Duisburg. Er will die Stahlarbeitsplätze retten und Kinderarmut bekämpfen: Christian Leye tritt bei der Bundestagswahl in Duisburg für die Linken an.

Mit Listenplatz 6 hat Christian Leye seinen Platz im nächsten Bundestag so gut wie sicher. Der 40-Jährige kandidiert für Die Linke im Wahlkreis Duisburg II (Nord).

Sein Interesse für politische Themen wurde schon in der Familie geweckt, beide Elternteile sind Betriebsräte; sich zu engagieren, war daheim der Normalzustand. „Da war klar, auf welcher Seite man steht. Ich bin früh mit meinem Vater auf Demos gegangen, gegen Rassismus, gegen Krieg, das gehörte dazu“, berichtet Leye.

Leye fordert angesichts des Desasters in Afghanistan „mehr Demut“ der regierenden Parteien

Auch interessant

Die Friedensbewegung gegen den Afghanistan-Krieg habe vor 20 Jahren den finalen Impuls für sein Engagement in der Politik gegeben. Die aktuell viel diskutierte Enthaltung seiner Parteigenossen bei der Entscheidung, Ortskräfte zu retten, unterstützt Leye. Er hätte sich ebenfalls enthalten oder nicht zugestimmt, denn seine Partei habe bereits vor Monaten zwei entsprechende Anträge gestellt, die von der Mehrheit nicht unterstützt wurden – „von denen, die uns jetzt vorwerfen, nicht mitgegangen zu sein“. Leye hält diese Art der „Symbolpolitik“ für verlogen und unmoralisch, denn das Mandat sei darauf ausgerichtet gewesen, viele Leute zurück zu lassen.

[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]

Der Krieg sei mit Ansage im Desaster geendet, habe Menschenleben gekostet und Billionen Euro. Angesichts dessen wünscht er sich „mehr Demut von den Parteien, die vor den Trümmern ihrer Außenpolitik stehen“.

„Gerechtigkeit ist der Kit unserer Gesellschaft“

Seine Schlussfolgerung für diesen wie viele andere gesellschaftliche Konflikte: „Wir müssen mehr auf Gerechtigkeit setzen.“ Deutschlandweit lebe jedes fünfte Kind in Armut, in Duisburg jedes dritte, in Marxloh sogar jedes zweite Kind. „Das zerreißt uns, Gerechtigkeit ist der Kit unserer Gesellschaft.“

Auch interessant

Die Corona-Pandemie habe die soziale Ungerechtigkeit weiter verschärft. Die Regierungsparteien „haben das Krisenmanagement versemmelt“, urteilt Leye, Solo-Selbstständige seien im Regen stehen gelassen worden, neun Milliarden Euro flossen in Richtung Lufthansa. Menschen, die es brauchen, seien lediglich mit drei Milliarden unterstützt worden. „Das ist für mich ein Ansporn“, sagt Leye in einem Tempo und einer Vehemenz, die seinen sozialen Kompass deutlich spüren lassen.

Thyssen-Krupp stärken und zu einer Industrie-Stiftung umformen

Die Wahlkampfdebatten über Plagiate oder geschönte Lebensläufe hält der Neudorfer für „Unfug, wir stehen vor zentralen Aufgaben.“ Neben der Klimakrise – „wir haben größere Klimaziele als die Grünen“ – will er vor allem die Stahlindustrie retten. „Wir wollen in die Produktion eingreifen und nicht den Leuten ins Portemonnaie.“

17.000 Arbeitsplätze würden hier wackeln, plus jene aus der Zulieferung, bei Dienstleistern und Fremdfirmen, und nicht zu vergessen die Friseure oder Pizzerien, in denen die Arbeiter wiederum ihr Geld lassen. „Würde der Stahl wegbrechen, wäre das eine soziale Katastrophe, die Duisburg den Rücken brechen würde.“

Der Ökonom glaubt, dass Thyssen sich nicht aus eigener Kraft retten kann. Dafür müssten mehr Milliarden investiert werden, als das Unternehmen an der Börse derzeit noch wert sei. Von einer steuerfinanzierten Förderung dürften nicht die Aktionäre profitieren: „Wir fordern eine Industrie-Stiftung, damit der Stahl in die öffentliche Hand kommt.“

Mit Erbschafts- und Vermögenssteuern in Bildung und Infrastruktur investieren

Auch in die Bildung würde Leye massiv investieren. Er hält es für einen Skandal, „dass im viertreichsten Land der Welt die Fenster an den Schulen nicht zu öffnen sind“. Deshalb fordert er Erbschaftssteuern, Vermögenssteuern, „wir können unsere Infrastruktur sonst nicht aufrecht erhalten“. Wo fünf Prozent der Vermögenden so viel besitzen wie die anderen 95 Prozent zusammen, müsse man ran, „das ist ja wie zu Kaisers Zeiten“.

Sein Lieblingsbeispiel: Während der Pandemie hätten die Aldi-Besitzer fünf Milliarden zusätzliche Gewinne gemacht, dafür müsste eine Aldi-Kassiererin 180.000 Jahre arbeiten, sie hätte in der Steinzeit beginnen müssen, wenn es da schon Registrierkassen gegeben hätte. Die neoliberale Vision von Armin Laschet, der im ersten Kandidaten-Triell erklärt hatte, man müsse nur hart genug arbeiten, um reich zu werden, „diese Geschichte stimmt nicht“, sagt Leye. „Unser Gesellschaftssystem ist kaputt gespart und das ist auch für alle offensichtlich.“

Der Politiker Christian Leye, der bei der Bundestagswahl für die Linke kandidiert, brennt für seine Partei und das zentrale Thema soziale Gerechtigkeit.
Der Politiker Christian Leye, der bei der Bundestagswahl für die Linke kandidiert, brennt für seine Partei und das zentrale Thema soziale Gerechtigkeit. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Für Hobbies fehlt dem leidenschaftlichen Politiker die Zeit, „unser Team passt in ein Taxi“, betont er. Daher müsse er alles selbst machen – und den Wahlkampf von Sahra Wagenknecht noch gleich mit koordinieren. Umso ärgerlicher ist es, wenn Plakate abgerissen werden, wie es zuletzt im Kommunalwahlkampf zuhauf passiert sei. „Der Wind wird rauer, Anschläge auf unser Parteibüro kommen in einer gewissen Regelmäßigkeit“, erzählt Leye. „Ich fühle mich aber nicht bedroht, mir ist noch nie was passiert.“

Privates möchte er dennoch privat halten, Politik habe oft etwas entgrenztes, koste viel Zeit. „Ich stehe für ein politisches Angebot, nicht dafür, dass ich ab und an Hunde streichele oder ein leckeres Rührei machen kann.“

Auch interessant

>>ZUR PERSON:

  • Christian Leye ist 40 Jahre alt, verheiratet, und Vater eines Kindes (8).
  • Der Neudorfer ist Politologe und Volkswirt.
  • Er ist Landessprecher der Linken in NRW und Mitarbeiter im Wahlkreisbüro von Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht.
  • Bei der letzten Landtagswahl war er Spitzenkandidat der Linken, am Ende fehlte „nur ein Häuserblock“ zum Einzug.
  • Zuvor war er politischer Jugendberater in der Dortmunder Nordstadt.

>> WEITERE KANDIDATEN:

Thomas Mahlberg: Duisburgs ewiger CDU-Bundestagskandidat

Volker Mosblech: Politik mit Humor und christlichen Werten

Duisburg: Sascha Lensing (AfD) setzt auf Haustür-Wahlkampf

Lamya Kaddor legt bei den Duisburger Grünen Blitzstart hin