Essen. . Heute Morgen endete der landesweite Blitzmarathon der Polizei. In Essen und Umgebung gingen den Beamten kaum Temposünder ins Netz.
Mit hochkonzentriertem Blick passieren die Autofahrer teils mit Tempo 25 die Borbecker Schlossschule und taxieren dabei abwechselnd den Straßenrand und den eigenen Tacho. An den Kreuzungen nehmen viele reflexartig den Fuß vom Gas – nach allen Seiten wird nach Fußgängern Ausschau gehalten, doch wohl mehr noch nach versteckten Radarfallen, die findige Beamte als Mülltonnen getarnt haben. Verhältnisse wie in der Fahrschule. Fazit: Der Startschuss für den landesweiten Blitz-Marathon der Polizei ist gefallen.
„Wenn das bloß immer so wäre!“ bemerkt Innenminister Ralf Jäger gestern bei seinem Besuch in Borbeck unter großem Medienrummel süffisant – wohl wissend, dass der mustergültige Eindruck an diesem Dienstag angesichts der umfangreichen Vorberichterstattung über die Blitz-Offensive nicht ganz repräsentativ sein kann. Doch darum gehe es auch gar nicht. Wichtiger sei eine nachhaltige Signalwirkung der konzertierten Aktion der NRW-Polizei, so Jäger. Bewusst habe man daher die meisten Standorte für Geschwindigkeitskontrollen zuvor im Internet veröffentlicht – allerdings nicht alle.
Für Gefahren sensibilisieren
Die Beamten wollten dem Bürger nicht mit erhobenem Zeigefinger drohen, sondern ihn auf Augenhöhe für die Gefahren, die mit dem Fahren mit erhöhter Geschwindigkeit einhergehen, sensibilisieren. „Das veränderte Fahrverhalten auf den Straßen war heute Morgen deutlich spürbar. Es ging viel entspannter und stressfreier zu als sonst“, ist der Minister überzeugt. Von Düsseldorf nach Essen hatte er sich fahren lassen, um sich ein genaueres Bild von der Situation auf den Straßen zu machen. Man betrachte die Initiative jedoch keineswegs als Allheilmittel gegen das Raserproblem. „Der Blitz-Marathon ist nur ein Baustein unserer langfristigen Strategie gegen Geschwindigkeitsunfälle.“
NRW-Blitz-Marathon
Für Wolfgang Lingenau, Anwohner der Schlossstraße, ist dies allemal ein Anfang. Als „Blitz-Pate“ hatte er sich bei der Polizei über den rücksichtslosen Fahrstil vieler Autofahrer vor der Ganztagsgrundschule beschwert. „Ich bin hier auch schon in 30er-Zonen überholt worden“, ärgert sich der 62-Jährige. „Meine Frau ist Lehrerin an der Schloss-Schule und macht sich oft Sorgen, wenn die Kinder sich an der Straße aufhalten. Immerhin geht es hier um den Schutz der Schwächsten.“
Lob ebenso wichtig wie Tadel
Schulleiterin Irene Mauelshagen kann dies zwar nur bestätigen, doch betrachtet sie das Problem eher von pädagogischer Warte: Elektronische Tafeln, die beim Vorbeifahren die Geschwindigkeit anzeigen, seien eine sinnvolle Sache. „Allerdings sollte die Tafel auch mal ein lächelndes Gesicht zeigen, wenn sich jemand vorbildlich an die Geschwindigkeitsvorgaben hält.“ Lob ist ebenso wichtig wie Tadel – das gilt nicht nur in der Schule, sondern auch als Erwachsener im Straßenverkehr, so das Credo der Lehrerin.
1229 Bürger haben sich bei der Essener Polizei auf den Aufruf der Polizei gemeldet – das war die landesweit beste Resonanz. „Da haben wir einen Nerv getroffen“, sagt Polizeisprecher Ulrich Faßbender zufrieden. „Wenn wir heute nicht einen einzigen erwischen, wäre das ein Ergebnis, mit dem ich gut leben könnte.“
"So kriegen wir ja nie jemanden"
Christa Szardenings, Anwohnerin der Straße Donnerberg in Dellwig, hätte indes nichts dagegen, den einen oder anderen Temposünder persönlich zur Räson zu bringen. Das rechte Auge zugekniffen, blickt die Dame mit sechsfacher Vergrößerung durch das Lasermessgerät. „Unglaublich, wie die plötzlich alle schleichen! So kriegen wir ja nie jemanden...“ Auch das gehört zum Prinzip Bürgerbeteiligung dazu. So nahmen die Beamten gestern Interessierte mit ins Boot und gewährten seltene Einblicke in ihre Arbeit, erklärten etwa, wie die Geräte funktionieren und welche Schwierigkeiten bei der Messung auftreten können.
Bei allem Wohlwollen für das Ansinnen steht bei einigen Bürgern dennoch die Befürchtung im Raum, dass der Blitz-Marathon nicht mehr bewirkt als nur ein sicherheitspolitisches Strohfeuer. „Jetzt reißen sich alle für einen Tag zusammen, und danach geht es weiter wie bisher“, argwöhnt mancher am Rande der Blitzkästen.
Nur ein Raser zu beklagen
Für Polizeisprecher Lars Lindemann ist ein wesentliches Ziel mit der Aktion bereits erreicht. Als er gestern am frühen Abend eine Zwischenbilanz des Blitz-Marathons zieht, gibt es kaum Temposünder zu beklagen: „Wir wollten zeigen, dass es geht.“ Nur von einem einzigen drastischen Fall kann Lindemann zu diesem Zeitpunkt berichten: „Ein Fahrer war auf der Alfredstraße mit 91 Stundenkilometern unterwegs – 50 sind dort vorgeschrieben.“ Doch blieb der Herr gestern das, was sich die Polizei wohl allgemein von Verkehrsrowdies wünscht: eine Ausnahme.