Duisburg. Keine Schullaufbahnen in Containern, kostenlose Kitaplätze und mehr Personal: Das wollen die Kandidierenden des Wahlkreises III in Duisburg.

Vor der Landtagswahl in NRW haben wir die Kandidierenden für den Wahlkreis Duisburg III (Nord/Mitte) zum Thema Bildungspolitik befragt. Acht der neun Bewerberinnen und Bewerber haben geantwortet, lediglich „Die Partei“ reagierte nicht.

Frank Börner, SPD

Frank Börner von der SPD beklagt, dass „mehr als 6000 Unterrichtsstunden pro Woche“ allein in den Grundschulen ausfallen. Mehr Lehrer sollen durch mehr Studienplätze gewonnen werden, außerdem sollen alle das gleiche Einstiegsgehalt bekommen. Mit mehr Schulbegleitpersonal sollen Lehrer entlastet werden.

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In Sachen Bildungsgerechtigkeit sei viel zu tun, die Postleitzahl mache den Unterschied. „Die oft internationale Ausprägung unserer Schulen ist zum einen eine Herausforderung, aber auch eine Chance, vor dem Hintergrund einer sich globalisierenden Welt, Vorbehalte und Vorurteile abzubauen“, so Börner. Es brauche einen Altschuldenschnitt, damit Duisburg handlungsfähig wird und Schulen sanieren und ausstatten kann.

Mehr Ganztagsunterricht, kostenloses Mittagessen – die Vorstellungen der Kandidierenden für die Landtagswahl sind unterschiedlich. Unser Bild zeigt die Essensausgabe bei der Einweihung der neuen Mensa an der Theodor-König-Gesamtschule, Zweigstelle Meiderich, Ende April
Mehr Ganztagsunterricht, kostenloses Mittagessen – die Vorstellungen der Kandidierenden für die Landtagswahl sind unterschiedlich. Unser Bild zeigt die Essensausgabe bei der Einweihung der neuen Mensa an der Theodor-König-Gesamtschule, Zweigstelle Meiderich, Ende April © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Geflüchtete Lehrkräfte sollen möglichst schnell hier tätig werden können, um ukrainische Kinder zu unterrichten. Börner mahnt an, dass die Warteliste für einen Schulplatz fair abgearbeitet wird, weil auch syrische Kinder zum Teil seit Monaten unbeschult sind. Höhere Personalschlüssel seien in Kitas und Grundschulen nötig. Ab 2026 soll es einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung geben.

Beim Thema Sekundarschule sieht er ein Akzeptanzproblem und setzt auf den Elternwillen, welche Schulform sich durchsetzt.

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Deniz Güner, CDU

Deniz Güner, der für die CDU kandidiert, fordert Sozialarbeiter für jede Klasse und für jede Schule einen Schulpsychologen. Klassengrößen sollten auf 20 begrenzt werden, Lehrer sollten den Schulen zugewiesen werden. Aktuell werde nicht gerecht geplant, die Stadt gehe von 29 Kindern pro Klasse aus, Schul-Neubaupläne fehlen in seinen Augen. Für Sekundarschulen sieht er ohne ausreichende Lehrer und finanzielle Ressourcen keine Zukunft.

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In Duisburg müssten in den sozialen Brennpunkten alle Schulen zu Talentschulen werden. Außerdem fehlen hier Grundschulen, in Marxloh gebe es seit 40 Jahren nur vier. Bildungspolitisch fatal sei es rückblickend gewesen, dass die SPD-Landesregierung Gastarbeiterkinder in so genannte Gastarbeiterklassen „gepackt“ habe.

Ein Gefälle zwischen armen und reichen Kommunen gibt es laut Güner nicht. „Es gibt ein Gefälle zwischen Kindern aus reichen Familien und armen Familien.“ Allerdings habe sein Wahlkreis die höchste Arbeitslosenquote (25 %), die meisten Transfergeldempfänger (20 %) und kaum Flächen für die Ansiedlung von Unternehmen. Deshalb fordert er eine Kindergartenplatzgarantie für jedes Kind, und zwar „gebührenfrei“.

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Melih Keser, Grüne

Manche Schüler, die jetzt ihren Abschluss machen, haben ihre gesamte Schullaufbahn in Containern verbracht, beklagt Melih Keser von den Grünen. Ein transparenter, schulscharfer Sozialindex könne helfen, Mittel gerecht und nach Bedarf zu verteilen.

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Er fordert kleinere Klassen, gleiche Bezahlung für Lehrer, Unterstützung durch multiprofessionelle Teams und bessere Chancen für Quereinsteiger. Insbesondere in Meiderich fehle es an Grundschulen, weshalb er die Reaktivierung der 2011 geschlossenen Dislichschule befürwortet. Auch an Kitas sollten Verwaltungs- und Hauswirtschaftskräfte eingestellt werden. Keser unterstützt außerdem die Initiative seiner Ratsfraktion, die Kindergartengebühren abzuschaffen.

Weil die Sekundarschulen in Duisburg nicht gut angenommen werden, ist Keser für das Zwei-Säulen-Modell und eine Umwandlung in Gesamtschulen.

Dennis Erle, FDP

Dennis Erle von der FDP findet, dass in Duisburg Organisationen fehlen, die Kindern und Eltern zum Thema Bildung beraten.

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Über die 5000 Lehrkräfte hinaus, die die aktuelle Landesregierung rekrutierte, brauche es noch mehr Personal, dafür müsse der Job attraktiver werden und Quereinsteigern müsse der Weg erleichtert werden. Die Bezahlung müsse unabhängig von der Schulform gleich hoch sein, finanzielle Zuschläge müsse es für jene Stellen geben, die sehr lange unbesetzt blieben. Ein sehr wichtiger Schritt sei, dass auch die geflüchteten Lehrkräfte aus der Ukraine an den Schulen eingebunden werden, um dort zu unterrichten.

Politik müsse noch mehr in sozial schwächere Gemeinden investieren, mit dem Konzept der Talentschulen würden hier Kinder gezielt nach ihren Stärken gefördert. Der Sozialindex sei ebenfalls ein großer Schritt in die richtige Richtung, um Mittel zielgenauer zu verteilen.

Die Sekundarschule gehöre zu einem vielfältigen Angebot, aber ein Wechsel zwischen den Schulformen müsse einfacher werden. Außerdem tritt Erle an für mehr Kitaplätze und mehr Flexibilität bei den Betreuungszeiten für Eltern in Schichtsystemen.

G8 (also das Abitur nach acht Jahren) von Rot-Grün flächendeckend „durchzuprügeln“, sei der größte bildungspolitische Fehler der vergangenen Jahre, der „zum Glück“ wieder rückgängig gemacht wurde.

Anabella Peters, Linke

Mehr Ganztagsangebote, Sport- und Schwimmhallen fordert Anabella Peters, die für die Linke kandidiert. Lehrer sollten gleichermaßen mit A13 besoldet werden, Quereinsteiger leichteres Spiel haben und der NC für Grundschulstudiengänge solle aufgehoben werden. Sekundarschulen sollten „sinnvollerweise“ Gesamtschulen werden.

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„Der Investitionsstau und der Wille, daran nichts zu ändern“ ist für Peters der größte bildungspolitische Fehler. Dass junge Lehrkräfte nicht in baufälligen Schulen arbeiten wollen, sei „total verständlich“. Es gibt ein Gefälle zwischen reichen und armen Kommunen in Sachen Bildungsgerechtigkeit: „Ich habe im (reichen) Münsterland mein Abitur gemacht, wenn ich meine ehemalige Schule mit den Schulen hier vergleiche, gibt es nichts, was diese Aussage widerlegen könnte. Es sind zwei verschiedene Welten, wenn auch gleichwertige Schulabschlüsse.“

Wichtig seien zudem mehr und bezahlbare Kitaplätze, am besten mit einem kostenlosen Mittagessen.

Peter Römmele, MLPD

Peter Römmele von der MLPD plädiert für eine „antimilitaristische Aufklärungsarbeit“ angesichts der „akuten Gefahr eines dritten Weltkriegs“. Lehrermangel, zu große Klassen, dagegen will Römmele Ausbilder aus Industrie, Handel, Kultur und Sport im Rahmen eines vielseitigen Ganztagsunterrichtsangebots einbinden. Auch Tutoren aus höheren Klassen könnten helfen. Zentrales Bildungselement müsse sein, „Schülern wachsend Verantwortung zu übertragen“. Unabhängig davon müssten Lehrer gleichermaßen nach A13 bezahlt werden und Landes- und Bezirksebene müssten stärker unterstützen mit Materialien und Standards.

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Bildungsungerechtigkeit zwischen reichen und armen Kommunen werde durch die Politik zementiert. Dringend müsse etwa den Schulen Emschertal und Robert-Bosch-Berufskolleg unter die Arme gegriffen werden. Sekundarschulen hätten eine Chance, wenn sie zu Ganztagsschulen mit polytechnischer Ausbildung mit entsprechender personeller Besetzung umgestaltet würden.

Kitas müssten flexibler sein für Eltern mit Schichtarbeit, es brauche mehr Plätze, auch der Ganztag in den Grundschulen müsse ausgebaut werden.

Kübra Arslan, Team Todenhöfer

Um den Lehrkräftemangel einzudämmen, fordert Kübra Arslan vom Team Todenhöfer nicht nur weniger Studienbeschränkungen, sondern auch eine intensivere Begleitung, um die „hohe Abbrecherquote von Lehramtsstudierenden“ zu reduzieren. Das Potenzial an migrierten Kräften sei groß, aber es gebe Hürden für die Anerkennung ihrer Qualifikation.

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Für Kinder aus der Ukraine brauche es neben Vorbereitungsklassen auch psychologische Unterstützung. Geflüchtete mit passender (und überprüfter) Qualifikation müssten eingebunden werden. Um Kitas zu stärken, müsse es für Erzieher mehr finanzielle Anreize geben. Außerdem sollte die Mehrsprachigkeit vieler Kinder und ihre interkulturelle Vielfalt als Ressource betrachtet und durch Konzepte gefördert werden.

Als Sonderpädagogin und Gutachterin habe sie viele Schulen persönlich besucht. Schulen in sozialen Brennpunkten bräuchten „sehr viel Unterstützung im personellen, sächlichen und finanziellen Bereich“.

Sabine Dehnen, AfD

Die „Akademisierung der Ausbildung“ ist für Sabine Dehnen von der AfD das größte Problem, Schülern müsse ein positiveres Bild von Ausbildungsberufen vermittelt werden. Eine bildungspolitische Fehlentscheidung außerdem: „Der sukzessive Abbau des dreigliedrigen Schulsystems und die forcierten Einheitsklassen beschneiden jeden Schüler in seinem individuellen Leistungsspektrum und Fähigkeiten.“

Container als Schulgebäude sollten kein Dauerzustand sein, Schulen müssten „Wohlfühlorte“ sein. Stattdessen würden politisch Verantwortliche „insgeheim“ ihre Kinder auf Privatschulen oder an Schulen in bessergestellten Vororten stellen.

Finanzielle Mittel werden ihrer Ansicht nach nicht gerecht verteilt, hinzu komme, „dass mittlerweile nicht unerhebliche Mittel für ideologische Bildungspolitik ausgegeben werden“.

>> KRITIK AN DER CORONA-POLITIK

  • Nächtliche Mails, unklare Anweisungen, fehlende Lüftungsanlagen und das „Chaos der Schulministerin“ habe Spuren bei den Kindern und Jugendlichen hinterlassen, sagt Frank Börner von der SPD.
  • Kurzfristige Ansagen, die nicht nachvollziehbar sind und wenig später das Zurückziehen – wie jetzt beim Einsammeln der Schnelltests an Schulen – diese Masche sei prägend für die vergangenen zwei Jahre, beklagt Melih Keser von den Grünen.
  • Dass Tests und die Maskenpflicht „viel zu spät eingeführt und oft unsinnig organisiert“ wurden, kritisiert Peter Römmele von der MLPD, ebenso die Abschaffung in der Hochphase der Corona-Infektionen.