Duisburg. Die Abneigung gegen einige Migrantengruppen wächst, zugleich prägen sich Parallelgesellschaften weiter aus. Das sagen die Parteien in Duisburg.
Duisburg, Juli 2019, ein Jahr vor der Kommunalwahl. Polizeipräsidentin Elke Bartels ordnet an, dass die Polizei in Teilen von Hochfeld verdachtsunabhängig, aber anlassbezogen Personen und Fahrzeuge kontrollieren darf.
Dem zugrunde liegen monatelange Ermittlungen im teils ungeniert öffentlich betriebenen Drogenhandel im Stadtteil und eine von mittlerweile zahlreichen Razzien. Viele Bürger begrüßen die Strategie der Polizei, andere fürchten allein aufgrund ihres Aussehens immer wieder in den Fokus der Polizei zu geraten...
Ermittlungen wegen des Verdachts der sogenannten Clan-Kriminalität, ausufernde Hochzeitskorsos mit blockierten Straßen und abgefeuerte Platzpatronen, Polizeieinsätze in Freibädern gegen aggressive Gruppen junger Migranten, Raubüberfälle, die immer häufiger unter Einbezug von Messern und von „Verdächtigen mit südländischem Erscheinungsbild“ begangen werden, tausende unbezahlte Knöllchen gegen ausländische Fahrzeughalter...
Der erste Teil der Duisburger Politserie im Sommer 2019: Spannungsfeld Migration: Wie wollen Sie die Probleme lösen?
Man wird den Eindruck nicht los, dass die Abneigung gegen Migranten aus dem türkisch, arabisch, nordafrikanisch und südosteuropäischem Raum angesichts dieser Entwicklungen zusehends wächst, und sich zugleich Parallelgesellschaften weiter ausprägen. Die Redaktion hat die Duisburger Parteien gefragt, wie Sie diesen und anderen Problemen entgegenwirken wollen?
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CDU: „Soziale Zustände sind unhaltbar“
CDU: Es gibt nichts zu beschönigen: Die sozialen Zustände in Hochfeld und auch in anderen Stadtteilen wie Marxloh und Bruckhausen sind unhaltbar. Es darf in Duisburg weder rechtsfreie Räume noch No-Go-Areas geben! Das war schon immer unser fester Standpunkt. In letzter Zeit hat sich die Lage in Hochfeld und auch in Teilen des Duisburger Nordens auch nach Eindruck der CDU-Ratsfraktion immer mehr weiter zugespitzt. Wir begrüßen daher, dass die Polizeipräsidentin wenigstens in Teilen von Hochfeld verstärkt Personen und Fahrzeuge kontrollieren darf. Das kann aber nur der Anfang sein, damit sich die teilweise anarchischen Zustände in Hochfeld, aber auch anderswo in Duisburg nicht weiter etablieren.
Die Zustände in Hochfeld oder Marxloh haben sich in vielen Jahren aufgebaut und haben sich bis heute in unerträglichem Maße verdichtet. Das die Gefahr besteht, dass Clan- und Drogenkriminalität, übrigens auch die allgegenwärtige Vermüllung des Stadtteils in sämtlichen Straßen, sich noch weiter ausbreiten, ist jetzt ein energisches Handeln und kein Lippenbekenntnis gefordert. Jetzt müssen Bund und Land möglichst zügig mehr finanzielle Mittel und Personal bereit stellen, um die Lage erst einmal in den Griff zu bekommen. Denn Duisburg und sein Haushalt allein sind damit vollkommen überfordert.
Damit nicht genug: Die Bevölkerungsstruktur wird realistischerweise auf viele Jahre in Hochfeld von Zuwandererfamilien geprägt sein. Umso mehr müssen jetzt alle Beteiligten auch mit finanzieller und personeller Hilfe des Landes ihre Integrationsbemühungen verstärken, denn wie die Fakten zeigen, ist einer wachsenden Minderheit unter unseren ausländischen Mitbürgern nicht klar, dass sie sich an deutsche Gesetze zu halten haben. Hier muss der Rechtsstaat noch mehr gegensteuern. Damit Stadtteile wie Hochfeld nicht bald vollends umkippen. Machen wir uns nichts vor: Auf mittlere Sicht besteht die Gefahr. Daher brauchen wir jetzt eine schonungslose Debatte und rasche Entscheidungen.
SPD: „Nachbarschaften stärken“
SPD: Aus Sicht der SPD-Fraktion bedarf es eines harten, konsequenten Durchgreifens gegen Kriminalität aller Art auch gegen Umwelt- und Müllsünder, sowie Vermieter so genannter „Schrott-Immobilien“. Wir wollen, dass Menschen sich in ihrem Wohnumfeld wohlfühlen und werden nicht dulden, dass kriminelle Machenschaften die Oberhand gewinnen und Angsträume in unserer Stadt entstehen.
Die Stadt macht in Kooperation mit den Sicherheitsbehörden ihre Hausaufgaben: Die Kontrollen werden weiter ausgebaut. Gegen Regelverstöße aller Art (z.B. „Müllsünder“, Raserszene etc.) wird konsequent vorgegangen, um das Sicherheitsempfinden der Bürger zu stärken.
Dies alles darf jedoch nicht dazu führen, dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft bereits im Vorhinein stigmatisiert werden. Hier bedarf es eines sensiblen Vorgehens seitens der Sicherheitsbehörden. Wir stehen dafür ein, dass alle Menschen, die sich in unsere Stadtgesellschaft integrieren möchten, auch die Chance dazu erhalten und die bestmögliche Unterstützung bekommen, beispielsweise in Form von Sprachkursen. Wir brauchen eine Mentalität des Miteinanders statt eines Gegeneinanders.
Man muss Vorurteile abbauen und gegenseitiges Verständnis aufbringen. Dazu sind Stadtteil- und Nachbarschaftsfeste eine gute Gelegenheit. Hier leisten die Verbände, Vereine und Nachbarschaftsinitiativen in unserer Stadt einen wichtigen Beitrag. Um diese Gruppen bei solchen Feierlichkeiten finanziell zu unterstützen und somit auch das Ehrenamt zu stärken, beantragt die SPD-Fraktion in der Ratssitzung am 30. September 2019 eine Abschaffung der Sondernutzungsgebühren für Vereine, Verbände und Nachbarschaftsinitiativen.
Bündnis 90 / Die GRÜNEN: „Niemanden aufgrund seines Aussehens diskriminieren“
Die Grünen: Gesetze gelten in Duisburg für alle. Unabhängig davon wo sie herkommen und wie sie aussehen. Alle haben zu akzeptieren, dass die Polizei nach den geltenden Gesetzen und Vorschriften für ein friedliches Miteinander sorgen muss.
Zu den Grundsätzen dieses Rechtsstaates gehört aber auch, dass niemand aufgrund seines Aussehens diskriminiert werden darf. Das gilt auch für die Polizei. Wir bezweifeln, dass die strategische Fahndung überhaupt die Erfolge liefern kann, die man sich erhofft. Erfahrungen aus Hessen sprechen dagegen: Über 95 Prozent der Kontrollierten waren polizeilich nicht relevant – die anderen knapp 5 Prozent waren bereits erfasst.
Um die Probleme nachhaltig zu lösen, brauchen wir keinen Vorschlaghammer, sondern kluge Stadtteilpolitik. Wir wollen soziale Hilfe vor Ort, Jugendarbeit und ein gemeinsames Konzept von Polizei und Sozialarbeit, die das Ziel hat, die Stadt zu einer lebenswerten Stadt für alle zu machen.
Menschen sollten nicht nach Ihrem Aussehen vorverurteilt werden. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Kriminellen und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, die schon seit Jahren ein wichtiger und positiver Teil der Stadtgesellschaft sind. Wir Grünen setzen uns daher dafür ein, dass Integration und Teilhabe gelingt. Dazu brauchen wir ein modernes Einwanderungsgesetz aber auch neue Wege in die deutsche Gesellschaft für alle, die schon lange hier leben und arbeiten.
Die Linke: „Rassistische Stimmungsmache in sozialen Netzwerken“
Die Linke: Seit Jahren sinkt die Kriminalität in Duisburg. Aufgrund rassistischer Stimmungsmache in den sozialen Netzwerken nehmen jedoch Vorurteile gegenüber Migranten und die gefühlte Bedrohung, Opfer eines Verbrechens zu werden, zu. Straftaten müssen mit polizeilichen und rechtsstaatlichen Mitteln konsequent verfolgt und geahndet werden.
Die Polizeibehörden sind hier in ausreichendem Maße räumlich, sächlich und personell auszustatten. Darauf hat mehrfach auch die Gewerkschaft der Polizei hingewiesen.
Aus Sicht der Linken reichen ordnungspolitische Maßnahmen aber nicht aus. Wir sehen in der sozialen Sicherheit der Menschen in Duisburg die beste Grundlage für Sicherheit in der Stadt. Hier sind vielschichtige Handlungsansätze notwendig, damit verhindert werden kann, dass junge Menschen auf die schiefe Bahn geraten. Entsprechend muss unter anderem über das Instrument der Wohnungspolitik die Ausbreitung von abgehängten Stadtteilen verhindert werden.
Die Lebenssituation junger Menschen kann sich nur dann deutlich verbessern, wenn sie Zukunftsperspektiven haben. Eine gute Bildung ist dabei die wichtigste Voraussetzung. Wir brauchen mehr und besser ausgestattete Schulen, kleinere Klassen und deutlich mehr Lehrer. Die Präventionsarbeit und Projekte wie „Kurve kriegen“ und „Tausche Bildung für Wohnen“ müssen unterstützt und ausgebaut werden. Streetwork-Projekte müssen dauerhaft gesichert werden. Nicht zuletzt müssen die Beratungs- und Bildungsangebote für alte und neue Duisburger ausgebaut und entfristet werden.
Junges Duisburg / DAL: „Videoüberwachung ausweiten“
Junges Duisburg/ DAL: Das Vorgehen der Polizei in Hochfeld war überfällig. Wir begrüßen es sehr, wenn der Rechtsstaat sicht- und erlebbarer wird. Unsere Fraktion hat schon im Februar 2016 ein ganzes Paket von Maßnahmen u.a. die Ausweitung der Videoüberwachung und die Schaffung von zehn zusätzlichen Stellen beim Sonderaußendienst des Ordnungsamtes gefordert. Leider wurden SPD und CDU erst sehr spät wach beim Thema Sicherheit.
AfD: „Wenig Hoffnung, dass Demokratieverständnis respektiert wird“
AfD: Erst nachdem Duisburg jahrelang ein bundesweiter Brennpunkt für Armutszuwanderung und gesellschaftliche Fehlentwicklungen wurde, wird gehandelt. Die AfD begrüßt alle Ansätze, Kriminalität und Parallelgesellschaften wirksam entgegen zu treten. Zu lange wurde politisch ein Eingreifen verhindert, da es offenbar wichtiger war, ein „freundliches Gesicht“ zu zeigen, als die Bevölkerung zu schützen. Nun muss die Justiz folgen, um nicht, wie allzu oft, polizeiliche Erfolge juristisch zu konterkarieren – insbesondere bei Intensivtätern. Wer sich an unsere Gesetze hält, braucht Kontrollen nicht zu fürchten.
Eindämmung und Anwachsen der Clankriminalität, die zu No-Go-Zonen auf Grund unserer liberalen Einwanderungspolitik geführt hat, ist unser Ziel. Wirksam haben sich gegen die 70 Familien mit 2800 Angehörigen die Vor-Ort-Staatsanwälte für schnelle Strafverfolgung erwiesen. In Duisburg gibt es mehr als 60 Shisha-Bars und gerade in den ärmsten Stadtteilen ca. 300 Spielhallen oder Wettbüros, die Treffpunkt und Ort für Geldwäsche der Clans sein können.
Wir wollen den intensiven Einsatz von Zoll, Polizei und Ordnungsamt zum Erhalt unseres Rechtsstaates. Wir haben wenig Hoffnung, das Sitten, Demokratieverständnis und Rechtsgewohnheiten der hier schon lebenden Wohnbevölkerung respektiert werden. Geräte zum Erkennen gefälschter Dokumente, die dem Erschleichen von Sozialleistungen dienen, müssen eingesetzt werden. Arbeitsmigranten ohne Arbeit oder Scheinbeschäftigung auf 450 € Basis und Selbstständige ohne Einkommen können nicht weiter Gelder von der Stadt Duisburg kassieren - eine Teamaufgabe von Zoll und Jobcenter.
FDP: „Frühere Appelle sind relativ erfolglos geblieben“
FDP: Die Freien Demokraten vertrauen der Arbeit der Polizei und gehen davon aus, dass dabei grundsätzlich niemand aufgrund seiner Herkunft oder seines Aussehens vorverurteilt wird. Die Erfolge der städtischen und polizeilichen Aktionen zeigen, dass die Strategie des konsequenten Kontrollierens und sofortigen Reagierens aufgeht. Da alle anderen früheren Aktivitäten und Appelle relativ erfolglos geblieben sind, muss man akzeptieren, dass hartes Durchgreifen von Stadt und Polizei zur Zeit die effektivste Vorgehensweise ist.
Zusätzlich sollten sich Stadt und Bürger fortwährend hinterfragen, ob wirklich alle handelnden Akteure, alle denkbaren Möglichkeiten zur Eingliederung und Migration ausschöpfen oder ob es nicht noch weitere Chancen und Ideen gäbe, die ein friedliches Miteinander immer weiter verbessern könnten. Vielleicht wären schon relativ einfache Mittel hilfreich, wie zum Beispiel „gemischt-kulturelle“ öffentliche Feste, die denen die Teilnehmer und Gäste die jeweils andere Kultur kennen lernen können. Derartige Treffen können gegenseitiges Verständnis und Akzeptanz schaffen.
HSV-Fraktion: „Kritische Stimmen nicht sofort als Extreme betrachten“
HSV-Fraktion: Ob man in Duisburg auf der Sonnen- oder Schattenseite lebt, steht und fällt mit dem Stadtteil indem man wohnt. Im zweigeteilten Duisburg entsteht hochwertige Wohnbebauung am Kaiserberg in Duisburg Duissern, im Angerbogen und in Wedau.
Aber wer baut in Obermarxloh, Hochfeld, Hochheide, Beeck und Marxloh? Hier leben 40 Prozent der Kinder in einer Familie, die von der Sozialhilfe abhängig ist. Wer in Marxloh einst Häuser baute und Immobilien erwarb, um sich seine Zukunft zu sichern und Altersarmut vorzubeugen, muss mit ansehen, wie ein Stadtteil bundesweit mit dem Begriff „Verwahrlosung“ in die Schlagzeilen gerät.
Neben der Angst um die eigene Sicherheit grassiert dort auch die Angst um die eigene Zukunft. Ein Stimmungscocktail indem Toleranz und Akzeptanz nicht auf fruchtbaren Boden fallen. Mit kommunalen Mitteln ist dieses Problem nicht mehr in den Griff zu kriegen. Die HSV Fraktion fordert deshalb zunächst eine offene Diskussion, bei der kritische Stimmen nicht sofort als Extreme betrachtet werden. Land- und Bund sind in der Pflicht, Schulen vor dem Kollaps zu bewahren, um Integration eine Chance zu geben, sowie Ordnungs- und Sicherheitsbehörden ausreichend personell auszustatten, um die Einhaltung geltender Regeln zu kontrollieren. Parallel dazu braucht Duisburg massive Investitionsprojekte, die eine weitere Aufspaltung in arme und reiche Stadtteile vermeiden.