Gelsenkirchen. Bei Gewalt oder Diebstahl ist die Tendenz klar: Die Kripo Gelsenkirchen meldet die niedrigsten Fallzahlen seit 22 Jahren. Doch es gibt Ausreißer.

20.076 Kriminalfälle hat es 2021 in Gelsenkirchen gegeben: Vom geklauten Fahrrad über Schwarzfahren, Computerbetrug und Sexualdelikten bis zum Tötungsversuch in neun Fällen. Das sind immerhin 55 Straftaten pro Tag. Das hört sich viel an. Ist es aber – zumindest statistisch – nicht. Im Polizeipräsidium Gelsenkirchen verzeichnet man das niedrigste Straftatenaufkommen seit 22 Jahren. Im Vergleich zum Vorjahr ging die Zahl der Fälle noch einmal zurück – dieses Mal um 1418. Die Aufklärungsquote hat sich ebenfalls verbessert. Sie liegt bei 53,52 Prozent und damit im NRW-Schnitt. „Das ist ein vorzeigbarer Wert“, findet Kriminaldirektor Carsten Berg.

Gelsenkirchener Kriminaldirektor Berg ist neu im Amt

Berg, erst seit wenigen Tagen in dieser Funktion in Gelsenkirchen tätig, stellte Montag mit Polizeipräsidentin Britta Zur das Zahlenwerk und die Entwicklungen des vergangenen Jahres vor. Besonders auffällig 2021: Die sogenannten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung stiegen um 178,6 Prozent von 248 auf 691 Fälle. Dazu zählen beispielsweise Kinderpornografie oder jede Art von sexuellem Missbrauch. Das Thema hat Zur neben Bekämpfung der Clan-Kriminalität zu einer polizeilichen Schwerpunktaufgabe erklärt. Im Ergebnis bedeute das aber auch steigende Zahlen: „Wer viel sucht, findet auch viel.“ Beim Erwerb und der Verbreitung von Kinderpornografie wurden 227 Fälle registriert, 227 Mal wurde auch der sexuelle Missbrauch von Kindern erfasst. Die Aufklärungsquote liegt mit 90,74 Prozent insgesamt sehr hoch. Weiteres Thema: Jung, agil, stark: Britta Zur ist die „andere Polizeichefin“

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„Anders als erwartet“ sind laut Berg die Fälle häuslicher Gewalt in der Pandemie-Zeit nicht gestiegen. 2020 und 2021 lagen die Zahlen mit 702 und 746 Fällen im Zehnjahresvergleich deutlich unter dem Schnitt. 366 Mal wurden Rückkehrverbote ausgesprochen. Deutlich wird: Täter und Opfer leben in enger familiärer Beziehung. Meist sind es Partner, in knapp einem Drittel der Fälle auch Verwandte. Lesen Sie auch: Gewalt an Frauen: Zahl der Taten in Partnerschaften steigt

Steigende Zahlen bei der Rauschgiftkriminalität in Gelsenkirchen

Seit 2015 stetig gestiegen ist die Rauschgiftkriminalität. Mit 921 Fällen ist hier ein Zehnjahreshöchststand erreicht. Auf dem Vormarsch sind seit längerer Zeit Cannabis und Amphetamine. Nur 39 Täter fielen mit Heroin, 24 mit Kokain und Crack auf. Die Aufklärungsquote wird von der Polizei mit 92,7 Prozent angegeben.

Zunehmend verlagert sich die Kriminalität auch ins Netz. Straftaten, die vom Computer ausgehen, nehmen zu. Das gilt besonders für den Warenkreditbetrug mit 1806 (Vorjahr 1470) Fällen. „Dem Trend müssen wir standhalten und mit Personal, Technik und Kompetenz begegnen.“ Im Präsidium werden entsprechend neue Mitarbeitende gesucht – „auch Leute, die nicht Polizisten sind, aber IT-Sachverstand haben“, so der Kriminaldirektor.

Die Diebstahlsdelikte gehen insgesamt stark zurück

Stark rückläufig seit 2015 (damals noch 13.447 Fälle) sind die Diebstahlsdelikte in Gelsenkirchen. Nur noch 6564 wurden 2021 gezählt. Der Rückgang gilt für alle Bereiche: Vom Ladendiebstahl (-34.4 Prozent) über den Diebstahl aus Autos (-14,3 Prozent) und Wohnungseinbruchdiebstahl (-12,8 Prozent) bis zum Taschendiebstahl. Der nahm um 45,7 Prozent ab, sicher auch, weil es die klassischen Tatorte wie Weihnachts- oder Trödelmärkte und große Sportveranstaltungen selten oder gar nicht gab.

Mit 8555 (Vorjahr 9116) ist die Zahl der Tatverdächtigen gering wie nie. Der Anteil nichtdeutscher Täter lag bei 38,61 Prozent. Die Nationalitäten haben die Statistiker aufgeschlüsselt: Die meisten Taten 2021 gingen auf das Konto von Rumänen (641) und Türken (569). Beim Ladendiebstahl (54,43 Prozent Nichtdeutsche), vor allem aber beim Taschendiebstahl (86,84 Prozent) fielen sie jedoch besonders häufig auf. Die Aufklärungsquote ist hier mit 4,6 Prozent äußerst bescheiden. Berg sieht hier Handlungsbedarf.

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52 Prozent der Opfer 2021 waren männlich, über zwei Drittel (3367 - 72,9 Prozent) sind Erwachsene, 248 von ihnen sind über 60 Jahre alt. Sie sind die bevorzugte Zielgruppe für Vermögens- und Fälschungsdelikte. Die Kriminalstatistik hat hier Schadenssummen erfasst. In dem Bereich ist der Schaden um 37,7 Prozent auf 7.254.174 Euro gestiegen. Insgesamt gibt die Polizei den Schaden 2021 mit 13.496.725 Euro an (+2,7 Prozent), bei gut 619.000 Euro liegt der Anteil durch Raubdelikte. Ein Indiz, dass auch hier die Zahl deutlich rückläufig ist.

Messer als „Tatmittel“ wurden bei 126 Übergriffen eingesetzt

223 Mal taucht in der Statistik die gefährliche Körperverletzung auf. 2020 wurde die Zahl noch mit 317 angegeben. Die Aufklärungsquote: Fast 75 Prozent. Als „Tatmittel“ nennt die Polizei bei 126 Übergriffen (2020: 135) ein Messer.

Widerstand und tätliche Angriffe erlebten Gelsenkirchener Polizisten 2021 in 166 Fällen. Die Tendenz ist seit 2018 leicht rückläufig. Und auch diese Zahlen wurden ermittelt: Nach ungeklärter Todesursache waren Kräfte der Kripo 727 Mal im Einsatz. Der Spitzenwert seit 2012. Lesen Sie auch: Gewalt gegen Polizisten: Mehr Opfer in Gelsenkirchen

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