Essen. Otto Steinert hat das Fundament der großen fotografischen Tradition in Essen gelegt.  Folkwang-Ausstellung und  Symposium zu seinem 100. Geburtstag.

Als die Stadt Essen den Fotografen und Fotolehrer Otto Steiner 1959 als Professor an die renommierte Folkwangschule für Gestaltung verpflichtete, da war das nicht nur eine Berufung, sondern geradezu ein ehrgeiziger kulturpolitischer Beschluss. Damit, so hieß es damals wörtlich, wolle die Stadt Essen an der Folkwangschule „einen europäischen Mittelpunkt künstlerischer Fotografie bilden“. „Das wurde programmatisch eingelöst“, sagt heute Florian Ebner, Leiter der Fotografischen Sammlung im Museum Folkwang und damit Erbe der großen Steinert-Tradition nach Fotochefin Ute Eskildsen.

Otto Steinert  fotografierte Anfang der 1960er Essener Persönlichkeiten wie den Verleger Wilhelm Girardet.
Otto Steinert fotografierte Anfang der 1960er Essener Persönlichkeiten wie den Verleger Wilhelm Girardet. © Otto Steinert

In diesem Jahr wird der 100. Geburtstag von Otto Steinert gefeiert. In Essen würdigt man das Jubiläum derzeit mit einer kleinen, sehr feinen Schau, die den Lehrer, Fotografen und Vordenker – die überhaupt prägende Figur der westdeutschen Nachkriegsfotografie – mit Schlüsselwerken aus dem Steinert-Nachlass gleichermaßen ins Blickfeld rückt. Auszüge seiner berühmten Porträt-Reihe von Nobelpreisträgern gehören ebenso dazu wie großartige Beispiele seiner experimentellen Fotografie, die der weltbekannte Begründer der „subjektiven Fotografie“ an die Stelle der reinen Abbildung setzte. Die Dunkelkammer wurde dabei zu einem wesentlichen Faktor der Bildproduktion.

Konsequente "Arbeit am Bild"

Bei einem Symposium auf der Zeche Zollverein, zu dem auch ehemalige Steinert-Schüler gekommen waren, wurde unlängst wieder über die konsequente „Arbeit am Bild“ gesprochen. Für Florian Ebner ist diese konsequente Arbeit bis heute Steinerts prägendes Erbe. „Inhalte und Bildsprache haben sich verändert“, sagt Ebner. Die starke visuelle Qualität und gestalterische Komponente aber hätten bis heute Gültigkeit. Und diese hat der promovierte Mediziner Otto Steinert, der schon in jungen Jahren als Amateur-Fotograf begonnen hatte, einer ganzen Generation von Studierenden vermittelt. Ein, so beschreiben es Zeitzeugen, strenger, kritischer, aber auch charismatischer Mensch. Und vor allem wegweisender Lehrer.

Auch interessant

Die Liste der hochtalentierten Fotografen ist lang, die der Name Steinert zwischen 1959 und 1978 an die Folkwangschule lockte. Guido Mangold zählt dazu wie der in Essen geborene Foto-Professor Gosbert Adler oder Detlef Orlopp, der Steinert von Saarbrücken nach Essen folgte und dessen Schwarz-Weiß-Landschaften zuletzt im Museum Folkwang zu sehen waren. Auch Foto-Weltstar Andreas Gursky besuchte 1977 in Essen noch Steinert-Vorlesungen, bevor er sich nach dem Tod des großen deutschen Lichtbildners im Jahre 1978 gen Düsseldorf orientierte.

Seither hat die Stadt am Rhein mit ihrer berühmten Becher-Schule und dem Focus auf die Fotokunst Essen allmählich zwar den Rang abgelaufen. Das Museum Folkwang aber verfügt heute über die berühmte Steinert-Sammlung. Sie bildet den Grundstock der Fotografischen Sammlung des Hauses, die heute Weltruf genießt. Steinert hat Essen in den 1960ern zur bundesweit beachteten Fotostadt gemacht, als die Fotografie noch nicht ein selbstverständliches Zugpferd des Ausstellungsbetriebes war.

Erbe lebendig halten

Zwei besondere Vorhaben sollen dieses Erbe auch in Zukunft lebendig halten. Zum einen hofft Ebner, dass die 1999 von Ute Eskildsen herausgebrachte Steinert-Mono ­grophie ins Englische übersetzt werden kann, um den Meister der berühmten subjektiven Fotografie auch im Ausland weiter bekannt zu machen. Zum anderen würde der Essener Fotochef die Werke Steinerts und damit die Qualität der deutschen Nachkriegsfotografie gerne im internationalen Kontext ausstellen, gemeinsam mit europäischen, amerikanischen und japanischen Fotografen der Zeit.