Essen. Die Mehrheit der Essener Parteien spricht sich für einen temporären „Folkwang“-Schriftzug aus. Doch es geht um mehr als um einen Slogan.

Wer bin ich und wenn ja wie viele? Der Titel eines Precht-Buchs darf in diesen Tagen auch herangezogen werden, wenn es um die Leuchtschrift auf dem Essener Handelshof geht. Jahrzehntelang hat die „Einkaufsstadt“ mehr oder minder unbehelligt vom öffentlichen Interesse geflackert und gestrahlt. Die Debatte um die mögliche Veränderung des Schriftzugs hat nun eine unerwartet lebendige Debatte vom Zaun gebrochen und die Frage nach Sein und Schein der Ruhrmetropole neu gestellt.

Was also soll Essen sein? Einkaufsstadt, Folkwang-Stadt, Energiestadt, Gesundheits-Stadt, Grüne Hauptstadt oder Essen.diese? Die Vorschläge prasseln nur so und zeigen, dass es um viel mehr geht als um eine Leuchtschrift, sondern um ein Identifikationsangebot.

Experte zur Debatte über Handelshof-Schriftzug: „Das ist eine Riesenchance“

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Deutlich wird dabei auch: In Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Aufspaltung und einer stärkeren Wahrnehmung von Partikularinteressen wird es immer schwieriger, ganz unterschiedliche Interessensgruppen mit einem Slogan zu vereinen. Zumal die Debatte zu einer bislang so noch nie dagewesenen Gegenbewegung auf dem sozialen Netzwerk Instagram um die Macher einer Essener Satireseite geführt hat. Die Frage an den Marketing-Profi lautet also: Welchen Titel soll sich Essen in Zukunft geben? „Nicht ganz einfach“, sagt auch Thomas Siepmann. Wie viele hat der TAS-Geschäftsführer die Diskussion um den Handelshof-Schriftzug verfolgt. „Die Diskussion ist mehr als angebracht“, findet Siepmann, „die Stadt sollte sie nutzen. Das ist eine Riesenchance.“

Nach Siepmanns Meinung könnte daraus sogar ein partizipativer Prozess werden. Er hält es ohnehin für schwierig, ein Thema zu finden, das noch einmal für Jahrzehnte trägt. Sein Idee wäre deshalb, gleich mehrere LED-Flächen zu installieren, um die Vielfalt zu spiegeln. „Eine kleine Ausgabe vom Times Square am Willy-Brandt-Platz.“ Der Umbau an Kaufhof und Eickhaus würden die Voraussetzungen für solch eine technische Aufrüstung bieten. „Essen wäre damit die einzige Stadt, die so einen leuchtenden Eingang hätte“, schwärmt Siepmann. Charme habe der Vorschlag zudem, weil er die unterschiedlichen Interessen nicht gegeneinander ausspiele, sondern vieles vereine. Eine Visualisierung, die Siepmann gleich dazu reicht, gibt einen Vorgeschmack auf die große Lichtlösung und vielleicht auch auf ein verbindendes „Essen Diese Folkwangstadt“.

Dass Folkwang in diesem Jahr eine Vorreiter-Rolle übernehmen könnte, ist für Siepmann schlüssig, „das macht im Jubiläumsjahr absolut Sinn“. Zustimmung bekommt er auch von Essen-Marketing-Chef Richard Röhrhoff. Zumal hinter dem Begriff nicht nur ein Museum mit großer Geschichte stünde, sondern eine Universität mit Renommee und eine Musikschule mit tausenden von jungen Schülern.

Nicht nur ein Thema für die Politik: Über den neuen Namenszug am Handelshof wird derzeit stadtweit diskutiert, am 16. Februar auch im Haupt- und Finanzausschusses der Stadt.
Nicht nur ein Thema für die Politik: Über den neuen Namenszug am Handelshof wird derzeit stadtweit diskutiert, am 16. Februar auch im Haupt- und Finanzausschusses der Stadt. © Stadt Essen

Dem temporären Folkwang-Vorschlag kann die FDP-Fraktion im Stadtrat ebenfalls etwas abgewinnen, auch wenn es in einer Mitteilung heißt: „Essen ist und bleibt die Einkaufsstadt im Ruhrgebiet, auch wenn sich das Einkaufsverhalten im Allgemeinen verändert hat.“ Gleichwohl könne „an dieser exponierten Stelle zu besonderen Anlässen auf außergewöhnliche Höhepunkte hingewiesen werden“, teilt der FDP-Fraktionsvorsitzende, Hans-Peter Schöneweiß, mit. In diesem Jahr würde sich „Essen – die Folkwangstadt“ hervorragend dafür eignen.

In der Essener Politik herrscht aber keineswegs parteiübergreifende Einigkeit über die Zukunft der Leuchtreklame auf dem Handelshof. „Die SPD sieht das kritisch“, stellt deren Fraktionsvorsitzender, Ingo Vogel, klar. Er befürchtet, dass der Folkwang-Begriff in der Stadtbevölkerung, aber auch bei Gästen von außerhalb, „nicht so geläufig“ ist. „Es wäre an der Zeit, dass sie Essenerinnen und Essener befragt werden“, so Vogel. In einem Online-Portal etwa könnten Begriffe gesammelt werden und eine Auswahl einer Jury mit noch zu bestimmender Besetzung vorgelegt werden.

Die SPD hat Bedenken: Nicht jedem ist der Begriff Folkwang geläufig

Dass der Name Folkwang nicht allen ein Begriff ist, hat auch CDU-Ratsfrau Christiane Moos in den vergangenen Wochen festgestellt. Deshalb sei das Jubiläumsjahr genau der richtige Zeitpunkt, um als Folkwang-Stadt noch deutlicher in Erscheinung zu treten und der leuchtende Schriftzug „eine Superwerbung für die Folkwangidee“, so Moos. Als Einstimmung zumal auf eine ganze Folkwang-Dekade, mit der Essen in den kommenden zehn Jahren an die Öffentlichkeit treten will.

Dass die Folkwang-Idee absolut zeitgemäß ist, weil sie eben nicht auf eine elitäre Minderheit abziele, sondern sich heute wie vor 100 Jahren an breite Bevölkerungsschichten wende, betont auch Stephan Neumann von den Grünen. Selbst für Außenstehende, die den Namen vielleicht erst googeln müssten, sei damit klar: „Folkwang bedeutet Kultur für alle“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Den Beweis wolle das Museum mit seinem Projekt „Folkwang und die Stadt“ 2022 ohnehin noch stärker antreten. „Damit wäre Folkwang dann in der ganzen Stadt angekommen, vom Hauptbahnhof bis zum Berliner Platz“, betont Neumann. Und das werfe ein gutes Licht auf die Stadt.

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