Essen. Museum Folkwang zeigt spektakuläre Großinstallation des in Essen aufgewachsenen Künstlers Martin Kippenberger und plant Projekte in der Stadt.

Im Vorwärtsgang zurück zum Ursprung: Den Spagat zwischen Vergangenheit und Zukunft schafft das Museum Folkwang 2021 mit einem Programm, das den Folkwang-Gedanken vom Dialog der Künste so lebendig und zeitgemäß aufgreift wie selten zuvor. Installationen, Fotografie, aber auch Tanz und Film werden in teils gattungsübergreifenden Ausstellungs-Projekten vorgestellt. Manche sind gleichzeitig auch eine Referenz an große Künstler, die mit Essen eng verbunden sind.

„Wir tragen den Folkwang-Gedanken in die Gegenwart“

„Wir tragen den Folkwang-Gedanken in die Gegenwart“, sagt Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter. Mehr noch: Das Museum will direkt in die Stadt und auf die Menschen zugehen. Bustouren, Rundgänge und Tagesprogramme rund um Themen wie Klima, Clans oder Wohnen stehen dafür im Mai ‘21 im Rahmen von „Folkwang und die Stadt“ auf dem Programm. Die Begegnungen sollen zum 100. Geburtstag des Museum Folkwang 2022 in künstlerische Gemeinschaftsprojekte münden.

Martin Kippenbergers Installation „The Happy End of Franz Kafka's ‘Amerika“ wird erstmals in Essen zu sehen sein.
Martin Kippenbergers Installation „The Happy End of Franz Kafka's ‘Amerika“ wird erstmals in Essen zu sehen sein. © Museum Folkwang | Foto: Brian Forrest

Eröffnet wird das Ausstellungsjahr 2021 mit dem großen Kippenberger-Projekt, das eigentlich schon im November dieses Jahres starten sollte. Martin Kippenberger, 1953 als Sohn eines Bergwerkdirektors geboren und in Essen aufgewachsen, gilt bis heute als das große Enfant terrible der Kunstszene. Mit dem spektakulären Ausstellungsprojekt „The Happy End of Franz Kafka’s Amerika“, einer Großinstallation in den Ausmaßen eines Sportplatzes, bereite man dem mit nur 44 Jahren verstorbenen Künstler „eine fulminante Rückkehr in seine Heimatstadt“, verspricht Peter Gorschlüter. Dafür präsentiert sich der 1400 Quadratmeter große Folkwang-Saal als riesige Kommunikations-Arena und Ausstellungsraum zugleich, gefüllt mit 50 Tisch-Stuhl-Ensembles, Kunstobjekten und Fragen nach den Mechanismen von Integration, Repression und Macht.

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Nicht nur im Museum bereitet man Kippenberger den großen Bahnhof. In der Villa Hügel öffnet man zeitgleich die gediegene Bibliothek und präsentiert Kippenbergers experimentelle und mitunter provokative Künstlerbücher und Plakate im historischen Ambiente. „Vergessene Einrichtungsprobleme in der Villa Hügel“ verspricht auf zwei Etagen ein kurzweiliges Aufeinandertreffen der scharfen Kontraste.

Zum 80. Geburtstag von Timm Rautert zeigt das Folkwang eine große Retrospektive. Im Bild: der „Tokaido Express“ von  1970.
Zum 80. Geburtstag von Timm Rautert zeigt das Folkwang eine große Retrospektive. Im Bild: der „Tokaido Express“ von 1970. © Museum Folkwang | Timm Rautert

Einen direkten Essen-Bezug hat auch der Fotograf Timm Rautert. Ende der 1960er gehörte er zum erlesenen Kreis der Otto Steinert-Schüler. Zum 80. Geburtstag widmet ihm das Museum Folkwang 2021 mit „Timm Rautert und die Leben der Fotografie“ nun eine umfassende Retrospektive. Rund 350 Arbeiten beleuchten zahlreiche Aspekte seines über 50-jährigen künstlerischen Schaffens, von den experimentellen Anfängen, der „Bildanalytischen Photografie“ und der journalistischen Arbeit für Zeit und Geo bis hin zu den künstlerisch-theoretischen Aspekten seines Wirkens als Professor and der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Viele der Arbeiten seien noch niemals gezeigt worden, erklärt Folkwang-Fotochef Thomas Seelig.

Mit Tobias Zielony präsentiert das Museum einen der interessantesten Vertreter der jüngeren Fotografen-Generation. 2015 hat Zielonys Arbeit zum Thema Migration im Deutschen Pavillon bei der Kunstbiennale in Venedig für Aufmerksamkeit gesorgt. Die erste große Überblicksschau des gebürtigen Wuppertalers zeigt nun das Essener Museum. Jugendkultur, Mode und mediale Selbstdarstellung gehören zu den Themenfeldern Zielonys, der sich in Essen als Fotograf und Videokünstler vorstellt.

Das Programm im Überblick

2x Kippenberger: „The Happy End of Franz Kafka`s ‘Amerika“ (Museum Folkwang) und „Vergessene Einrichtungsprobleme in der Villa Hügel“ (Villa Hügel) 7. Februar bis 2. Mai

Timm Rautert und die Leben der Fotografie, 19. Februar bis 16. Mai

Fotografische Sammlung: Im Krankenhaus, Ludwig Kuffer, Andreas Langfeld, Elisabeth Neudörfl, 4. Juni bis 7. November

Tobias Zielony, „The Fall“, 25. Juni bis 26. September

Global Groove, Kunst, Tanz, Performance und Protest 13. August bis 14. November

Federico Fellini, Von der Zeichnung zum Film, 12. November bis 20. Februar 2022

Um den Tanz als globale Kommunikationsform geht es in der interdisziplinären Ausstellung „Global Groove. „Kunst, Tanz, Performance und Protest“. Das vielschichtige Projekt mit über 350 Exponaten will eine „Kulturgeschichte des Kontakts zwischen West und Fernost“ erzählen. Präsentiert werden die ersten Happenings der japanischen Butoh-Tänzer und die Pioniere der Tanzmoderne, aber auch zeitgenössische Kollaborationen in Film, Fotografien, Skulpturen, Gemälden und Live-Aktionen.

Neue Folkwang Residence soll internationale Künstler nach Essen locken

Das Folkwang-Programm findet 2021 aber nicht nur innerhalb der geschützten Museumsmauern statt. In Kooperation mit dem Neuen Essener Kunstverein startet das Haus ein neues Residenz-Programm. Jährlich werden zwei Stipendien an nationale und internationale Künstler vergeben, die rund fünf Monate lang im Eltingviertel leben und arbeiten können. Die Neue Folkwang Residence soll im Sommer 2021 starten.

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Bereits im Mai macht sich das Museum Folkwang mit Essener Initiativen, Vereinen, Aktivisten und Entscheidungsträgern auf den Weg, um Zukunftsfragen nach alternativen Lebensformen, Parallelwelten und der Entwicklung urbaner Räume wie beispielsweise dem Berliner Platz zu erörtern. „Folkwang und die Stadt“ ist der Vorgeschmack aufs Jubiläumsjahr 2022. Das Projekt gibt der Folkwang-Idee von der Verschränkung von Kunst, Stadt und Gesellschaft damit neue Impulse und feiert auch das Andenken an Karl Ernst Osthaus, den Begründer der Folkwang-Sammlung, dessen 100. Geburtstag 2021 begangen wird.

Corona-Dämpfer für das „Museum des Jahres“

Das Jahr 2020 hat für das Museum Folkwang mit einem Traumstart begonnen. So sorgte gleich im März die Ernennung zum „Museum des Jahres“ für Internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung. Auch die Empfehlung der von Kulturstaatsministerin Monika Grütters einberufenen Expertenkommission, Essen zum Standort eines zukünftigen Bundesinstituts für Fotografie zu erklären, wurde als wegweisend begrüßt.

Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter freut sich auf das neue Ausstellungsjahr: „Wir tragen den Folkwang-Gedanken in die Gegenwart.“
Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter freut sich auf das neue Ausstellungsjahr: „Wir tragen den Folkwang-Gedanken in die Gegenwart.“ © Lars Heidrich / FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Doch dann hat die Corona-Krise auch im Museum Folkwang für einen harten Dämpfer gesorgt. Zwar sei man noch recht glimpflich durch den ersten Lockdown gekommen, berichtet Museums-Chef Peter Gorschlüter. Wesentlich härter getroffen hat das Haus aber die Corona-bedingte Schließung der großen und gut besuchten Keith-Haring-Ausstellung Anfang November – rund einen Monaten vor dem offiziellen Ausstellungsende.

Gleich um ein Jahr verschoben wurde die Ausstellung „Federico Fellini. Von der Zeichnung zum Film“, die nun im November 2021 im Museum Folkwang starten soll. Sie zeigt den legendären Filmemacher auch als leidenschaftlichen Zeichner. Fellini habe schon als Jugendlicher am Strand von Rimini schnelle Skizzen von Passanten gemacht und verkauft, berichtet Folkwang-Kurator Tobias Burg. Später wurden die Zeichnungen ein Teil der Filmentwicklung. Schon bei der Konzeption zeichnete der italienische Regisseur, um Figuren oder Szenen zu entwickeln. Neben karikaturesken Zeichnungen von drallen Marktfrauen auf dem Fahrrad zeigt die Ausstellung auch Ausschnitte von Meisterwerken wie „La Dolce Vita“ und „Die Stadt der Frauen“, mit denen Fellini Filmgeschichte schrieb.

Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter hofft nun, dass das Ausstellungs-Programm 2021 wieder wie geplant stattfinden kann. Grundlegende Veränderungen seien ob der langfristigen Leihverträge und Absprachen kaum möglich. Man habe „ein bisschen Spiel, aber nicht sehr viel“, sagt Gorschlüter. Auch finanziell bleibe man noch auf Kurs, „wenn alles läuft wie geplant“. Die Solidarität der zahlreichen Partner und Sponsoren sei bislang groß, auch das Angebot des freien Eintritts in die Sammlung, das derzeit noch von der Krupp-Stiftung finanziell getragen wird, sei eine wichtige Stütze. Weitere Corona-bedingte Einschnitte würden aber auch das Museum Folkwang hart treffen – die Vorbereitungen auf das Jubiläumsjahr 2022 sind schließlich längst angelaufen.