Duisburg.. Vor dem zweiten Jahrestag der Loveparade-Katastrophe ist weiterhin unklar, wann die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt. In der kommenden Woche des Gedenkens wird dies nicht geschehen. Die Ermittlungen dauern an, dementierte die Staatsanwaltschaft anderslautende Medienberichte.
Die Duisburger Staatsanwaltschaft hat mit einer Presseerklärung Medienberichte dementiert, wonach sie die Ermittlungen zur Loveparade-Katastrophe abgeschlossen hat: „Die Ermittlungen zur strafrechtlichen Aufarbeitung des tragischen Geschehens dauern an.“
Damit ist auch ausgeschlossen, dass die Staatsanwaltschaft kommende Woche bekannt gibt, ob sie gegen die 17 Beschuldigten Anklage erheben will oder einen Teil der Verfahren einstellt. Ein „Zeitpunkt für eine abschließende Entscheidung“ lasse sich derzeit „nicht sicher vorhersagen“. Am Dienstag, dem 24. Juli, jährt sich die Katastrophe, bei der 21 Menschen tödlich verletzt wurden, zum zweiten Mal.
Bereits am Freitag beginnen die Aktionen, mit denen Hinterbliebene und Freunde der Todesopfer gemeinsam mit Opfern, die bei der letzten Loveparade verletzt und traumatisiert wurden, ihre Trauer und Wut ausdrücken wollen. Auch viele Duisburger und Vertreter der Stadt beteiligen sich.
In dieser bevorstehenden Woche des organisierten Gedenkens werden sich die Ermittler nicht mit einer weiteren Erklärung zu Wort melden. Der Leitende Oberstaatsanwalt Wolfgang Bien hatte im WAZ-Interview diese Woche angekündigt, dass „wir und rechtzeitig zum zweiten Jahrestag mit einer schriftlichen Stellungnahme äußern“. Dies ist mit der „Presseerklärung“ vom Donnerstag geschehen.
Ermittler haben 3386 Zeugen vernommen
Darin gibt die Behörden erneut einen Einblick in die aktualisierte „Verfahrensstatistik“: Unter ihrer Federführung seien bislang 3386 Zeugen vernommen worden. In den Hauptakten sollen etwa 30.000 DIN-A-4-Seiten abgeheftet sein, hat jüngst irgendwer im Gebäude an der Koloniestraße 246 überschlagen. Für das Verfahren sind nach Angaben von Wolfgang Bien vier Staatsanwälte und ein Oberstaatsanwalt abgestellt. Diese warten weiterhin auf das Gutachten des englischen Forschers Keith Still, der an der Buckinghamshire New University das Verhalten von Menschenmassen erforscht. Dem „Professor of Crowd Dynamics“, der beispielsweise für die Sicherheit der Zaungäste der Hochzeit von Prinz William und Kate Middelton verantwortlich war, gab die Staatsanwaltschaft im Frühjahr 2011 den Auftrag, ein Gutachten zur „Ursache der Menschenverdichtung“ bei der Loveparade zu stellen.
Ein 21-seitiges Papier Stills, das der WAZ seit Mitte Februar vorliegt, setzt die Veranstalter und die Polizei unter Druck. Darin kommt der Experte bereits zum Schluss, dass die Katastrophe vermeidbar gewesen wäre. In den Genehmigungsunterlagen habe ein Plan zur Steuerung der Massen gefehlt, so Stills. Schon eine „primitive mathematische Analyse“ der Zu- und Abflussbewegungen der Loveparade-Besucher hätte gezeigt, dass die gesamten Planungen „schiefgehen“ mussten. Jedoch sei die Arbeit des Sachverständigen, so die Staatsanwaltschaft am Donnerstag, „noch nicht abgeschlossen“.
17 Beschuldigte, darunter elf Mitarbeiter der Stadt Duisburg
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Anfangsverdachtes der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung. Zu den 17 Beschuldigten zählen fünf Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent, der Einsatzleiter der Polizei und elf Bedienstete der Stadt Duisburg. Zu ihnen zählen auch der Sicherheits- und Rechtsdezernent Wolfgang Rabe und Jürgen Dressler, bis zu seiner Pensionierung im Frühjahr 2011 Planungsdezernent. Lopavent-Chef Rainer Schaller und der als Oberbürgermeister abgewählte Adolf Sauerland zählen nicht zu den Beschuldigten. (pw)