Essen. Die Instagram-Seite „essendiese“ hat 20.000 Follower. Sie veröffentlicht Beobachtungen über das Leben in Essen. Wer steckt dahinter? Ein Besuch.

Robin sitzt am Holztisch seines Wohnzimmers in Essen, hält sein iPhone in der Hand und zieht mit dem Daumen Philipp Amthor links neben einen Berg aus Kokain. „Amthor ist eine sehr gute Meme-Vorlage“, sagt Robin. „Die Krawatte, der Schal und wie er auf dem Bild den Schneeball knetet – das passt.“ Das zusammengefügte Bild öffnet er in Instagram. Mit blauer Schrift auf gelben Hintergrund schreibt er unter Amthor: Schnee im Süden. Unter das Kokain: Schnee im Norden. Dann drückt er auf Teilen. „Das könnte schon ziemlich gut werden.“

Robin ist 24 Jahre alt und im Essener Norden, in Vogelheim, aufgewachsen. Er betreibt das Instagram-Profil „essendiese“, dem 20.000 Menschen folgen. Er hat kurze, dunkelblonde Haare und trägt einen schwarzen Kapuzenpullover. Seinen Nachnamen möchte er nicht nennen. Er habe sich durch das Instagram-Profil nicht nur Freunde gemacht. Er arbeitet bei einer großen Firma in Essen, berufsbegleitend studiert er einen BWL-Master in Dortmund. Auf seiner Seite veröffentlicht er sogenannte Memes über Gepflogenheiten Essens – man spricht sie Miems aus. Kneipen und Stauder kommen oft vor und eben der privilegierte Süden gegen den abgehängten Norden der Stadt.

Besuch bei Robin – dem Betreiber der Essener Instagram-Seite „essendiese“

Das „diese“ im Namen des Accounts ist Straßenslang, erklärt Robin. Man könne „diese“ hinter jedes beliebige Wort anfügen. Zum Beispiel „gut diese“ oder „geil diese“.

„Meine Memes sollen Leute zum Lachen bringen“, sagt Robin. Für ihn sind sie aber mehr als nur Spaß. Sie sind auch ein Weg, seine Benachteiligung als Kind von Nicht-Akademikern zu verarbeiten.

Er hat „essendiese“ zusammen mit vier Kumpels im Juli 2019 gegründet. Sie feierten auf einem Festival in Düsseldorf. Einer der Freunde zeigte der Gruppe das Instagram-Profil „justhauptstadtthings“, auf dem Memes über Berlin geteilt werden. Über Essen gab es damals noch kein Profil. Sie beschlossen, eines zu gründen. „Wir wollten das von Anfang an professionell aufziehen“, sagt Robin. Also: Jeden Tag drei Memes teilen. Abstimmung vor jeder Veröffentlichung. Und immer dieselbe Schriftfarbe.

Den Durchbruch schafften die Freunde mit einem Meme über Sportwagen auf der Rü

Die Seite war auf Anhieb ein Erfolg. Am 20. Juli, sechs Tage nach der Gründung, posteten die Freunde ein Meme, das eine Gruppe erwartungsvoll schauender Frauen vor dem Café Zucca in Rüttenscheid zeigt. Darüber steht: Wenn du mit einem Sportwagen über die Rü fährst. „Kurz danach hatten wir 1000 Follower mehr. Da haben wir gemerkt, ey, das Ding kann was werden.“

Bisher verdient Robin kein Geld damit, obwohl es schon viele Werbeanfragen gab. Die meisten passten ihm aber nicht. Er nimmt die Stauderflasche in die Hand, die vor ihm steht, trinkt einen guten Schluck und sagt: „Stauder könnte schon funktionieren, das kennt jeder und da kann ich auch glaubwürdig vertreten, dass es schmeckt.“

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Er öffnet Instagram. Sein Daumen flitzt mit einer Geschwindigkeit über das Display, als würde er in seinem Leben nichts anders tun, als damit zu wischen, tippen und scrollen. Das Amthor-Kokain-Meme hat schon 953 Likes. „Das ist richtig gut, dafür, dass es erst eine halbe Stunde online ist.“

Die Memes sind eine Genugtuung für Robin

Kritik bekommt er immer wieder. „Einen richtigen Shitstorm gab es aber noch nie.“ Kürzlich hat er einen Beitrag der Essener Ultras geteilt. Kam nicht gut an. „Viele fanden, dass es unter denen zu viele Rechte gibt und ich daher nichts von ihnen verbreiten sollte.“

Warum er den Essener Norden oft als hoffnungslosen Fleck darstellt, können seine Eltern nicht nachvollziehen. „,Im Norden leben doch nicht nur schlimme Leute’“, sagt der Vater. „Er versteht dieses Social-Media-Game nicht“, sagt Robin und lacht.

Seit etwa einem Jahr betreibt er die Seite allein, mit der Zeit engagierten sich seine Freunde immer weniger. Was ihn antreibt weiterzumachen, sind die vielen Likes. Auch unerkannt zu hören, dass Leute auf der Straße über seine Memes sprechen, fasziniert ihn. Sie sind auch eine Genugtuung für ihn, sagt er.

Robin wohnt mittlerweile selbst in Bredeney

Er hat als Kind des Essener Nordens immer wieder gespürt, dass er weniger Chancen hat als Kinder aus dem Süden. Seine beiden Eltern haben einen Hauptschulabschluss. Der Vater arbeitete in der Zeche.

Als Robin sein Abitur auf dem Leibniz-Gymnasium in Altenessen mit 1,8 bestand, war das eine Sensation. Die Eltern konnten ihm aber nicht sagen, was damit anzufangen sei. „Ich hätte an sehr gute Unis gehen können, habe aber dann Betriebswirtschaft in Essen studiert.“

Mittlerweile lebt Robin in einer Wohnung in Bredeney. Er hat eine Freundin, die Abi auf der Goetheschule in Bredeney gemacht hat. Dort soll ein Vater mal einen Lehrer bedroht haben. Der Vater wollte den Lehrer von der Schule schmeißen lassen, falls er seinem Sohn nicht bessere Noten gebe. Robin hat daraus ein Meme gemacht. Ein fiktives Zeugnis eines Schülers der Goetheschule: Ein Sehr gut in Kontostand und in Lehrer bedrohen, schlechte Noten in Mathe, Deutsch und Englisch. Notendurchschnitt trotzdem: 1,0.

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Robin: Glücklich, wenn nur ein Mensch dieses Meme versteht

„Der Essener Rat hat den Norden der Stadt seit Jahren total vernachlässigt“, sagt er. Auf seiner Schule habe es viele Leute gegeben, die härter kämpfen mussten für ein gutes Abitur als Schüler aus dem Süden. Robin findet, dass die Politik ihm und seinen Mitschülern den Aufstieg erschwert habe.

Auch dazu gibt es ein Meme von Robin: Ein Foto, das eine Szene im Schwimmbecken zeigt. Ein Mädchen steht lachend am Beckenrand. Eine Frau hält ihre Händchen, kümmert sich liebevoll. Doch unmittelbar neben ihnen droht ein Junge zu ertrinken – er schnappt bereits nach Luft.

Das Mädchen steht für den Süden. Der Junge für den Norden. Die Frau für die Stadt Essen. Die Botschaft: Politiker der Stadt ist der Norden egal. „Es hat mich richtig gefreut, dass jemand Oberbürgermeister Kufen unter das Meme markiert hat. Wenn dieses Meme auch nur ein Mensch versteht und nicht nur die Oberfläche sieht, bin ich glücklich.“