Gelsenkirchen. Wir setzen die blau-weiße Brille auf: Nicht nur Schalke steigt (hoffentlich) auf – auch anderswo findet man in Gelsenkirchen ErfolgsGEschichten.

Das 1:4 gegen Werder Bremen? Abgehakt. Trotz des Dämpfers am vergangenen Spieltag stehen die Zeichen beim Schalke 04 auf Aufstieg – und damit auch in der gesamten Stadt? Das arme Gelsenkirchen, festgewurzelt auf den letzten Plätzen der Städterankings, hat zweifelsohne unzählige Herausforderungen – aber warum, beschwipst von der Aufsteiger-Stimmung, nicht mal die blau-weiße Brille aufziehen und auf das schauen, was in Gelsenkirchen in den letzten Jahren besser geworden ist? Von Wirtschaft bis Kriminalität: in diesen Punkten ist Gelsenkirchen eine #AufsteiGErstadt.

WIRTSCHAFT: 6000 Beschäftigte in Gelsenkirchen mehr in sieben Jahren

Mit einer Quote von über 13 Prozent hält Gelsenkirchen nach wie vor bei der Arbeitslosigkeit die Rote Laterne. Doch schaut man auf die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, geht die Zahl seit dem Tiefststand vor mittlerweile 24 Jahren nur in eine Richtung: Nach oben. Im Januar 2022 waren 82.535 Männer und Frauen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, 71,4 Prozent von ihnen arbeiteten in Vollzeit. Zum Vergleich: 2015 wurde die Zahl mit 76.276 angegeben.

Die Bilstein Group will ihr neues Zentrallager am Schalker Verein ab Juni auf Vollauslastung laufenlassen.
Die Bilstein Group will ihr neues Zentrallager am Schalker Verein ab Juni auf Vollauslastung laufenlassen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Gut 6000 Beschäftigte mehr in sieben Jahren – dazu beigetragen haben auch Flächen- und Gewerbeentwicklungen wie am Schalker Verein, im Bereich Graf Bismarck oder auf dem Gewerbepark A 42. Die Kritik – große Logistiker benötigen viel Platz und bieten nur wenige Jobs – stimmt nur bedingt. Zu sehen bei der jüngsten Erfolgsgeschichte. Die Bilstein Group hat in Bulmke-Hüllen für 120 Millionen Euro ihr neues Zentrallager aufgebaut. Von dort werden künftig 62.000 verschiedene Verschleißteile für den freien Kfz-Ersatzteilmarkt geliefert. Bis zu 280 neue Beschäftigte werden derzeit gesucht, innerhalb eines weiteren Jahres könnten es 400 sein. (jös)

KULTUR: Gelsenkirchen zeigt, wie man Kirchen als innovative Spielorte wiederbelebt

Aus kultureller Sicht zählt Gelsenkirchen zu den Top-Standorten in ganz NRW: Das gilt für das Musiktheater im Revier, das nicht nur mit einer herausragenden Architektur, sondern auch mit Opern, Klassikkonzerten, Tanz und Puppenspiel auf Spitzenniveau aufwartet.

Ein wahrlich göttlicher Spielort: Gerburg Jahnke bei ihrem Auftritt in der Heilig-Kreuz-Kirche.
Ein wahrlich göttlicher Spielort: Gerburg Jahnke bei ihrem Auftritt in der Heilig-Kreuz-Kirche. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Auch die Freunde der populären Musik erleben hier seit der Eröffnung der Schalke-Arena regelmäßig die absoluten Branchen-Größen – so auch in diesem Sommer: Vom 7. bis 9. Juli ist Weltstar Ed Sheeran an drei Abenden vor ausverkauftem Haus zu Gast. Am 27. Juli bringen die Rolling Stones dann eine Fanlawine ins Rollen. Gäste aus ganz Europa werden zu diesem Auftritt in die Stadt gelockt.

Ein ganz neuer Kultur-Leuchtturm, der weit über die Stadtgrenzen hinwegleuchtet, ist die kürzlich eröffnete Heilig-Kreuz-Kirche in Ückendorf. Mit ihrem einzigartigen Charme und Ambiente sowie einer technischen Ausstattung der Extraklasse hat sie das Zeug zum Publikumsmagneten. Mit dem „Pixelprojekt Ruhrgebiet“ ist das fotografische Gedächtnis des Ruhrgebiets im Wissenschaftspark beheimatet. Und die freie Kulturszene ist hier so bunt und lebendig wie in mach angesagter Metropole. (tric)

SCHULEN: Gelsenkirchen ist beim Schulausbau hochaktiv

In den letzten Jahren ist Gelsenkirchen immer jünger geworden. Seit 2016 steigt die Geburtenzahl wieder, hinzukommen Zuwandererfamilien. 2014/15 gab es 2035 Schulanfänger, in diesem Jahr sind es mehr als 2800, für 2024/25 rechnet das Land mit 3196. Für die Schullandschaft bedeutet das: Aufbau statt Rückbau. Und da ist Gelsenkirchen aktuell hochaktiv.

Sieben Neubauten sind in Planung, Bestandsschulen werden erweitert. Von vier neuen Grundschulen geht eine – an der Ebersteinstraße – nach einer Rekordbauzeit von einem Jahr im Sommer in Betrieb. Drei weiterführende Schulen – davon zwei weitere Gesamtschulen plus eine sechszügige, noch nicht beschlossene weiterführende Schule – sollen Lernen im zeitgemäßen Lernumfeld sicherstellen. Für die Gesamtschule Berger Feld wird endlich ermittelt, ob Sanierung oder Neubau der bessere Weg ist.

Hoch hinaus: Gelsenkirchen will beim Schulbau viel nachholen. Schließlich wird die Stadt wieder jünger. Im Bild: Zum Schulstart 2021 haben Schüler des Gauß-Gymnasiums Ballons in die Luft steigen lassen.
Hoch hinaus: Gelsenkirchen will beim Schulbau viel nachholen. Schließlich wird die Stadt wieder jünger. Im Bild: Zum Schulstart 2021 haben Schüler des Gauß-Gymnasiums Ballons in die Luft steigen lassen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Auch für Förderschulen und Berufskollegs, beides lange Zeit Stiefkinder der Schulpolitik, ist ein Schulentwicklungsplan in Vorbereitung. Und die Nachfrage beim neuen Modell-Vorbereitungszweig am Berufskolleg Königstraße für Schülerinnen und Schüler mit Realschulabschluss, die in den Polizeidienst möchten, war so groß, dass der Start-Jahrgang voll belegt ist. (sira)

UMWELT: Gelsenkirchen will die „grüne Industriestadt“ werden

Die Treibhausgas-Emissionen haben sich in Gelsenkirchen seit 1990 mehr als halbiert. Von damals 3158 Tonnen CO2-Äquivalente sind es im Jahr 2017 (aktuellere Daten gibt es nicht) nur noch 1571 Tonnen gewesen. Um die Klimaziele zu erreichen, reicht das zwar bei weitem nicht, allerdings kann man der Stadtführung nicht vorwerfen, den weiteren Strukturwandel klimaschädlich bestreiten zu wollen. Mit dem Satz „Unsere Kohle der Zukunft – das ist Wasserstoff“ wird sich Oberbürgermeisterin Karin Welge wohl noch oft zitieren lassen.

Gelingen soll das klimaneutrale Wirtschaften in Gelsenkirchen per Anschluss an eine Pipeline-Versorgung mit grünem Wasserstoff aus dem Norden, ausgehend vom Kraftwerksstandort hier in Scholven.
Gelingen soll das klimaneutrale Wirtschaften in Gelsenkirchen per Anschluss an eine Pipeline-Versorgung mit grünem Wasserstoff aus dem Norden, ausgehend vom Kraftwerksstandort hier in Scholven. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Im Mittelpunkt: Die Initiativen „Klimahafen Gelsenkirchen“ und „H2GE“, in denen zweifelsohne Aufbruch-Stimmung versprüht wird. Hier haben sich zahlreiche Unternehmen – von Avangard Malz über Zinq bis Ruhr Oel – mit der Hochschule und Stadt zusammengeschlossen, um schnellstmöglich klimaneutral zu wirtschaften. Angestrebt wird der Anschluss an eine Pipeline-Versorgung mit grünem Wasserstoff aus dem Norden, ausgehend vom Kraftwerksstandort in Scholven. Gelingt dies, könnten die Emissionen für die Prozesswärme in mehreren der beteiligten Firmen „praktisch auf null“ gesenkt werden, heißt es. (gowe)

KRIMINALITÄT: Das niedrigste Straftatenaufkommen in Gelsenkirchen seit 22 Jahren

Immer wieder schildern uns Leser ihre Ängste, dass sie sich ab einer bestimmten Uhrzeit nicht mehr aus dem Haus trauten: Dabei ist Gelsenkirchen – zumindest statistisch gesehen – sicherer denn je. Im Polizeipräsidium wurde jüngst erst das niedrigste Straftatenaufkommen seit 22 Jahren registriert. Das zeigt die aktuelle Kriminalstatistik. Insgesamt 20.076 Kriminalfälle hat es 2021 in Gelsenkirchen gegeben. Das sind immerhin 55 Straftaten pro Tag. Demgegenüber steht eine auf 53,52 Prozent gestiegene Aufklärungsquote – in mehr als der Hälfte der Fälle werden Übeltäter also entlarvt. Womit Gelsenkirchen voll im NRW-Schnitt liegt und nicht abgeschlagen im Nirgendwo.

Grund zur Freude für die Polizei: In Gelsenkirchen ist es so sicher wie seit 22 Jahren nicht mehr, statistisch gesehen. Im Bild: Duisburger und Gelsenkirchener Kommissaranwärter werfen im August 2021 bei ihrer Vereidigung im Landschaftspark Duisburg ihre Mütze in die Luft.
Grund zur Freude für die Polizei: In Gelsenkirchen ist es so sicher wie seit 22 Jahren nicht mehr, statistisch gesehen. Im Bild: Duisburger und Gelsenkirchener Kommissaranwärter werfen im August 2021 bei ihrer Vereidigung im Landschaftspark Duisburg ihre Mütze in die Luft. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Die positive Entwicklung zeigt sich vor allem im Bereich Diebstahl, wo sich die Fallzahlen von 13.447 in 2015 auf nur noch 6564 in 2021 nahezu halbiert haben. Ein großer Einflussfaktor war dabei sicherlich die Corona-Pandemie, die den Langfingern durch den Wegfall potenziell lukrativer Geschäftsfelder wie Märkte, Konzerte und Sportveranstaltungen einen Strich durch die Rechnung machte. (kim)

KITAS: Ausbau kommt in Gelsenkirchen voran

Der „Baby Boom“ in Gelsenkirchen hat auch für eine angespannte Situation bei der Kita-Planung gesorgt. Doch während vor wenigen Jahren bei der Stadt noch von „enormen Herausforderungen“ gesprochen wurde, blickt man den Bedarfen nun entspannter entgegen. Denn immer wieder wurden in den vergangenen Jahren neue Einrichtungen eröffnet, ältere ausgebaut und erweitert.

2017 waren es 8707, aktuell stehen 9376 Betreuungsplätze über alle Träger verteilt zur Verfügung. Den größten Anteil hat die Stadttochter Gekita mit 6542 Plätzen, es folgen der katholische Träger, der Kita-Zweckverband im Bistum Essen, mit 1633 Plätzen und die Evangelische Kindergartengemeinschaft mit 741 Plätzen. Die kleineren Träger bieten insgesamt 395 Plätze an.

Laut Bildungsdezernentin Anne Heselhaus hat die Stadt den Rechtsanspruch für eine Betreuung der Kinder über drei Jahren immer befriedigen können. „Es wird sich auch in diesem Jahr noch einiges tun“, verspricht sie. In der Bauphase: 430 Plätze, die noch in diesem Jahr und auch 2023 entstehen sollen. In der Planungsphase stecken sieben Einrichtungen, die 2023 insgesamt 355 Plätze bieten sollen. (gowe/ani)