Mit „WAZ öffnet Pforten“ kam eine Gruppe Leser in Hügel-Räume, die sonst strikt verschlossen sind: vom Belvedere im Dach bis zur Küche im Keller.

Die Villa Hügel ist eine feste Adresse unter den Sehenswürdigkeiten dieser Stadt, fast jeder Essener ist hier schon mal in den öffentlich zugänglichen Teilen gewesen. Bei insgesamt 240 Räumen ist aber klar, dass es da noch so einiges abseits der riesigen Säle geben muss. Im Rahmen der Pforten-Aktion genossen ein Dutzend Leser von WAZ und NRZ jetzt das seltene Privileg, hinter die Kulissen des gigantischen Hauses zu schauen, das Alfred Krupp zwischen 1870 und 1873 hoch über dem Ruhrtal erbauen ließ.

In einem der früheren Zimmer für Hausangestellte.
In einem der früheren Zimmer für Hausangestellte. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Über einen noch tadellos funktionierenden Lastenaufzug aus den 1930er Jahren geht es zunächst in das Obergeschoss, wo sich die mit jeweils zwei Betten bestückten Schlafräume der Dienstboten befanden. Die Flure ähneln den Holzklassen auf alten Ozeandampfern, die Räume sind an heutigen Standards gemessen sehr schlicht.

Jeder Bedienstetenraum hatte fließend Wasser

„Aber jeder Raum hatte fließend Wasser und Tageslicht, das war für die damalige Zeit nicht selbstverständlich“, erläutert Manuela Fellner-Feldhaus, Historikern und Mitarbeiterin im Historischen Archiv Krupp, die die Lesergruppe führt. Dienstmädchen selbst in großen Villen mussten nicht selten in Verschlägen unter der Küchendecke hausen.

Der Höchststand an Personal: 549 Menschen im Jahr 1902

Platz gab es im Gebäude selbst nur für die engsten Haus-Bediensteten, andere lebten zum Beispiel in der Siedlung Brandenbusch, die noch heute direkt vor dem Tor des Hügelparks liegt. Der Höchststand an Mitarbeitern wurde 1902 erreicht mit 549 – eine Art Hofstaat, zu dem neben Köchen, Wäscherinnen, Butlern und Reinigungskräften auch Gärtner, Kutscher, Handwerker und Verwalter gehörten. Streng getrennt nach Männern und Frauen war die Unterbringung auf der Schlafetage, fanden sich Paare, mussten sie nach der Heirat das Haus verlassen. Heimliche Besuche hatten die Entlassung zur Folge.

Eingang in den Tresorraum, früher Familien- und Firmenarchiv.
Eingang in den Tresorraum, früher Familien- und Firmenarchiv. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Im Obergeschoss ist auch der Zugang zu einem Bereich, der den Anblick der Villa aus der Ferne bestimmt: das Belvedere, ein verglastes Tonnengewölbe, das einen wichtigen Zweck erfüllte: „Es ging darum, die obere Halle mit Tageslicht zu versorgen“, sagt Fellner-Feldhaus. Da man das Belvedere von weit her sieht, ist umgekehrt auch der Blick von hier phantastisch.

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Geblümte Polstermöbel und weiß lackierte Frisiertische

Über überraschend schmale Treppen gelangt die Gruppe in zwei kleine Räume mit geblümten Polstermöbeln und weiß lackierten Frisiertischen, die lange als Mädchenzimmer von Bertha und Barbara Krupp, den beiden Töchtern von Friedrich Alfred Krupp galten. „Neuerdings vermuten wir eher, dass es sich um Gästezimmer handelte“, sagt die Historikern.

Von der Orgelempore oberhalb der Oberen Halle aus gelangen die Leser im Vorbeigehen zu einem Detail des Hauses, das aus der Erbauungszeit stammt: eine wuchtige Steintreppe mit gusseisernem Geländer. Das Holz, das heute das gesamte Haus bestimmt, ist erst bei den großen Umbauten im 20. Jahrhundert hinzugekommen, zuvor war die Villa Hügel auch im Innern ein steinernes Haus. Grund ist die Angst des Erbauers vor Feuer. Funktionale Aspekte standen für Alfred Krupp über allem, der Wohnlichkeit war das nicht unbedingt zuträglich.

Das Chinazimmer mit nachträglich eingebauter Bar links.
Das Chinazimmer mit nachträglich eingebauter Bar links. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Das Arbeitszimmer wirkt wie ein Klischee

Das Arbeitszimmer mit dem riesigen Schreibtisch aus dunklem Holz und mit der Ahnengalerie in Öl an den Wänden wirkt wie ein Klischee. So, genau so stellt man sich das Arbeitszimmer eines Stahlmagnaten vor.

Eine eigene, weitläufige Welt für sich ist das Kellergeschoss, wo die Leser zunächst vor einer gewaltigen rund 20 Zentimeter dicken Tresortür aus Stahl stehen, hinter der sich einst das Archiv für Familienangelegenheiten und wichtige Firmenunterlagen befand. „Genutzt wird der Raum für Archivzwecke schon lange nicht mehr“, sagt Fellner-Feldhaus – er ist viel zu klein, die Luftfeuchte zu hoch.

In der Küche steht unter anderem ein blank gewienerter Suppenkessel

Es folgt der China-Raum gegenüber, dessen Decke Gustav Krupp mit Drachenornamenten verzieren ließ - wohl eine Erinnerung an die Tätigkeit des gelernten Diplomaten an der deutschen Gesandtschaft in Peking. Britische Offiziere, die den Hügel nach dem Zweiten Weltkrieg besetzt hielten, fügten dem Raum eine lange Bar hinzu – auch sie gehört jetzt zur Geschichte des Hauses. Zuletzt unternehmen die Besucher eine letzte Zeitreise in die 1930er Jahre: In der Küche stehen die riesige Bratpfanne, der weiße Bratofen und ein blank geschrubbter Suppenkessel genau so da, als trete gleich das Küchenpersonal ein – 18 Uhr: Zeit, um für die Krupps zu kochen.

Familiensitz und Ort der Firmenrepräsentation

Die Villa Hügel war von Beginn an nicht nur als Familiensitz gedacht, sondern auch als Repräsentanz des Unternehmens. Seit 1873 waren hier unzählige gekrönte Häupter, Regierungschefs und andere Gäste des Hauses Krupp zu Gast.

Bewohnt war Villa Hügel bis 1945. Seitdem ist das Gebäude, das der Krupp-Stiftung gehört, ein Museum seiner selbst, dient aber auch als Ausstellungsort und Sitz des Historischen Archivs Krupp. Zum Anwesen gehört der 28 Hektar große Hügelpark.