Essen. Im Museum Folkwang treffen Fotografien aus einem libyschen Gefängnis auf eine Arbeit über Menschenrechte. Dialog kommt beim jungen Publikum an.
Die Flüchtlingswelle hat auch eine Flut der Bilder erzeugt. So wie die Menschen auf seeuntüchtigen Booten und überfüllten Flüchtlingsrouten zum bestimmenden Nachrichtenthema wurden, sind auch die Fotos ihres langen und leidvollen Wegs zum dominierenden Sujet geworden. Schon deshalb hat das Museum Folkwang in seiner Neukonzeption der Sammlung einen anderen Weg gesucht, um dieses Thema in den Blick zu rücken. Mit den mannshohen Arbeiten des französischen Fotografen Samuel Gratacap und den drei auf wuchtigen Stahltischen präsentierten Blättern des Choreografen und Künstlers William Forsythe ist ein Ausstellungsraum entstanden, der nicht nur Jennifer Lukacs beeindruckt.
Die 31-Jährige gehört seit einem Jahr zu den „Jungen Freunden Folkwang“. Vor zwei Jahren wurde der Zusammenschluss gegründet, die Mitgliederzahl ist von anfangs 30 auf inzwischen über 150 Kunstinteressierte zwischen 18 und 35 gestiegen. Jennifer Lukacs gehört zu den Aktiven, die nicht nur Museums-Feste wie unlängst zum Valentinstag oder Filmabende organisieren, sondern das Angebot des Museum Folkwang auch über Social Media-Kanäle nach außen tragen, regelmäßig werden auf Facebook beispielsweise Aktionen und Vernissagen beworben. Vom einst staubigen Image habe sich ein Museum wie das Folkwang längst verabschiedet, „es hat etwas Frisches“, findet die Essener Studentin.
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Für den etwas anderen Zugang zur Kunst sorgt im Museum Folkwang aber auch das „Neue Welten“-Konzept, das Kunst eben nicht mehr nach Gattungen sortiert, sondern für ein anregendes Miteinander von Malerei und Fotografie, Grafik und Plastik, Welt- und Plakatkunst sorgt. Im Raum „Les Naufragés“ findet dieser Dialog zwar sehr konzentriert in der Kombination von Gratacaps eindringlichen Flüchtlingsbildern und Forsythes gezeichneten „Protokollen“ einer Performance-Installation zum Thema Menschenrechte statt.
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Für Thomas Seelig, den Leiter der Fotografischen Sammlung, repräsentiert diese Form der Ausstellung aber auch eine neue Art des Sammelns. Nicht nur Bilder und Objekte auszustellen, sondern Ideen, Haltungen, Impulse – ohne Passepartout und Rahmen, sondern unmittelbar auf die Wand aufgebracht, vergrößert und direkt ansprechend. So bringt Gratacap die Männer, die er in einer Haftanstalt westlich von Tripolis getroffen hat, gewissermaßen auf Augenhöhe mit dem Betrachter, der sich geradezu umstellt fühlt von den dringlichen Blicken, dem Gefühl von Verlassenheit und trauriger Erwartung.
Kunst, die mit Händen, Füßen und Mündern entstand
Aber erst die Idee, die Fotografien mit Forsythes „Human White Drawings“ zu kombinieren, die Tänzer während einer Performance mit Händen, Füßen und Mündern zu Papier brachten, habe den Raum komplettiert. „Wir haben uns die Bälle zugespielt“, beschreibt Seelig das Prinzip der Kuratoren-Kooperation, das in allen 24 neugestalteten Ausstellungsräumen zu überraschenden Kombinationen geführt hat. „Man sieht, dass die Genres miteinander kommunizieren können“, sagt Seelig und freut sich, dass die Fotografie innerhalb der Sammlung nicht nur einen neuen Stellenwert bekommen hat, sondern als besonders lichtempfindliche Kunst auch regelmäßig ausgetauscht werden muss. Angesichts des enormen Umfangs der Folkwang-Fotosammlung wird das Publikum so noch viele „Neue Welten“-Entdeckungen machen.