Essen. Auch Züge müssen einmal in die Werkstatt. Eine solche steht seit 1974 in Essen-West. Alle 11.000 Kilometer, das heißt alle 14 Tage werden die Loks hier einer Routine-Kontrolle unterzogen. Zwanzig WAZ-Leser durften hinter die Kulissen gucken. Und sogar selbst mal eine Lok fahren.

Wenn der Zug an Gleis 8 Verspätung gehabt hätte, Markus Rötzer würde sich wohl etwas anhören müssen. Zwanzig Leser nämlich warteten bei der Aktion „WAZ öffnet Pforten“ auf die Ankunft des Lokführers und seines Gefährts: An diesem Vormittag wird ihnen der Führerstand einer S-Bahn und die Werkstatt der Deutschen Bahn an der Schederhofstraße gezeigt. Pünktlich auf die Minute fährt der Triebwagen 422 dann auch ein. Bitte einsteigen, die Türen schließen automatisch, los geht die Fahrt.

Unweit vom Hauptbahnhof entfernt befindet sich das Werkstattgelände der Deutschen Bahn Regio, die in Essen Züge von neun S-Bahnlinien und drei Regionalbahnen säubert, wartet und repariert. Und so zeigen Werkstattleiter Oliver Haak und Stephan Reinke, Leiter des Instandhaltungsteams, ihren Arbeitsplatz im XXL-Format: Auf 162 Metern können 46 Technik-Mitarbeiter bis zu vier Züge gleichzeitig unter die Lupe nehmen. Das ist auch nötig, zwingen gesetzliche Kontrollpflichten die Triebwagen doch alle 11.000 Kilometer zu einem Zwischenstopp auf dem Werksgelände. Haak: „Das kann bei Zügen die lange Strecken fahren auch mal nur 14 Tage dauern.“

Aufwendige Instandhaltung der Züge

Auf den Gleisen 239 und 240 in der riesigen Halle kommen die bis zu 133 Tonnen schweren Triebwagen dann zum Stehen. Heute ist es einer, der zuvor als RE1 auf den Gleisen unterwegs war, und an dem nun gewerkelt wird. Zum Beispiel an den Glasscheiben: „Da haben Randalierer mit Gegenständen Kratzer in die Fenster gemacht. Nun kommt die sogenannte Opferfolie zum Einsatz“, erklärt Reinke. Diese nämlich dient dazu, nicht immer direkt die ganze Scheibe austauschen zu müssen. Vielmehr schützt eine überdimensionale Schutzfolie - ähnlich eines Displayschutzes für ein Mobiltelefon - das eigentliche Glas. Und kann mit wenigen Handgriffen abgezogen werden.

„Faszinierend. Man macht sich ja nie Gedanken darüber, was alles getan werden muss, damit so ein Zug fährt“, ist Leser Elmar Kaul von der Werkstattführung begeistert. Und erlebt sein liebstes Fortbewegungsmittel auch einmal aus einer ganz anderen Perspektive. Gerade blickt er von einem Hochstand auf die Stromversorgung des Zuges herab. Reinke: „Unsere Mitarbeiter können auf vier Ebenen an dem Fahrzeug arbeiten.“

„Dicke Arme braucht heute niemand mehr“

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Nach acht Stunden ist der Zug dann überprüft und – zumindest wenn sich keine Mängel gefunden haben – wieder fahrbereit. Und so geht es nun in den Führerstand. Darauf hat sich auch Lars Angstmann (6) schon den ganzen Tag gefreut.

Gestern noch hat er mit Papa Burkhard im Eisenbahnmuseum alte Dampfloks fotografiert, heute sitzt er selbst am Steuer des modernen Elektrozugs der Bahn. Lokführer Rötzer erklärt die komplizierten Knöpfe und Hebel, sowie die drei Monitore, über die der Zug gesteuert wird. Haak: „Zugführer sein hat heute viel mit Computern zu tun. Dicke Arme braucht heute niemand mehr.“ Und so fährt Papa Burkhard unter wachsamen Augen der Experten den Zug sogar zurück zum Ausgangspunkt. Dass die Fahrt des Laien etwas Verspätung verursacht hat, verzeihen ihm die restlichen Fahrgäste sicherlich.

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