Duisburg. . Oberbürgermeister Sören Link findet bei der Gedenkfeier zum zweiten Jahrestag der Loveparade-Katastrophe die richtigen Worte. Die Stadt erweist den Verstorbenen, ihren Angehörigen und den Traumatisierten die Ehre.

Er sagt es deutsch, englisch, spanisch, niederländisch, chinesisch und italienisch. Er sagt nach zwei Jahren und vier Stunden endlich das lang ersehnte Wort: Entschuldigung. Oberbürgermeister Sören Link hat bei der Gedenkfeier zum zweiten Jahrestag der Loveparade den Duisburgern aus dem Herzen gesprochen. Und er hat in seiner ersten großen Rede die richtigen Worte gefunden.

„Ich bitte um Entschuldigung für das unfassbare Leid, das in dieser Stadt geschehen ist und für immer mit ihr verbunden sein wird.“

2500 Leute auf dem Opernplatz

Die schwarze Bühne vor dem Stadttheater liegt im Schein der untergehenden Sonne. Vorne ist sie von einer Reihe blauer Vergissmeinnicht umrahmt. Rund 2500 Zuschauer stehen auf dem Opernplatz, lagern auf den Hängenden Gärten, sitzen auf den Treppen vor dem City Palais. Den Auftakt macht die Schiffsglocke, sie erklingt unendlich erscheinende 21 Mal. Unerbittlich durchdringen die einzelnen Schläge das Gemurmel der Großstadt, völlige Stille legt sich über den Platz.

Das Programm, das die Loveparade Selbsthilfe zusammen mit Art at Work und der Stadt Duisburg zusammengestellt hat, gleicht einem Freiluft-Konzert, wäre nur der Anlass nicht so traurig. Die ausgewählten Lieder sind von Pink Floyd und Neil Young, von den Beatles und Michael Jackson. Oft gehört, trotzdem wunderschön, und manchmal so überwältigend traurig, dass sich kaum einer wagt, zu applaudieren.

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„Ich bitte um Entschuldigung bei allen, die am 24. Juli 2010 ihr Liebstes verloren haben und denen dieser Tag so tiefes Leid und so große Schmerzen zugefügt hat.“

Namen der Verstorbenen verlesen

Während die Flamme einer einzelnen Kerze einsam im Wind flackert, werden die Vornamen der Verstorbenen verlesen. Ihre Lieblingssongs werden angespielt, dazu Fotos aus ihren Heimatstädten gezeigt: Sanfte und poppige Melodien, manches basslastig, viel tanzbares, fetenstimmungshaftes, dazu holländische Mühlen, ein Lieblingscafé, Brücken und die Bremer Stadtmusikanten. Bruchstücke aus jungen Leben, die viel zu früh endeten.

„Ich bitte um Entschuldigung für die lange Zeit, in der neues Leid dazu kam, weil die politische Verantwortung nicht übernommen wurde.“

Angehörige rezitieren zur Musik der Marxloh Flowerz und Anja Lerch: „Ich trage dein Herz bei mir, ich trage es in meinem Herzen. Nie bin ich ohne es.“ Sie sagen es auf Deutsch, Niederländisch, Englisch, sie sagen es mit großer Würde. Den Zuhörern schnürt es die Kehle zu. Auch nach zwei Jahren ist der Schmerz der Hinterbliebenen körperlich spürbar.

Gedenkstätte ist Link ein Herzensanliegen

Sören Link verspricht, die Aufarbeitung des 24. Juli voranzutreiben, „rückhaltlos und transparent“. Für die Gedenkstätte seien die Wünsche und Bedürfnisse der Angehörigen und Betroffenen ganz klar die Richtschnur. Er sagt es und man glaubt es ihm auch: Es ist ihm ein echtes Herzensanliegen. Wohl wissend, dass er OB ist, weil die Bürger der Stadt „Verantwortung erst gefordert, dann übernommen und schließlich durchgesetzt haben“.

Die Loveparade wird im Nachhinein auch für die Belebung der Bahnhofsplatte sorgen. Hier will Link als Symbol für einen Neuanfang 21 Magnolien pflanzen, die erinnern, aber auch „wachsendes, blühendes Zeichen der Hoffnung“ sein sollen.

„Und ich bitte um Entschuldigung dafür, dass es einzelne so lange nicht vermocht haben, auf Sie zuzugehen und nicht die Kraft fanden, Ihnen gegenüber angemessene Worte der Entschuldigung zu finden.“

Hannelore Kraft herzt Sören Link

Das hat Sören Link geschafft. Am Ende dieser Gedenkfeier wird Duisburgs neuer Oberbürgermeister gedrückt und geherzt: von Ministerpräsidentin und Parteifreundin Hannelore Kraft, aber auch von einigen Hinterbliebenen. Kaum zu ermessen, was sie in den letzten zwei Jahren von unserer Stadt gedacht haben müssen.