Essen. „Essen. Die Folkwangstadt“ prangt bald vom Handelshof. Der Slogan repräsentiere nicht alle, kritisiert die Instagram-Seite „Essen diese“.
Diese Debatte hat Essen in den vergangenen Wochen beschäftigt: Welcher Schriftzug soll künftig vom Handelshof prangen? Einen vorläufigen Abschluss fand die Diskussion in der letzten Ratssitzung, da wurde für ein Jahr „Essen. Die Folkwangstadt“ beschlossen. Gegen den Slogan stimmten am Mittwoch (23.2.) nur die SPD sowie die Ratsgruppe „Die Partei“.
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Durch die Ratsentscheidung ist klar, dass der vor allem bei jüngeren Essenerinnen und Essenern beliebte Vorschlag „Essen diese“ nicht realisiert wird. Die Instagram-Seite, die sich seit einiger Zeit satirisch mit der Stadt Essen auseinandersetzt, veröffentlichte am Tag nach der Rats-Entscheidung für „Essen. Die Folkwangstadt“ ein Statement. Zwar sei das Folkwang Museum „krass“ und ein „kultureller Eckpfeiler der Stadt Essen“, aber: „Repräsentiert das Folkwang fast 600.000 Essener und Essenerinnen? Bringt es Jung und Alt zusammen? Ist es symbolisch in der Lage, die sozialen Unterschiede zwischen Essener Süden und Norden auszugleichen? Nein.“
„Essen diese“: Vorschlag bekommt auf Instagram großen Zuspruch
Im Gespräch mit unserer Redaktion erläutert Robin (25), der die Instagram-Seite mit zwei Freunden betreibt, warum er und seine Mitstreiter die Entscheidung des Rates kritisieren. Vorweg schiebt der Master-Student aber: „’Essen diese’ ist wie Folkwang nicht repräsentativ.“ Wo ist also das Problem?
Um das zu verdeutlichen erläutert Robin, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass „Essen diese“ plötzlich so eine breite Zustimmung, vor allem bei den Jüngeren, bekommen konnte: Angefangen hatte alles mit der Nachricht, dass die Stadt darüber nachdenkt, die Lichtanlage auf dem denkmalgeschützten Handelshof zu sanieren und durch moderne Lichttechnik zu ersetzen. Kurzerhand und „aus einem Witz heraus“ habe man dann eine Bildmontage veröffentlicht, auf der „Essen diese“ über dem Handelshof steht. So weit, so gut. Dann verselbstständigte sich das Ganze aber. „Das war mit Abstand unser erfolgreichster Beitrag“, sagt Robin. 16.000 Gefällt-mir-Angaben hat das Bildposting auf Instagram eingesammelt.
Spätestens als neben der enormen hohen Reichweite und einigen Online-Umfragen auch eine Petition ins Leben gerufen wurde – die „Essen diese“ als Schriftzug auf dem Handelshof forderte – war für Robin und sein kleines Team klar: „Das Thema scheint wichtig zu sein.“ Forciert hätten sie die Petition übrigens nicht.
„Essen diese“: Alles begann mit einem „Witz“
Nach und nach entwickelte sich aus dem „Witz“ eine Art Bewegung in den Sozialen Netzwerken – und noch bevor sich „Essen. Die Folkwangstadt“ öffentlich zum Favoriten der Stadtverwaltung und Politik aufschwang. Etliche Unternehmen und andere zeigten sich solidarisch mit der Satire-Seite und versahen auf Instagram auch ihre eigenen Logos oder Fotos mit „diese“ – so zum Beispiel Aldi Nord, die Essener Rapper der 257ers oder die SPD Essen.
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In ihrer Stellungnahme nach der Ratsentscheidung pro Folkwangstadt bemängelten Robin und seine zwei Freunde, dass es trotz der enormen Reichweite und dem Zuspruch „nie eine Reaktion der Verantwortlichen“ gegeben habe, nie sei man gefragt worden, wie ernst „Essen diese“ gemeint sei oder was die Instagram-Seite überhaupt erreichen wolle. Zudem seien Leserbriefe gedruckt worden, „in denen Personen in kurzen, arroganten Sätzen zigtausende junge Essenerinnen für mundtot erklärt hätten“.
Instagram-Seite schlägt eine Jury vor
Man kann es so übersetzen: „Essen diese“ hätte sich bei dem emotionalen Thema Leuchtreklame am Tor zur Innenstadt mehr Basisdemokratie gewünscht. „Jetzt ist das Thema für ein Jahr erstmal vom Tisch“, sagt Robin. Denn so lange soll „Essen. Die Folkwangstadt“ auf dem Handelshof zum 100-jährigen Jubiläum des Museums stehen. Was dann auf dem denkmalgeschützten Gebäude passiert, wird man sehen – im Gespräch ist eine Videowand.
Die Betreiber der Instagram-Seite „Essen diese“ haben angekündigt, genau zu beobachten, was künftig passieren soll und „den Finger in die Wunde zu legen“. Zwei Ideen haben sie, wie möglichst alle Essenerinnen und Essener zufriedengestellt werden könnten: zum einen über eine Online-Abstimmung, zum anderen mittels eines Gremiums aus allen Teilen der Stadtgesellschaft. Robin sagt: „Gut wäre ein Jury, die alle repräsentiert: Junge, Alte – Menschen aus verschiedenen Stadtteilen.“
>>> INFO: Der Instagram-Account „Essen diese“
- „Essen diese“ ist eine, wenn nicht die, reichweitenstärksten Instagram-Seiten mit Essen-Bezug.
- Betrieben wird sie von Robin (25, seinen Nachnamen möchte er nicht nennen) und zwei Freunden. Im Sommer 2019 wurde die Satireseite ins Leben gerufen.
- Was bedeutet „Essen diese“? Das „diese“ im Namen des Accounts ist Straßenslang, erklärte Robin vor einem Jahr unserer Redaktion. Man könne „diese“ hinter jedes beliebige Wort anfügen. Zum Beispiel „gut diese“ oder „geil diese“.
Unsere bisherige Schwerpunkt-Berichterstattung zum Thema:
- Werbung auf dem Handelshof: Von Nazi-Propaganda zur Einkaufsstadt
- Handelshof Essen: Debatte sorgt für neue „Times Square“-Idee
- „Essen diese“: Große Instagram-Fangemeinde für Entwurf
- „Folkwangstadt“ Essen: Handelshof soll neuen Slogan bekommen
- „Essen – die Die Einkaufsstadt“: Junge Union will LED-Videowand
- Essen – die Einkaufsstadt: Verschwindet der Schriftzug?
- Kommentar: Warum „Essen – Die Einkaufsstadt“ bleiben muss
- Kommentar: Soll „Essen – Die Einkaufsstadt“ verschwinden? Unbedingt!