Essen. Brandgeruch in Kray: So lautet der Einsatz der Feuerwehr, den Leser bei ihrer Führung durch die Hauptwache miterleben. Sie blicken hinter Türen, die sich Gästen sonst nie öffnen wie die der Leitstelle. Wer in Essen den Notruf 112 wählt, landet dort.

Essen. Brandgeruch in Kray, tönt es um 20.25 Uhr durch die Hauptwache. Die WAZ-Leser rücken rasch zusammen, als die Einsatzkräfte in die Fahrzeughalle rennen. Was die Besucher an der Eisernen Hand bei der Führung miterleben, ist nicht eigens für sie nachgestellt. Es ist der Berufsalltag der Feuerwehrleute, die sich schnell die Schutzkleidung überziehen und auf das Tanklöschfahrzeug springen, um dann mit Blaulicht und Sirenen auszurücken.

„Der Wettlauf mit dem Tod beginnt“, formuliert Feuerwehrsprecher Mike Filzen drastisch, um deutlich zu machen, was alles bei ihren Einsätzen passieren kann, wenn sie zum Brand gerufen werden – vom angeschmorten Essen auf dem Herd bis zur Lebensgefahr. Es ist ein unruhiger Tag für die Wehr: Während die Gruppe über den großen Innenhof ins Lage- und Logistikzentrum gelangt, bekämpfen seine Kollegen im Hafen das Feuer in einer Lagerhalle, berichtet Filzen, als sie in den zweiten Stock steigen. Dort befindet sich nicht nur der Raum mit dem riesigen Tisch, der für die Verantwortlichen nach dem Pfingststurm „eine Woche lang das Zuhause war“, sondern auch die Leitstelle.

Wichtigste Fakten herausfiltern

Wer in Essen die 112 wählt, landet dort. Und weil auch in der Leitstelle die „Kollegen scharf arbeiten“, während die Gäste ihnen über die Schulter blicken dürfen, müssen sie sich möglichst ruhig verhalten. „Es ist ein sensibler Bereich, der sonst garantiert niemandem geöffnet wird.“

Leitstellen-Disponenten haben eine einjährige Zusatzausbildung absolviert und tragen viel Verantwortung. So wie Hauptbrandmeister Marcus Kaschek, der gerade noch auf einem Löschrettungsfahrzeug saß. Jetzt blickt er an einem der 18 Plätze mit drei Rechnern auf fünf Bildschirme. Hier bildet er die Schnittstelle zwischen dem Anrufer und seinen Kollegen, die er zum Einsatz losschickt. 24 Stunden dauert sein Dienst, den er zum Teil eine Etage höher in Ruheräumen verbringt. Nimmt er einen Notruf an, fragt er hochkonzentriert nach Namen, Ort und vor allem, was passiert ist. Nur so kann er entscheiden, welchen Wagen er alarmieren und ob ein Notarzt mitfahren muss, erklärt der Hauptbrandmeister. Was sich für die Gäste geordnet anhören mag, ist im Ernstfall mitnichten so: Viele Anrufer sprechen aufgeregt durcheinander, regelmäßig in schlechtem Deutsch. Die Wehrleute müssen dann daraus die wichtigen Fakten herausfiltern, erklärt Filzen.

Direktverbindung zur Polizei

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Wie lange es dauert, bis die Feuerwehr am Einsatzort ist, fragt Annemarie Ludolph und ist beruhigt, als sie hört: „In 90 Prozent sind wir in weniger als acht Minuten vor Ort.“ Was passiert aber, wenn „ich 110 statt 112 wähle“, fragt Günther Heiermann. „Keine Sorge, es gibt eine Direktverbindung zur Polizei“, sagt Filzen. Die Polizei leitet den Anruf weiter oder nimmt die Daten auf, die sie sofort übermittelt.

Falsch hingegen sei das, sagt Filzen, was ein junger Mann an diesem Morgen tat: „Er nahm Brandgeruch wahr und rief seine Mutter an.“ Diese fuhr dann erst nach Hause, bevor sie die Feuerwehr rief. Sie konnten den Jugendlichen retten. Gut gegangen, so wie die Einsätze vom Abend. Als die Leser sich auf den Heimweg machen, ist der Brand im Hafen gelöscht, und die Einsatzkräfte aus Kray sind wieder zurück.

„Ohne die Freiwillige Feuerwehr wären wir untergegangen“

Rund 370 Mal pro Tag rückte die Feuerwehr 2013 aus. „Wir hatten etwa 135.000 Einsätze“, nannte Mike Filzen den Besuchern Zahlen und Fakten. 2014 werden es allein wegen des Pfingststurms deutlich mehr Einsätze sein. „Ela bescherte uns 4100 zusätzlich.“ Dabei rückten sie fast ausschließlich zu entwurzelten Bäumen und abgebrochenen Ästen aus: „Ohne die Freiwillige Feuerwehr wären wir untergegangen.“

In Essen arbeiten 740 Beamte bei der Berufsfeuerwehr, die von 550 freiwilligen Kräften unterstützt werden. 2013 rückten sie 2571 Mal zu Bränden aus. In voller Ausrüstung, zu der etwa Schutzkleidung, Pressluftatmer und Axt gehören, wiegen sie dabei 30 Kilogramm mehr.

Etwa 90 Prozent ihrer Arbeit macht jedoch der Rettungsdienst aus, bei dem die Hilfsorganisationen eingebunden sind. Gesteuert wird jeder Einsatz von der Leitstelle. 500 Mal am Tag klingelt es dort, weil jemand 112 wählt. „Nicht jeder Anruf ist ein Einsatz“, erklärte Filzen. Erfreulich für die Feuerwehr: Seitdem Anrufe ohne Sim-Karte im Handy nicht mehr möglich sind, haben wir rund 40 Prozent weniger Fehlalarme.“ Besonders beliebt war die 112 nämlich auf Flohmärkten. Verkäufer konnten auch ohne Sim-Karte demonstrieren, dass ein Handy funktioniert. „Bei uns stiegen zu Flohmarktzeiten die Anrufzahlen.“

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