Venedig. .

Der zentrale Zugang zum deutschen Pavillon der 56. Kunstbiennale ist versperrt wie für viele Afrikaner der legale Fluchtweg nach Europa. Mit Zementspanplatten, zwei Zentimeter dick. Hier kommt keiner rein. Das Publikum zwängt sich durch den Seiteneingang und ein enges Treppenhaus auf die Etage, die Tobias Zielony bespielt. Man kann diesen Sonderweg ebenso wie die Worte „No Exit“, die doch bloß den Rückweg auf demselben ausschließen, im Ausstellungszusammenhang symbolisch lesen: Menschenwürdiges Leben, für das Flüchtlinge den Tod in Kauf nehmen, gedeiht unten nicht. Besser leben bedeutet: Ankommen auf einer höheren Ebene.

„Migrierende Bilder“

Zielony wählte frühzeitig die Reportagefotografie als Ausdrucksmedium. Der Wuppertaler Künstler dokumentiert in Venedig anhand von Fotografien und Zeitungsberichten seine Recherchen in Auffanglagern. Er traf in Deutschland, in Eisenhüttenstadt etwa, Asylsuchende aus afrikanischen Ländern wie dem Sudan. Er fotografierte vom Schicksal gezeichnete Menschen, die ihrerseits Zeichen setzen, indem sie aus der Anonymität ausbrechen und sich artikulieren. Zielony gibt Flüchtlingen ein Gesicht. Sein Bildmaterial bietet er Medien ihrer Heimatländer zum Abdruck an. Der Begriff der migriernden Bilder, mit dem Pavillonkurator Florian Ebner die deutschen Beiträge für Venedig verklammert, umfasst auch solche Transfers.

Fünf Künstler lud Ebner in die Lagune. Eine heterogene Gruppe, die allenfalls der dokumentarische Blick auf die Gegenwart verbindet, mitunter scherenschnittartige Kapitalismuskritik und der Wunsch, Bedingungen unserer Existenz zu kommunizieren.

Oder die Windverhältnisse am Deutschen Pavillon. Olaf Nicolai lässt auf dem Dach die ideale Beschaffenheit von Bumerangs ermitteln. Jeweils einen Tag lang optimieren sie das Wurfholz, zeigen sich gelegentlich am Rand des Daches den unten Stehenden. Später kommen die Bumerangs in die Obhut venezianischer Souvenirhändler.

Die Deutsche Bank wird von Hito Steyerl in den Fokus ihres „Motion Capture Studios“ gerückt. Die Videoarbeit mit einem Handlungsstrang, dem nicht leicht zu folgen ist, mit animierten Bildern, einer kurzen Szene zum Dritten Reich und hektisch wechselnden Einstellungen betrachten Besucher im Liegestuhl. Wenige erhellende Funken springen über von Steyerls „Sonnenfabrik“, die als Schnittstelle zwischen virtueller und körperlicher Welt gedacht ist, doch sie fesselt subversiv.

Graue „Fabrik“-Relikte

Ein Lichtgitter steht im Raum, das Medienkonsumenten – uns – wie Spinnen im Netz aussehen lässt. Fiktive Einblendungen von „Breaking News“ im Stil von CNN bilden dank satirischer Überzeichnung den größten Unterhaltungs- und womöglich Erkenntniswert dieser Sonnenfabrik-Arbeit. „Die Deutsche Bank hat Portugal und Griechenland nicht platt gemacht, das ist ein freies Land, eine Demokratie. Ich kann Ihnen erzählen, was ich will“, strahlt der Sprecher, der auch seine Oma verkaufen würde, aber das jetzt mit Nachrichten tut.

Jasmina Metwaly, Tochter eines Theaterregisseurs, und Philip Rizk – Vater Ägypter, Mutter Deutsche – hatten sich 2011 den Tahrir-Platz-Protesten in Kairo angeschlossen und sie mit der Kamera dokumentiert „Out on the street“ heißt dagegen ihr Film, der von der Abwicklung einer Fabrik zeugt.

Privatisierungen dieser Art sind in Ägypten ein vertrautes Schema: Die neuen Besitzer entlassen die Arbeiter und reißen die Fabriken ab. „Morgen wache ich auf und entdecke, dass das Innenministerium privatisiert ist“, räsoniert einer der Laienschauspieler im Film des Künstlerpaars, das die Bodenfliesen, auf denen gedreht wurde, im Pavillon als Zitat verlegen ließ. Auch „eine kleine Hommage an Hans Haacke“, wie Ebner gern einräumt. Haacke ließ 1993 Bodenplatten aus „unserem“ Pavillon herausbrechen, den die Nazis mit dem Schriftzug „Germania“ versahen, und machte ihn zum Schuttplatz der Geschichte.

Nun steht in Grau noch „Fabrik“ an der Fassade. Wecken die sechs Lettern nicht zusammen mit der nationalsozialistisch belasteten Architektur die Erinnerung an die fabrikmäßige Vernichtung der Juden? Beabsichtigt sei die Interpretation nicht, heißt es:. „Doch ausschließen können wir sie auch nicht.“