Duisburg. . Am Jahrestag gedachten nicht nur die Duisburger der Loveparade-Opfer. Angereist sind sie aus China, Australien, Spanien. In eine Stadt, die mitfühlt. Der neue Oberbürgermeister Sören Link bat die Angehörigen um Entschuldigung und versprach rückhaltlose Aufklärung.

Genau ein solcher Sommertag ist es gewesen: Loveparade 2010. In bunten Kleidern und kurzen Hosen zogen die jungen Leute am 24. Juli nach Duisburg, man kann das sehen in den Filmausschnitten, mit denen die Gedenkfeier beginnt. Sie wollten fröhlich feiern, die Sonne, die Musik, sich selbst. 21 kehrten nicht mehr heim. Deshalb kommen viele andere an diesem 24. Juli wieder, wieder tragen sie bunte Kleider und kurze Hosen, aber zu lachen fällt ihnen schwer. Es ist der zweite Jahrestag, nichts ist mehr, wie es war, und zugleich ist vieles immer noch genau so.

Im Tunnel an der Karl-Lehr-Straße hängen noch ein paar verwitterte Beileidsplakate, die wütenden Kreidesprüche an der Betonwand. Am Absperrzaun der Rampe, ungefähr dort, wo sie damals drängten, hängt noch immer ein einzelner Männerschuh. Gegenüber an der Bordsteinkante lehnen zwei junge Mädchen, sie weinen, immer wieder; wer sich hier setzt, hat stets dieselbe Haltung: die Beine angezogen, die Hände vorm Gesicht.

Nacht der 1000 Kerzen

Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative "Gegen das Vergessen Lopa 2010" Grablichter am Ort der Katastrophe an: im Tunnel und an der Rampe. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative "Gegen das Vergessen Lopa 2010" Grablichter am Ort der Katastrophe an: im Tunnel und an der Rampe. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative "Gegen das Vergessen Lopa 2010" Grablichter am Ort der Katastrophe an: im Tunnel und an der Rampe. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative "Gegen das Vergessen Lopa 2010" Grablichter am Ort der Katastrophe an: im Tunnel und an der Rampe. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative "Gegen das Vergessen Lopa 2010" Grablichter am Ort der Katastrophe an: im Tunnel und an der Rampe. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative "Gegen das Vergessen Lopa 2010" Grablichter am Ort der Katastrophe an: im Tunnel und an der Rampe. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative "Gegen das Vergessen Lopa 2010" Grablichter am Ort der Katastrophe an: im Tunnel und an der Rampe. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative "Gegen das Vergessen Lopa 2010" Grablichter am Ort der Katastrophe an: im Tunnel und an der Rampe. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative "Gegen das Vergessen Lopa 2010" Grablichter am Ort der Katastrophe an: im Tunnel und an der Rampe. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative "Gegen das Vergessen Lopa 2010" Grablichter am Ort der Katastrophe an: im Tunnel und an der Rampe. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative "Gegen das Vergessen Lopa 2010" Grablichter am Ort der Katastrophe an: im Tunnel und an der Rampe. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative "Gegen das Vergessen Lopa 2010" Grablichter am Ort der Katastrophe an: im Tunnel und an der Rampe. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative "Gegen das Vergessen Lopa 2010" Grablichter am Ort der Katastrophe an: im Tunnel und an der Rampe. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative "Gegen das Vergessen Lopa 2010" Grablichter am Ort der Katastrophe an: im Tunnel und an der Rampe. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Auch Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link und seine Lebensgefährtin Sonja Bartsch besuchten am Vorabend des zweiten Jahrestag den Ort der Katastrophe, für dessen großflächige Erhaltung Link sich eingesetzt hatte. Foto: Stephan Eickershoff
Auch Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link und seine Lebensgefährtin Sonja Bartsch besuchten am Vorabend des zweiten Jahrestag den Ort der Katastrophe, für dessen großflächige Erhaltung Link sich eingesetzt hatte. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Auch Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link und seine Lebensgefährtin Sonja Bartsch besuchten am Vorabend des zweiten Jahrestag den Ort der Katastrophe, für dessen großflächige Erhaltung Link sich eingesetzt hatte. Foto: Stephan Eickershoff
Auch Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link und seine Lebensgefährtin Sonja Bartsch besuchten am Vorabend des zweiten Jahrestag den Ort der Katastrophe, für dessen großflächige Erhaltung Link sich eingesetzt hatte. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Auch Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link und seine Lebensgefährtin Sonja Bartsch besuchten am Vorabend des zweiten Jahrestag den Ort der Katastrophe, für dessen großflächige Erhaltung Link sich eingesetzt hatte. Foto: Stephan Eickershoff
Auch Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link und seine Lebensgefährtin Sonja Bartsch besuchten am Vorabend des zweiten Jahrestag den Ort der Katastrophe, für dessen großflächige Erhaltung Link sich eingesetzt hatte. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative "Gegen das Vergessen Lopa 2010" Grablichter am Ort der Katastrophe an: im Tunnel und an der Rampe. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative "Gegen das Vergessen Lopa 2010" Grablichter am Ort der Katastrophe an: im Tunnel und an der Rampe. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative
Am Vorabend des zweiten Jahrestages der Duisburger Loveparade zündeten Mitglieder der Initiative "Gegen das Vergessen Lopa 2010" Grablichter am Ort der Katastrophe an: im Tunnel und an der Rampe. Foto: Stephan Eickershoff © WAZFotoPool
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„Nacht der 1000 Feuer“

Am Vorabend des Gedenktages haben sie hier Kerzen angezündet, die „Nacht der 1000 Feuer“ dauerte bis Mitternacht. Die Grableuchten stehen angeordnet wie Herzen, wie Kreuze, immer wieder wie eine „21“. Frische Blumen liegen daneben, Angehörige haben sie gebracht, kleine Sträuße vor den verblassten Bildern ihrer Kinder: Anna, Eike, Jan Willem, Clara... Über 200 Familienmitglieder und Freunde der Toten sind auch dieses Jahr wieder gekommen, aus China, Australien, Spanien, Italien. Hunderte, die dabei waren, verletzt, verstört bis heute, dürfen am Dienstag ein, zwei Stunden allein am Unglücksort trauern. Am Montagabend hat sich erstmals auch der Duisburger Oberbürgermeister zu ihnen gesellt: der neue, Sören Link. Am Rande des stillen Abends soll er versprochen haben, das Mahnmal vom Ende des Tunnels hierher zu holen, wo das Unglück geschah, wo die Überlebenden gedenken wollen.

Das Unglück der Loveparade: Zwei Jahre danach

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    Eine Krankenschwester kommt, legt unter Tränen rote Blumen nieder; sie war dabei damals und konnte nicht helfen. Ein Mann bricht am Fuß der Treppe, die zur Fluchttreppe geworden ist und auf der jetzt frische Geranien blühen, in bittere Tränen aus. „Sie wollten doch nur Spaß haben“, der Mann ist kaum zu beruhigen.

    „Es waren doch auch fröhliche junge Leute“ 

    Das Land hat die üblichen rot-weißen Kränze geschickt, auch die Stadt. An gelben Gerbera hängt eine Schleife des „Loveparade Teams“. Es hatte am Morgen eine Traueranzeige geschaltet: „Wir bedauern aus tiefstem Herzen das Leid, das den Menschen widerfahren ist. Hätte es die Loveparade nicht gegeben, würden die Menschen noch leben. “Das Gesteck der Loveparade Selbsthilfe ist bunt, Sonnenblumen, rosa Rosen, Nelken. „Es waren“, sagt Mitarbeiterin Angelika Köhler, „doch auch fröhliche junge Leute.“

    Ernst indes, wie die Überlebenden heute sind, bleiben viele am Tunneleingang stehen, als trauten sie sich nicht näher heran. Ihre Gespräche sind auch nach zwei Jahren noch dieselben: „Wo sind die genau lang gegangen?“- „Und hier ist es passiert.“ – „Was war, kann man nicht mehr ändern.“ Ein alter Mann an Krücken betet schweigend. Über die unebenen Steine des Geländes, das bald ein Möbelhaus aufnehmen soll, krabbelt ein brabbelndes Kleinkind, im Tunnel unterhält sich ein kleines Mädchen plappernd mit dem eigenen Hall – Lebenszeichen in all der Trauer.

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    Die Sonne steht immer noch warm über dem Asphalt, als der Trauermarsch vom Tunnel her das Theater erreicht. Die Angehörigen wollten hier feiern, mitten in der Stadt, unter den Bürgern, sie wollten ihnen ihren Dank bringen für die Abwahl des ehemaligen Oberbürgermeisters. Für seinen Nachfolger, er ahnte es schon, ist dies die bislang schwierigste Rede. Dabei muss er nicht viel sagen: „Ich bitte um Entschuldigung.“ Mehrfach sagt er das und in allen Sprachen der Opfer. Er spricht auch über Verantwortung, über die „zweite Tragödie Sprachlosigkeit“, verspricht rückhaltlose Aufklärung. Und bekommt Applaus. „Demütig“ grüßt Sören Link die Eltern und reicht ihnen symbolisch die Hand.

    Lieblingssongs der Kinder

    Und da stehen diese Eltern oben auf der Bühne, sprechen vom Vermissen in ihrer jeweiligen Sprache, singen es sogar und verlassen Arm in Arm die Bühne. Wie stark sind diese Menschen, die Lieder hören mit Zeilen wie diesen: „Ich will dich erinnern, so, wie ich dich sah“ oder „Wenn es Antworten gibt auf meine Fragen, wird es dann leichter zu ertragen?“ Die die Lieblingssongs ihrer Kinder ausgesucht haben – einer ist der „Stairway to Heaven“ – und Bilder aus den Orten, aus denen sie kamen.

    Und auch viele von ihnen haben an diesem schweren Tag leichte Sommerkleider an.