation Lab“. Hier werden Smart-City-Anwendungen getestet. Was bald möglich sein soll.

Wenn mal wieder ein Mega-Event in der Veltins-Arena steigt, sei es Ed Sheeran, ein Schalke-Heimspiel oder die Rolling Stones, gibt es natürlich auch potenzielle Schattenseiten: Ärger über Verkehrschaos etwa. Menschen, die in der Menschenmasse stolpern und sich verletzen, oder alkoholisierte Fans, die in eine heftige Auseinandersetzung geraten.

Was aber, wenn jeder untypische Laut, jeder laute Streit oder Hilferuf, über einen Lärmsensor automatisch und in Echtzeit an Ordnungskräfte gemeldet werden könnte? Wenn jeder auf dem Handy nachverfolgen könnte, wie die Parksituation vor Ort aussieht, um bestmöglich anzukommen und abzureisen? Für Manfred vom Sondern klingt das nach zeitgemäßen Problemlösungen für sogenanntes „Crowd Management“, also für die Lenkung von Großveranstaltungen. Und genau diese sollen hier, auf 140 Hektar um die Arena, in Gelsenkirchens „Open Innovation Lab“ (OIL), erprobt werden: „Es geht uns nicht um irgendwelche schrillen Experimente, wir wollen Probleme lösen“, sagt der CDO und Leiter der „Stabsstelle Vernetzte Stadt“, der Digitalchef der Stadt.

Gelsenkirchens „Open Innovation Lab“: Hier werden Smart-City-Lösungen getestet

Das digitale Freiluft-Innovationslabor an der Arena ist unscheinbar, erkennbar quasi nur durch die sogenannten Smart Poles, die intelligenten, internetfähigen Laternen, die unauffällig neben den normalen Straßenlaternen aufgestellt wurden und mit besonders schnellem und effizientem WiFi-6 ausgestattet wurden – in Sachen Übertragung „das Ende der Fahnenstange“, wie Manfred vom Sondern es formuliert.

Der Smart-Pole-Pfad läuft hauptsächlich die Parkallee entlang. Er bildet das Hauptnetz, die Straße für den digitalen Erprobungsraum. „Damit können wir jetzt spielen, damit können wir verschiedene Aufgabenfelder ausprobieren, um die Stadt nachhaltig als Smart City aufzustellen“, sagt vom Sondern. „Das hier ist unser Reallabor. Und wir haben hier fast alles – Gastronomie, Großveranstaltungen, Parken, Bildung, Wohnen und Medizin. Hier können wir den Stadtraum gut simulieren und deswegen viel austesten, was in der ganzen Stadt funktionieren soll“, ergänzt Simon Nowack, Dezernent für Digitalisierung und Wirtschaftsförderung

Gelsenkirchen will mit seinem „digitalen Reallabor“ attraktiver für Unternehmen werden

„Es geht immer bei Smart City um Übertragungstechnologie: Wie kommt die Information von einem Sensor und in welcher Geschwindigkeit auf eine Datenplattform?“, erklärt vom Sondern. Noch wurden die Turbo-Poles allerdings noch nicht für große Experimente genutzt, noch sind sie ohne Sensoren. Doch denkbar wäre vieles, weshalb Stadtrat Simon Nowack in der WiFi-6-Infrastruktur auch ein Anreiz für Unternehmen sieht.

„Das Ziel ist es, dass sich im Arena-Park auch mehr Firmen ansiedeln. Wir haben hier viel ungenutzte Fläche mitten in der Stadt, perfekt angebunden an die Autobahn, an einer spannenden Adresse rundum die Arena – also für Technologieunternehmen ein superspannendes Gelände“, sagt Nowack – und denkt etwa an autonomes Fahren oder Sportartikelhersteller, die hier moderne Sportschuhe oder Trikots austesten könnten, die Sensorik und Technik verbaut haben.

Über diese App in der Testphase erhält Manfred vom Sondern, CDO der Stadt, Umweltdaten aus allen Stadtteilen in Gelsenkirchen.
Über diese App in der Testphase erhält Manfred vom Sondern, CDO der Stadt, Umweltdaten aus allen Stadtteilen in Gelsenkirchen. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Das ist noch Zukunftsmusik. Im „Open Innovation Lab“ wurden allerdings auch bereits Technik und Anwendungsfälle, „Use Cases“, erprobt, die bereits stadtweit umgesetzt oder weiter getestet werden. „Alles beginnt immer hier“, sagt Manfred vom Sondern.

Übertragung von Daten zum Wasser- und Energieverbrauch in Gelsenkirchen

Da ist zum Beispiel das sogenannte LoRaWAN-Netz, das mittlerweile flächendeckend in der Stadt verfügbar ist. Dieses Übertragungsnetz ist zwar weniger für schnelle Echtzeit-Übertragung gedacht, durchdringt dafür aber Gebäude sehr gut, wie der CDO erläutert. Ideal also zum Beispiel, um nicht minütlich, aber tagesaktuell per Funk Wasser- und Energieverbräuche zu übermitteln. Und genau dies hat die Stadt in Kooperation mit Gelsenwasser umgesetzt und in den Kellerräumen der städtischen Dienstgebäude entsprechende Sensoren verbauen lassen.

„Das haben wir zunächst hier im OIL getestet und geschaut, wie weit das Signal in die Katakomben der Arena reicht“, erzählt Stadtrat Simon Nowack – und betont: Jeder Privathaushalt, der mit smarten Zählern ausgestattet wurde, könne auch vom LoRaWAN-Netz profitieren.

Stadt Gelsenkirchen setzt mit 12,7 Millionen Euro weitere Smart-City-Projekte um

An anderer Stelle auf Schalke, an der Gesamtschule Berger Felder, ist ein anderes Herzstück des „Open Innovation Labs“ zu finden. Es ist wieder ein recht unscheinbarer Anblick, doch die dortige kleine Messstation liefert Umweltdaten für den gesamten Stadtteil – Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit. Ähnliche Sensoren stehen mittlerweile auch in allen anderen Stadtteilen, für Feldmark etwa am Stadtbauraum. Die Daten laufen in einer Smart-City-App ein, die Manfred vom Sondern auf seinem Handy zeigt. Dort sind die Umweltdaten der letzten Tage in Diagrammen aufbereitet. Noch läuft die App im Test-Modus.

Auch am Stadtbauraum befindet sich eine Messstation, durch die Umweltdaten in eine App einlaufen. Der erste Sensor wurde auf dem „Open Innovation Lab“ auf Schalke getestet.
Auch am Stadtbauraum befindet sich eine Messstation, durch die Umweltdaten in eine App einlaufen. Der erste Sensor wurde auf dem „Open Innovation Lab“ auf Schalke getestet. © Stabstelle Vernetzte Stadt | Anika Evers

Damit künftig noch viel mehr auf dem OIL passiert und insbesondere die Smart Poles noch viel mehr genutzt werden und mehr Projekte auf das gesamte Stadtgebiet ausgerollt werden können, hat sich die Stadt erfolgreich bei der zweiten Staffel des „Modellprojekte Smart Cities“- Förderprogramm des Bundes beworben. Mit einem Gesamtvolumen von über 12,7 Millionen Euro (10 Prozent trägt die Stadt selbst) sollen bis 2025 sieben verschiedene Projekte umgesetzt werden – zum Beispiel anonymisiertes Bewegungsdatenmanagement oder intelligentes Abfallmanagement mit Sensorik-Systemen für Container und Müllbehälter. Und wie immer wird hier laut Manfred vom Sondern gelten: „Hier im OIL werden wir lernen, mit der Technologie umzugehen.“