Duisburg. Stephan Wedding, Vorsitzender der Fraktion „Junges Duisburg/DAL“, erklärt in seiner Rede auch, was „Neue Dynamik für Duisburg“ bringen könnte.
Stephan Wedding, Vorsitzender der Fraktion „Junges Duisburg/DAL“, kritisiert in seiner Haushaltsrede zum Doppelhaushalt 2020/21 den Nahverkehrsplan und den IMD-Umbau. Im Folgenden lesen Sie Weddings Rede und den Haushaltsantrag der Fraktion „Neue Dynamik für Duisburg“ im Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Rängen, meine Damen, meine Herren der Verwaltung!
Unsere Stadt ist sehr vielfältig, sehr unterschiedlich und das ist ein großer Schatz.
Die einen ziehen es vor, in Alt-Walsum, Baerl oder Friemersheim zu leben. Andere wohnen lieber in Neudorf oder Duissern. Die einen mögen die ländlich geprägten Ortsteile. Andere leben lieber im Kern der pulsierenden Großstadt Duisburg. Oder irgendwo dazwischen.Dass es diese Unterschiedlichkeit gibt, das ist gut. Das ist das Gegenteil von Eintönigkeit.
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Was aber nicht gut ist: Es gibt Stadtteile, die immer stärker abgehängt werden. Und inzwischen spüren es viele Bürgerinnen und Bürger, dass sie nicht mehr so richtig mitspielen in dieser Stadt. Nicht nur bildhaft, sondern auch durch den neuen Nahverkehrsplan. Es kann doch nicht sein, dass man in Duisburg aus einigen Ortsteilen überhaupt nicht mehr wegkommt?!
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Dieser Nahverkehrsplan ist ein Musterbeispiel für verkorkste Rathauspolitik der GroKo. Nahverkehr, eigentlich ein Zauberwort in Zeiten von Klima- und Verkehrswende. Aber nicht in Duisburg. Hier wird es so gemacht wie seit 70 Jahren: Bürger werden auf SPD-Veranstaltungen eingeladen, aber ihnen wird wie so oft nicht zugehört. Wichtiger ist das Foto für die Zeitung. Ergebnis: Ihre Anliegen werden nicht ernst genommen. Und dann passiert genau das, was mit dem Nahverkehrsplan passiert ist. Er wird gegen alle Widerstände brachial durchgesetzt – trotz vieler Einwendungen und Alternativvorschläge im Vorfeld. Das Ergebnis ist bekannt: Große Unzufriedenheit in weiten Teilen der Stadt, Evaluation im nächsten halben Jahr.
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Diese Art Politik zu betreiben ist wirklich Old School und hat sich überlebt. Sie sorgt nur für Verdruss auf allen Seiten. Hier könnten wir im Nahverkehr und auch in der politischen Debatte wirklich etwas mehr Dynamik für Duisburg gebrauchen. Und dafür sind wir heute hier: Dynamik auch in der Haushaltsberatung. Es besser, dynamischer zu machen als beim Nahverkehrsplan. Miteinander reden, miteinander streiten – um am Ende das Beste für unsere Stadt rauszuholen.
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Ein kommunaler Haushalt legt dabei die entscheidenden Grundlagen. Nicht nur für Bus und Bahn, sondern für alle Bereiche der Daseinsvorsorge. In diesem Doppelhaushalt geht es sogar um 721 Tage, die wir finanzwirtschaftlich abdecken. Zwei Jahre Gestaltungsmöglichkeit! Um im Bild zu bleiben: Stellen Sie sich die Stadt Duisburg wie eine mehrspurige Straße vor. Ein guter Stadthaushalt ist dabei eine Art Bauplan, für Gegenwart und Zukunft – mit dem ein starkes Fundament für die spätere Asphaltdecke und die darüber fahrenden Fahrzeuge entworfen wird.
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Aber der Haushalt den sie, Herr Oberbürgermeister, vorgelegt haben, ist wieder Stückwerk. Stückwerk, das versucht, Rückstände aus Jahrzehnten aufzuholen. Selbst ordentlich bezahlte Sanierer wie Herr Kugelberg sprechen von einer Schande und Peinlichkeit, die ihnen in Duisburger Schulen begegnet. Und das obwohl Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, den IMD gefühlt jeden 5. Tag umbauen und mit einer neuen Geschäftsführung versehen.
Die Summen, die in doppelte und dreifache Geschäftsführergehälter geflossen sind und immer noch fließen, wären besser in Fenstern, Heizungen und Klassenräumen angelegt gewesen.
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Ja, die Stadt Duisburg investiert aktuell Millionen in die Schulen. Das ist gut so. Aber warum ist den diese Mammutaufgabe nötig? Weil jahrzehntelang nichts gemacht wurde. Weil ein Investitionsrückstau gebildet wurde, der sich schlimmer anfühlt als unsere A 59 im Berufsverkehr.
Und ja, die Stadt stellt jetzt sogar wieder neue Mitarbeiter ein. Das ist auch gut so. Aber auch hier: Es sind keine neuen Stellen, die wir schaffen. Wir dürfen nur endlich Stellen wiederbesetzen, die lange unbesetzt waren. Das ist eigentlich Verwaltungsalltag, wird hier aber wie eine Revolution gefeiert.
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Und ja, es passiert auch etwas in Sachen Digitalisierung. Stadtdirektor und Kämmerer Murrack vergibt endlich auch Online-Termine. Ein gutes Signal, ja. Wird hier aber wie eine Mondlandung gefeiert. Das gibt’s in anderen Städten schon seit zehn Jahren.
Ja, wir gehen sogar gegen Gefahren durch Terrorismus vor. Mit einem Sicherheitskonzept für die Innenstadt. Also, zumindest theoretisch. Praktisch stehen nämlich noch immer lange nicht alle Terrorsperren. Und das, obwohl wir seinerzeit ganz schnell beschließen mussten – Fertigstellung: Weihnachtsmarkt 2017.
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Ganz ehrlich, egal woran die über zweijährige Verzögerung und die zahlreichen Kostensteigerungen lagen. Es bleibt ein Etikettenschwindel. Neuer Clou in diesem Zusammenhang: Die hässlichen Baustellen sollen jetzt geschmückt werden. Tolles Konzept! Man könnte den Eindruck haben, das Citymanagement glaubt auch an den Weihnachtsmann. Aber das ist es, was ich meine: Wo ist hier der solide Bauplan?
Duisburg macht ein wenig hier, ein wenig dort. In der Regel aber immer zu spät oder auch nicht richtig entschlossen. Das hat damit zu tun, dass die Vision von Duisburg fehlt. Die kleinsten gemeinsamen Nenner der GroKo reichen nicht. Nein, wir stecken in einem richtig dicken Stau, stehen an der roten Ampel!Deswegen müssen wir endlich fragen: In welcher Stadt wollen wir leben? Und damit meine ich keine Hochglanzbroschüren und Glitzerveranstaltungen.
Es sind die einfachen Fragen, die die Bürger umtreiben: Habe ich im Alter eine gesellschaftliche Teilhabe in meinem Quartier? In welcher Gesellschaft werden meine Enkel groß, wenn Zuwanderung das Gesicht unserer Stadt verändert? Leben die Religionen in Duisburg friedlich zusammen? Kann ich mir eine Kitabetreuung in Duisburg leisten? Das sind alles Fragen und Ängste, die auch im Haushalt eine Rolle spielen. Die wir mit einem soliden Haushalt beantworten können, die wir nehmen können.
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Dabei ist eine ernsthafte Beratung über den Duisburger-Doppelhaushalt 2020/21 nur möglich, wenn man stadtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Blick hat. Die vielen Veränderungen, die großen Flüchtlingsbewegungen, die Schlagzeilen um den Klimawandel und seine Folgen und die Globalisierung und Digitalisierung überfordern recht viele Menschen.
In Duisburg, wie überall, sie fühlen sich abgehängt, unsicher, überlastet. Während Wirtschaft und Politik von den großen Chancen der Digitalisierung und der Globalisierung sprechen, macht sich bei vielen Bürgern eine diffuse Angst breit. Was Politik leisten muss, das ist, den Menschen Heimat zu geben, die Veränderungen positiv zu steuern – und zwar so, dass wir als Gemeinschaft Vorteile daraus ziehen und mögliche Nachteile für den Einzelnen abfedern.
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In einer globalisierten Welt ist auch die Politik global, egal, ob auf kommunaler, auf Landes- oder Bundesebene. Wir haben das in der Flüchtlingskrise erfahren. Fluchtursache in Syrien – direkte Auswirkungen in Duisburg.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf diese schwierigen Fragen gibt es in den seltensten Fällen simple Antworten. Auch wenn manche politische Kraft hier im Saal wie auch draußen auf der Straße das glauben machen will. Denen dürfen wir nicht auf den Leim gehen. Wir dürfen aber aus Angst eben auch nicht aufhören, intensiv und dynamisch zu beraten. Probleme anzusprechen. Und zu lösen. Das war und ist unsere Motivation – seit 2014 übrigens in jedem Jahr – ein eigenes, seriöses Konzept für einen ausgewogenen Haushalt erstellt zu haben.
Antrag „Neue Dynamik für Duisburg“ mit über 50 Änderungsvorschlägen
Das Resultat ist der Ihnen heute vorliegende Antrag „Neue Dynamik für Duisburg“ mit über 50 Änderungsvorschlägen. Lassen Sie uns darüber reden, auch streiten. Sie sind sicher in vielen Punkten anderer Meinung. Gut so! Solange wir uns über die Sache streiten, kann nur die Stadt gewinnen.
Leider wird das aber nicht passieren. Gleich werden alle oppositionellen Anträge und Vorschläge weggestimmt.
So wie die GroKo das immer macht. In der Regel sogar ohne Diskussion. Aber nur, damit Sie wenigstens wissen, was Sie gleich ablehnen, ein kurzer Blick in unser Konzept:
Gewerbesteuer runter auf 499 Punkte. Das ist übrigens kein neoliberaler Quatsch, sondern Politik für die Menschen. Denn nur wo Betriebe sind, sind auch Arbeitsplätze.
Endlich faire Kita-Gebühren, möglichst ab drei Jahren ganz beitragsfrei! Ich habe es Ihnen schon hundertmal vorgerechnet, dass man in Duisburg ganz schnell zu den Superreichen gehört – zumindest nach der Abgabentabelle. Das geht so nicht – erst recht nicht, wenn Städte um uns herum günstiger oder vielleicht sogar kostenfrei sind. Und wir können hier auch nicht ewig warten, weil wir damit eine um die andere Kitageneration verpassen!
Mehr Ordnungsamt auf der Straße! Für mehr Sicherheit und Ordnung sollen die Mittel für den Sonderaußendienst erhöht werden.
Wertschätzung für Notfallsanitäter bei der Feuerwehr in Duisburg. Andere Städte wie Berlin machen es vor. Lebensretter sollen ein Gehaltsplus von monatlich 200 Euro erhalten.
Weiteres Personal für das Wirtschaftsdezernat. Momentan ist Herr Haack ein Häuptling ohne Indianer!
Stellenaufstockung für unsere Philharmoniker, wie es sich für ein A-Orchester gehört. Das kostet Geld, aber selten entfalten Ausgaben einen so wohltuenden, starken Klang.
Stärkung des Zentrums für Erinnerungskultur, Menschenrechte und Demokratie. Dies ist als entschiedenes Zeichen der zivilen Stadtgesellschaft sowie der Politik in Duisburg zu verstehen, vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse, Hass, Intoleranz und Gewalt entschieden zurückzuweisen.
Auch eine Erhöhung der Zuschüsse an Sportvereine, an den Seniorenbeirat und den Integrationsrat stehen auf der Liste. Das alles sind Institutionen, die unsere Gesellschaft zusammenhalten.
Last but not least: Wir fordern einen echten „Digitalen Aufbruch“: Bei allem Verständnis, aber Duisburg steht hier noch auf dem Standstreifen. Das erkennt man auch an dem Ziel, die Duisburger Schulen mit gerade mal 16 Mbit/s anzuschließen – kein echter Quantensprung.
Lassen Sie uns endlich auf die Überholspur gehen. Dabei ist unser Konzept – wie in jedem Jahr – mit zahlreichen Maßnahmen gegenfinanziert.
Ja, diese Gegenmaßnahmen tun hier und da weh. Ja, sie sind womöglich auch unpopulär. Aber wir haben den Mumm, auszusprechen, wo wir hinwollen. Unser Konzept zeigt auf, dass wir für einen neuen Aufbruch stehen. Für eine andere Art Politik zu betreiben. Motto: Tun, was richtig ist. Und auf dem Weg dahin gern auch für seine Überzeugungen streiten.
Duisburg braucht keine neuen Slogans. Duisburg braucht eine neue Dynamik! Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“
>> Haushaltsreden der Fraktionen im Duisburger Stadtrat im Wortlaut
Zur Rede von Rainer Enzweiler, CDU
Zur Rede von Bruno Sagurna, SPD
Zur Rede von Sait Keles, Bündnis 90/Die Grünen
Zur Rede von Martina Ammann-Hilberath, Die Linke
Zur Rede von Karlheinz Hagenbuck/Angelika Röber/Marion Stöbbe, HSV-Fraktion
Zur Rede von Wilhelm Bies, FDP