Essen. . Das Werk von Gerresheimer in der Ruhrau öffnete seine Pforten für die WAZ-Leser. Über eine Milliarde Flaschen laufen in der Glashütte in Steele-Horst jährlich vom Band. Das Fazit nach dem Rundgang: Es war heiß, es war laut, es war spannend.
Wolfgang Krähling war als Kind regelmäßig Gast in einer Glashütte. Kurz nach dem Krieg brachte er häufig seinem Vater mittags den Henkelmann in das Werk in Bad Driburg, wo Vater Krähling als Glasträger malochte und die fertig geblasenen, noch glühenden Gläser zum Abkühlen meterweit schleppen musste. „Da war nichts mit Automatisierung“, erzählt Wolfgang Krähling.
Wie moderne Glashütten heute arbeiten, davon konnte sich der 76-jährige Essener jüngst bei der Aktion „WAZ öffnet Pforten“ in der Produktion bei Gerresheimer mit 19 weiteren Lesern ein Bild machen. Vielen Essenern ist das Werk in Steele-Horst besser unter dem Vorgänger-Namen Wisthoff bekannt. 1,16 Milliarden Flaschen im Jahr laufen dort vom Band – kleine und große, für die Pharmaindustrie, die Kosmetikbranche oder für Lebensmittelhersteller. Bekannt sind unter anderem der Nivea-Deoroller und die Kümmerling-Fläschchen. Bei den WAZ-Lesern sind die kleinen Schnapsflaschen ein begehrtes Souvenir , und der eine oder andere deutet während der Führung mit dem Finger in den Flaschenhals. Geschäftsführer Jürgen Unruh kann da nur mit den Achseln zucken: „Wir füllen leider nicht ab.“
512 Flaschen pro Minute
Wie aus Pistolen schießen die flüssigen, gelbroten Glastropfen aus den beiden Schmelzwannen nach unten in die Formen, werden dort zu glühenden Flaschen geblasen oder gepresst. Die schnellste Maschine schafft 512 Flaschen pro Minute. Sie wandern anschließend über lange Laufbänder in die Kühlung, wo flinke Roboterarme schließlich die Flaschen greifen, und Sensoren und Kameras vor dem Verpacken nochmals prüfen, ob sie fehlerfrei sind.
Glasschleppen muss hier niemand mehr, anstrengend ist die Arbeit dennoch. „Heiß ist es immer noch genauso wie damals“, meint Wolfgang Krähling. Auf 50 bis stellenweise 80 Grad Celsius schätzt Jürgen Unruh die Temperatur in der Produktion. An heißen Tagen könnten es auch etwas mehr sein. „Da haben Sie Glück, dass es heute nicht so warm draußen ist“, meint er. Für die Gäste ist das wohl nur ein kleiner Trost, sie wischen sich immer wieder mit dem Handrücken über die Stirn oder zupfen an den weißen Kitteln, um etwas Kühlung zu erzeugen. Allein es hilft wenig.
Laut und heiß
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In der Glashütte ist es nicht nur heiß, es ist auch laut. Und der Betrieb läuft rund um die Uhr, an 365 Tagen ohne Pause. Die Mitarbeiter in der Produktion haben so nur jedes dritte Wochenende einmal frei, ansonsten unter der Woche. Abteilungsleiter Frank Meierotte sagt, dass viele trotz der Widrigkeiten den Job gerne machen: „Entweder man liebt die Arbeit in der Glashütte oder man hasst sie. Dazwischen gibt’s nichts.“
Als bei Wolfgang Krähling die Suche nach einer Lehre anstand, da hat sein Vater gesagt: „Junge, geh’ auf keinen Fall in eine Glashütte.“ Und Krähling wurde Friseur.
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