Duisburg-Hamborn. Nach der Schießerei am Hamborner Altmarkt will die Polizei Duisburg das Sicherheitsgefühl mit Kameras erhöhen. Nicht alle mögen diese Maßnahme.
Nach der Schießerei auf dem Hamborner Altmarkt hat die Polizei Duisburg schnell reagiert und am Freitag, einen Tag nach der abgeschlossenen Spurensicherung, mobile Kamera-Anlagen zur Videoüberwachung aufgestellt. Sie sollen die Sicherheit erhöhen und künftig bei Ermittlungen helfen.
Am Mittwochmittag steht eine davon gut sichtbar vor einem Reisebüro an der Richterstraße und nimmt das geschäftige Treiben auf dem sonnigen Marktplatz auf. Fast alle Parkplätze sind besetzt, regelmäßig kommen Autos an oder fahren ab, dazwischen wuseln viele Menschen.
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Vor dem Döner-Pavillon wartet eine lange Schlange, auch an anderen Imbissen ist jetzt viel los. Besonders beliebt sind gerade die Sitzplätze vor den Läden. Beim Eiscafé ist fast jeder Tisch besetzt und auch der Fensterverkauf läuft gut. Über die Videokameras oder die Schießerei werde gar nicht mehr gesprochen, sagt eine Verkäuferin, während sie mehrere Eisbecher füllt. „Wir machen uns nicht verrückt.“ Weder die Schießerei noch die Videoüberwachung habe die Kundschaft abgeschreckt.
Längst nicht allen Menschen fällt die Videoüberwachung am Hamborner Altmarkt auf
Tatsächlich fällt vielen die Kamera der Polizei gar nicht auf. Dazu zählt auch Anne-Marie Stiehl, die zum Schaufensterbummeln nach Hamborn gekommen ist. Grundsätzlich halte sie nichts von Überwachung, doch sie glaubt, dass die Maßnahme, so kurz nach der Schießerei, durchaus das Sicherheitsgefühl der Menschen erhöhen kann.
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„Das ist eine Superidee“, sagt auch Leyla Haj Khalil, als sie den Mast als Kameras identifiziert. Die 45-Jährige wohnt nur wenige Fußminuten entfernt und genießt auf einer Sitzbank das gute Wetter. „Ich habe keine Angst“, betont sie, aber das liege nicht an der Live-Übetragung in die Hamborner Wache. Wenn jedoch im Ernstfall dadurch die Polizistinnen und Polizisten schneller vor Ort sein können, findet sie, sei das durchaus ein Vorteil.
Höheres Sicherheitsgefühl durch Mannschaftswagen als durch Videokameras
Dagegen glaubt die Schülerin Defne (18) nicht daran, dass nach der wilden Schießerei am Altmarkt zeitnah wieder die Gewalt eskaliert. Deshalb habe sie kein ungutes Gefühl, wenn sie am Tatort entlangläuft. Dennoch befürwortet sie eine stärkere Polizeipräsenz, die auch Polizeipräsident Alexander Dierselhuis angekündigt hat.
Von den Polizeiwagen, die noch am Donnerstagmorgen auf dem Marktplatz standen und zudem im Umfeld patrouillierten, ist aktuell nichts mehr zu sehen. „Mit den Mannschaftswagen habe ich mich sicherer gefühlt, die sind immer noch was anderes als die Kameras“, sagt sie. Doch ob mit oder ohne Polizei und Kameras, „das Leben muss weitergehen, wir können uns ja nicht alle zuhause verstecken“.
Das sieht auch ihre Mitschülerin Dilara so und will ihr Leben nicht wegen Clans, Rockern oder Polizisten ändern müssen. „Wir beide sind hier aufgewachsen, und wir sind hier auch am Tag nach der Schießerei frühstücken gegangen“, sagt die 17-Jährige. Die Eltern der beiden Teenagerinnen hätten das zwar nicht gut gefunden, seien aber nun, fast eine Woche später, auch nicht mehr besorgt.
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Mancher Passant, auf die Schießerei oder die Videokameras angesprochen, möchte dagegen lieber nicht über das eigene Sicherheitsgefühl sprechen. Ebenso wenig viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den umliegenden Geschäften. In ihrer Mittagspause sagt aber Laura (23), die in der Finanzbranche arbeitet, dass ihr die Überwachungsmaßnahme „ziemlich egal“ und dass sie als Hambornerin schon an Gewalt gewöhnt sei. „Aber die Polizei soll mich ruhig filmen. Wenn’s hilft.“
Starker Eingriff in die Privatsphäre
Völlig anders sieht das Ali Coban. Als er draußen beim Bäcker sitzt, wandert sein Blick immer wieder zum Kameramast, der nur wenige Meter von ihm entfernt ist. Nervös fingert er an seiner Gebetskette. „Ich bete nicht, ich bin angespannt“, erklärt der 60-Jährige. Die Überwachung durch die Polizei empfindet er als starken Eingriff in seine Privatsphäre. „Nur weil ein paar schlimme Leute hier Krawall machen, wird das ganze Volk belästigt?“ Nein, die Videokameras steigern nicht sein Sicherheitsgefühl, sie zerstören es.
Mit dieser Ansicht ist Ali Coban am Mittwochmittag jedoch in der Minderheit. Die meisten Hambornerinnen und Hamborner befürworten die Überwachungskameras. Oder fühlen sich zumindest nicht von ihnen beeinträchtigt.
>> POLIZEIWACHE BEOBACHTET DIE LIVE-BILDER
● Grundsätzlich setzt die Polizei Duisburg zwei mobile Überwachungskameras für dem Altmarkt ein, deren Live-Bilder direkt an die Hamborner Wache übertragen werden. Jedoch ist es laut einer Polizeisprecherin „technisch erforderlich“, dass die Anlagen ab und an kontrolliert und gewartet werden müssen. Jedoch werde immer mindestens eine Kamera am Altmarkt bleiben.
● Bei einer Massenschlägerei mit rund 100 Beteiligten, die der Rockergruppe Hells Angels, ihrem Umfeld oder einem türkisch-arabischen Clan zugerechnet werden, wurden am 4. Mai abends auch mehr als 30 Schüsse abgegeben und vier Männer angeschossen. Die Tat fand ein bundesweites Medienecho.