Duisburg. Linken-Fraktionschefin Martina Ammann-Hilberath wirft Stadt und GroKo „Totalversagen bei der Personalpolitik“ vor und fordert zehn neuen Schulen.
Am 30. September hatten Duisburgs Kämmerer Martin Murrack (SPD) und OB Sören Link (SPD) ausgeglichene Haushaltsentwürfe für die Jahre 2020 und 2021 vorgestellt. Hier lesen Sie die komplette Etatrede von Martina Ammann-Hilberath, Vorsitzende der Linken im Duisburger Stadtrat, vom 25. November im Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die schwarze Null steht. Seit 2015 gelingt es der Stadt positive Jahresergebnisse zu erzielen. In den letzten vier Jahren konnten die Kassenkredite in einem bemerkenswerten Ausmaß zurückgeführt werden. Auch in dem jetzt vorliegenden Haushaltsentwurf für die Jahre 2020/2021 erwartet die Stadt ausgeglichene Ergebnisse.
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Doch die schwarze Null hat eine Reihe unerwünschter Nebenwirkungen. Die schwarze Null geht zu Lasten der städtischen Infrastruktur und sie geht auf Kosten der Angestellten und der Bürgerinnen und Bürger. Von einer seriösen und nachhaltigen Haushalts- und Finanzpolitik kann in Duisburg keine Rede sein. Wir wollen als Linksfraktion nicht alles schlecht reden. Allerdings sind wir der Meinung, dass Probleme in unserer Stadt benannt werden müssen, um Lösungen zu finden. Es bringt nichts, Probleme totzuschweigen oder schönzureden. Ich möchte auf einige Problemfelder eingehen und auch unsere Anträge zur Verbesserung der Situation erklären.
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Die Personalsituation ist unverändert dramatisch. Eine nachhaltige Verbesserung in der Verwaltung ist trotz der 117 zusätzlichen Stellen weiterhin nicht in Sicht. Auch in diesem Jahr sind 590 Stellen, die zwar laut Stellenplan vorgesehen sind, nicht besetzt. Der Personalrat hat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Personalaufwendungen in dem Haushaltsplanentwurf 35 Millionen Euro höher ausfallen müssten, um die Stellen im Stellenplan besetzen zu können.
„Totalversagen bei der Personalpolitik in Duisburg“
Für die Aufstellung des Haushalts gelten die Grundsätze der Wahrheit und Klarheit. Wenn Stellen im Stellenplan zum Haushalt ausgewiesen werden, obwohl eine Besetzung gar nicht geplant ist, stellt dies einen Haushaltsverstoß dar.
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Der Unmut und die Frustration bei den städtischen Angestellten und den Bürgerinnen und Bürgern sind unverändert groß. Wenn Duisburgerinnen und Duisburger ein Jahr lang auf einen Termin bei der Einbürgerungsstelle warten müssen, dann haben wir es mit einem Totalversagen bei der Personalpolitik in Duisburg zu tun.
Durch den Irrglauben vom schlanken Staat und dem Zwang zum Sparen wurde jahrelang der Abbau der öffentlichen Verwaltungen vorangetrieben. Partnerschaft Deutschland, Duisburger Infrastrukturgesellschaft oder ganz aktuell die Beschlussvorlage zur Gründung der Duisburger Schulbaugesellschaft, immer mehr öffentliche Aufgaben werden an städtische Unternehmen oder an Dritte ausgelagert und damit privatisiert. Die Folgen sind Wissens- und Kompetenzverlust in den Verwaltungen und steigende Kosten für die Stadt.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,
seit Jahren fährt die Stadt Duisburg ihre Infrastruktur auf Verschleiß. Allein zwischen 2011 und 2018 hat sich das Infrastrukturvermögen der Stadt um sage und schreibe 304 Millionen Euro verringert. Betroffen von dem Rückgang sind hier insbesondere die öffentlichen Gebäude und das Straßennetz. Allein der Wertverlust durch die Abnutzung bei den Straßen betrug im Jahr 2018 gegenüber dem Vorjahr 20 Millionen Euro.
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Gemessen am eigentlichen Bedarf sind die im nächsten Jahr zusätzlich in Aussicht gestellten 3,3 Millionen Euro für die Sanierung von Straßen ein lächerlich geringer Betrag. Allein der Sanierungsstau bei den Straßen und Brücken, der Stadtbahn, den öffentlichen Gebäuden, den Schulen und Sportanlagen belaufen sich mittlerweile auf 1,5 Milliarden Euro.
„Investitionsstau in Duisburg: mehr als zwei Milliarden Euro“
Hinzu kommen dringend notwendige Erweiterungsinvestitionen im Bereich des Neubaus von Schulen oder der Umsetzung einer nachhaltigen und klimafreundlichen Verkehrspolitik. Alles in allem muss der Investitionsstau in Duisburg auf mittlerweile deutlich mehr als zwei Milliarden Euro beziffert werden. Was Duisburg angesichts der maroden Infrastruktur jetzt bräuchte, ist ein zusätzliches milliardenschweres Investitionsprogramm für die nächsten zehn Jahre.
Doch nicht nur die zunehmend maroder werdende Infrastruktur ist eine der Schattenseiten dieser strengen Haushaltspolitik. Zunehmend ist der soziale und gesellschaftliche Zusammenhalt in der Stadt bedroht.
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Es ist eben nicht so, dass viele Menschen in Duisburg wieder eine Perspektive haben, wie sie, Herr Oberbürgermeister, in ihrer Etatrede ausführten. Trotz eines zehnjährigen robusten Wirtschaftswachstums haben zehntausende Duisburgerinnen und Duisburger weiterhin keine Aussicht auf eine Perspektive.
Die Altersarmut und die Verschuldung der privaten Haushalte nehmen in Duisburg Jahr für Jahr zu. In Stadtteilen wie Laar, Ruhrort, Hochfeld, Beeck oder Beeckerwerth ist mehr als jeder vierte Bewohner überschuldet. Tendenz stark steigend. Die Zahl der Menschen, die Leistungen nach SGBII – Hartz IV beziehen bzw. in Bedarfsgemeinschaften leben ist in Duisburg mit insgesamt 71.714 immer noch unerträglich hoch.
„Soziale Spaltung der Stadt nimmt besorgniserregende Ausmaße an“
Die soziale Spaltung in Duisburg nimmt zunehmend besorgniserregende Ausmaße an. Der aktuelle Sozialbericht bestätigt, dass die Stadtteile sozial immer weiter auseinanderdriften.
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Besonders alarmierend sind die Auswirkungen für die, die am wenigsten für ihre Situation können: die Kinder und Jugendlichen in den abgehängten Stadtteilen. In Laar und Hochfeld erhalten nur 12% bzw. 14% der Schülerinnen und Schüler eine Gymnasialempfehlung. Während in Essen oder Mühlheim 45% bzw. 47% der Schülerinnen und Schüler das Abitur machen, sind es in Duisburg nur 36%.
Mehr als ein Drittel aller ausländischen Schülerinnen und Schüler in Duisburg verlassen die Schule entweder ganz ohne Abschluss oder lediglich mit einem Abschluss der Förder- bzw. Hauptschule. Schon lange schlagen Lehrer und Eltern Alarm: Es fehlen Klassenräume, Fachräume, Sport- und Schwimmhallen. In übergroßen Klassen kann nicht vernünftig unterrichtet werden, geschweige denn die verlangten und notwendigen Leistungen zur Integration und Inklusion erbracht werden.
Mittlerweile gibt die Stadt drei Millionen Euro pro Jahr aus, um die Schülerinnen und Schüler über Bezirksgrenzen hinweg zu den Schulen zu befördern. Und wie reagieren Politik und Verwaltung? Sie verwalten den Mangel und arrangieren sich mit dem Bildungsnotstand.
Was wir jetzt brauchen sind neue Schulen. Wir brauchen schnellstens sieben neue Grundschulen und drei weiterführende Schulen in Duisburg.
Haushaltantrag: Bau zwei neuer Grundschulen für Duisburg
Zu dieser Erkenntnis sind wir nicht allein gekommen. Seit vielen Monaten arbeiten wir im Duisburger Bündnis für bessere Schulbauten mit LehrerInnen aller Schulformen, den Elternvertretern aller Schulen und der GEW an Lösungen für eine Verbesserung der derzeit katastrophalen räumlichen Schulsituation in unserer Stadt. Als ersten Schritt beantragen wir in unserem Haushaltsantrag den Bau zweier neuer Grundschulen für Duisburg.
„Wir dürfen nicht auf Kosten der zukünftigen Generationen leben“, heißt es immer wieder zur Rechtfertigung der schwarzen Null. Dieses allseits beliebte und auch hier im Rat regelmäßig hervorgeholte neoliberale Argument, steht auf tönernen Füßen. Denn das genaue Gegenteil wird mit dieser Austeritätspolitik erreicht. Die schwarze Null von heute ist die Krise von morgen.
Durch Kürzungshaushalte werden den nachfolgenden Generationen auf unverantwortliche Weise eine heruntergewirtschaftete Infrastruktur und ein marodes Schulsystem hinterlassen. Sie nehmen der jungen Generation ihre Zukunftschancen. Durch die Fixierung auf die schwarze Null bleiben wichtige Politikziele, wie die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, gesellschaftliche Teilhabe oder gute Bildung für alle und der Klimaschutz auf der Strecke.
„Schwarze Null mittels neoliberaler Kürzungspolitik“
Nichts spricht gegen einen ausgeglichenen Haushalt, im Gegenteil. Doch warum muss die schwarze Null mittels neoliberaler Kürzungspolitik umgesetzt werden? Positive Jahresergebnisse sollten durch eine gerechte Steuerpolitik und eine vernünftige Umverteilungspolitik erreicht werden.
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Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,
damit komme ich zur Klimapolitik. Der Klimawandel ist eine Herausforderung, die dringenden Handlungsbedarf erfordert. Allerdings fehlen konkrete Ziele für eine klimagerechte Stadt. Es fehlt ein verbindlicher Zeitrahmen zur Erreichung der Ziele. Und vor allem, es fehlt hinsichtlich der umzusetzenden Maßnahmen an einer umfassenden finanziellen Hinterlegung der Kosten sowohl im Klimaschutzkonzept als auch im Haushaltsplanentwurf. Klimaschutz gibt es nicht zum Nulltarif – Klimaschutz kostet Geld. Junge Leute gehen nicht seit einem Jahr in Duisburg für die schwarze Null auf die Straße. Sie demonstrieren dafür, dass sie überhaupt noch eine Zukunft haben, dass sie auch später noch in einer halbwegs lebenswerten Welt leben können. Unsere Fraktion unterstützt das Engagement der Jugendlichen für den Klimaschutz und weiß, dass ein besserer Umweltschutz in einer Stadt wie Duisburg immer mit einer gerechteren Sozialpolitik verbunden werden muss.
Die bisher umgesetzten Maßnahmen zum Klimaschutz sind völlig unzureichend. Die Förderung erneuerbarer Energien, energetische Sanierung von Gebäuden oder der Ausbau des ÖPNV, nichts davon findet sich im Haushalt wieder.
Ein Großteil der CO2-Emissionen entsteht durch den Verkehr. Wir müssen so schnell wie möglich die Verkehrswende einleiten. Dazu benötigen wir die Erarbeitung und Umsetzung eines Verkehrskonzeptes, um damit den Umweltverbund, also ÖPNV, Radverkehr und Fußwege, stärken zu können. Aber anstatt attraktive Angebote für Studierende, Berufspendler und RentnerInnen zum Umstieg vom Auto auf den ÖPNV anzubieten, fliegt Ihnen hier gerade der neue DVG-Fahrplan um die Ohren.
Unsere Fraktion stellt hierzu heute einen Antrag zur Bildung eines Fahrgastbeirats, um zukünftig weitere einsame Entscheidungen, die die Verwaltung an den BürgerInnen vorbei trifft, zu verhindern.
„Bund soll Kosten der Unterkunft komplett übernehmen“
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,
unsere Fraktion begrüßt die ermutigenden Signale des Bundesfinanzministeriums zur Bereitschaft, die Kassenkredite zumindest zu einem Teil zu übernehmen. Jetzt gilt es keine Zeit mehr zu verlieren und zügig die Gespräche zwischen Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden über die mögliche Ausgestaltung der Altschuldenhilfe aufzunehmen. Dafür setzt sich seit Jahren unser Fraktionsmitglied Erkan Kocalar im Hauptausschuss des Deutschen Städtetages ein. Um eine tragfähige Lösung zu finden und die erneute Anhäufung von Kassenkrediten in Zukunft zu vermeiden, schlagen wir vor, dass sich der Bund zusätzlich zum Altschuldenfonds stärker als bisher an den Kosten der Unterkunft beteiligen sollte. Bisher übernimmt der Bund gerade einmal 38 % an den KdU in Duisburg, was einem Betrag von ca. 67 Millionen Euro entspricht. Eine vollständige Übernahme der KdU durch den Bund würde den Duisburger Haushalt um ca. 110 Millionen Euro entlasten.
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Unsere Fraktion sieht auch, dass das Land nun in der Verantwortung steht, seinen Beitrag zur Entschuldung zu leisten. Wir vermissen ein klares Bekenntnis der Landesregierung zur anteiligen Übernahme der Altschulden.
Wir warnen davor, sich vorwiegend auf eine Verschärfung des kommunalen Haushaltsrechts zu fokussieren, wie NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach bereits ankündigte. Hoch verschuldete Kommunen wie Duisburg haben im Rahmen des Stärkungspaktes in den vergangenen Jahren immense Konsolidierungsanstrengungen unternommen, weit über jedes akzeptable Maß hinaus.
Das Land trägt die Verantwortung für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen. Vorstellbar ist deshalb eine vom Deutschen Städtetag ins Spiel gebrachte Mindestausstattungsgarantie in der Länderverfassung von NRW, um die Entstehung neuer problematischer Verschuldung zu verhindern.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,
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Duisburg steht angesichts eines riesigen Investitionsstaus, des Klimawandels, des Bildungsnotstands oder der Digitalisierung vor immensen Herausforderungen. Trotz der Unterfinanzierung der Stadt wollen wir die geringen finanziellen Spielräume nutzen, um die dramatischsten Missstände zumindest ein wenig abzumildern.
Ihnen liegt ein Antrag unserer Fraktion zum Haushaltsentwurf vor, der den Neubau von Schulen und Kitas und Verbesserungen bei der Personalausstattung sowie im Bildungs-, Sozial- und Kulturbereich vorsieht.
Die beantragten Mehraufwendungen werden durch eine weitere Absenkung der Zinsen und sonstigen Finanzaufwendungen und durch die Einstellung von drei weiteren Steuerprüfern überkompensiert.
Wir werben heute für unseren Antrag und bitten die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen um ihre Unterstützung.
Zum Schluss meiner Rede bedanke ich mich sehr herzlich für die fachkundige und umfassende Unterstützung der Vertreter der Kämmerei, die uns in unseren Haushaltsberatungen sehr gut beraten haben.“
>> Haushaltsreden der Fraktionen im Duisburger Stadtrat im Wortlaut
Zur Rede von Rainer Enzweiler, CDU
Zur Rede von Bruno Sagurna, SPD
Zur Rede von Sait Keles, Bündnis 90/Die Grünen
Zur Rede von Stephan Wedding, Junges Duisburg/DAL
Zur Rede von Karlheinz Hagenbuck/Angelika Röber/Marion Stöbbe, HSV-Fraktion
Zur Rede von Wilhelm Bies, FDP