Essen. Das Essener Tierheim nimmt keine Hunde und Katzen mehr auf. Zu viele Menschen wollen ihre Tiere loswerden. „Kein Bock mehr“ ist einer der Gründe.
Über 100 Katzen sind im Essener Tierheim untergebracht und bald werden es noch mehr: Eins der Tiere erwartet Nachwuchs. Nun hat die Einrichtung an der Grillostraße im Nordviertel einen Aufnahmestopp für Abgabetiere verhängt, sagt Leiterin Jeanette Gudd. „Die Halter müssen lernen, Verantwortung für ihre Tiere zu übernehmen, statt sie wie Wegwerfartikel zu behandeln.“
Tierheim-Leiterin: „Tiere werden ohne Nachdenken einfach so gekauft“
Wer sich ein Auto zulege, informiere sich über Marken und Modelle, „Tiere werden ohne Nachdenken einfach so gekauft“, ärgert sich die Tierschützerin. Und wenn sich der Vierbeiner nicht wie erwünscht verhalte, gäben Herrchen und Frauchen rasch auf. Als Gründe für die gewünschte Abgabe höre sie dann: „Hat was kaputt gemacht, ist krank, macht Arbeit – kein Bock mehr.“
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Mancher lasse seine Katze unkastriert nach draußen und wundere sich später, „dass da ein Wurf kommt“. Auch hier solle dann das Tierheim einspringen, ebenso wenn den Haltern die Tierarzt- und Tierfutterkosten über den Kopf wachsen. Doch das könne und müsse das Tierheim nicht leisten: Die Aufnahme von Abgabetieren ist anders als die von Fundtieren freiwillig.
Verpflichtet ist die Einrichtung jedoch, sichergestellte Tiere aufzunehmen. Wie jene vier (tragenden) Katzen, die das Veterinäramt dieser Tage angekündigt hat. Jeanette Gudd kann nicht nur voraussehen, dass die Katzenpopulation an der Grillostraße im Frühjahr wieder rasant wachsen wird, sie muss sich um die trächtigen Tiere auch besonders kümmern. „Diese sollten möglichst in Pflegestellen vermittelt werden, dort sind sie und später die Jungtiere besser aufgehoben und versorgt.“
Schon jetzt sind neben den mehr als 100 Katzen im Heim weitere 56 in Pflegestellen untergebracht. Doch die Ehrenamtlichen würden älter, und es sei nicht leicht, Menschen neu für die Aufgabe zu gewinnen, sagt die Tierheim-Chefin. Zwar könne sie bis zu 180 Katzen in der Einrichtung unterbringen, so wie es zuletzt im September 2023 der Fall war. Doch dann werde es nicht nur eng (schon jetzt muss ein Bürocontainer als Katzenhaus herhalten), sondern auch die Tierpfleger kämen an Grenzen.
Manche Hunde werden zu Langzeitinsassen
Essen erlebt derzeit, was sich bundesweit ganz ähnlich abspielt: Viele Tierheime sind am Anschlag, oft bitten sie in anderen Städten um Hilfe. Jeanette Gudd kennt diese Anrufe: „Wir könnten Tiere aus ganz Deutschland aufnehmen. Gerade rief jemand aus Rheinland-Pfalz: ob wir einen Hund nehmen würden.“ Sie musste ablehnen, denn der Hunde-Bereich ist derzeit eine Baustelle. So will das Tierheim in Zukunft Platz für insgesamt 90 Hunde schaffen. Aktuell sind dort 46 untergebracht und weitere 40 in Pflegestellen. „Noch zehn, dann sind wir dicht.“
Immerhin habe sie einen festen Stamm an Freiwilligen, die zum Gassigehen kommen, so dass die Tiere regelmäßig Auslauf haben. Für dieses Ehrenamt habe sie sogar täglich Anfragen. Schwieriger sehe es mit der Vermittlung von Boxer, Bulldogge, Rottweiler und Co. in ein neues Zuhause aus. „Wir haben Langzeitinsassen, die schon vier, fünf Jahre bei uns sind.“
Besuche nur mit Termin
Das Tierheim an der Grillostraße 24 im Essener Nordviertel bietet Hunden, Katzen und verschiedenen Kleintieren ein (vorübergehendes) Zuhause. Das Heim bleibt auch nach Ende der Corona-Pandemie für spontane Besuche geschlossen. Das Team hat die Erfahrung gemacht, „dass Vermittlungen mit Termin für alle Beteiligten von Vorteil sind“.
Kontakt: telefonisch unter 0201–83 72 350 oder per E-Mail an: info@tierheim-essen.de
Viele sind abgegeben worden, weil sie den Haltern ernste Probleme bereiten oder sogar schon gebissen haben. Diese Tiere könne man naturgemäß nicht schnell vermitteln: „Mit denen müssen wir erst etwas erarbeiten, bis sie wieder salonfähig sind.“ In anderen Tierheimen sind derzeit besonders viele sogenannte Listenhunde, die rassebedingt als gefährlich eingestuft und entsprechend schwer zu vermitteln sind. Das kann Jeanette Gudd für Essen nicht bestätigen: Ärger könne es mit Hunden jeder Rasse geben, auch ganz kleinen, vermeintlich niedlichen.
Wenn sich der niedliche Chihuahua durch die Familie beißt
„Da gibt es den Chihuahua, der nie erzogen wurde und sich jetzt durch die ganze Familie beißt.“ Oder den Schäferhund, der nicht nach draußen kommt, keine Bewegung hat. „Der sagt sich dann: Jetzt bringe ich euch mal die Wohnung durcheinander.“ Leider seien die wenigsten Halter in einer solchen Situation bereit, an sich und mit dem Hund zu arbeiten. „Die haben sich ein Tier geholt, das nach ihren Vorstellungen funktionieren soll. Wenn das nicht klappt, geben sie es ab“, sagt Jeannette Gudd. „Und viele holen sich gleich einen neuen Hund.“
Wenig Wunder, dass das Tierheim derzeit auch abzugebende Hunde nicht aufnimmt; es sei denn, es handle sich um einen Notfall. Leider setzten manche Halter den Hund dann aus, sagt Gudd: „Das verhinderte Abgabetier von heute ist das Fundtier von morgen.“ Und Letzteres muss das Tierheim aufnehmen.
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