Duisburg. IT.NRW prognostiziert einen deutlichen Bevölkerungsrückgang für Duisburg. Stadtplaner Martin Linne hat daran aber erhebliche Zweifel.

Duisburg schrumpft – und das deutlich. Jedenfalls, wenn man der aktuellen Modellrechnung zur zukünftigen Bevölkerungsentwicklung des Statistischen Landesamtes glaubt. In 119 der 373 kreisangehörigen Städte und Gemeinden in NRW werde die Einwohnerzahl bis zum Jahr 2040 steigen, während in 254 Gemeinden Rückgänge zu erwarten sein.In Duisburg werden laut Prognose in rund 20 Jahren fast fünf Prozent weniger Menschen leben. Essen und Düsseldorf sollen hingegen deutlich wachsen.

Ein Grund, warum Duisburgs Planungsdezernent Martin Linne „erhebliche Zweifel“ an der Prognose hat. „Meine Kollegen in Düsseldorf haben nicht den Hauch einer Chance so viele Wohnungen zu bauen, wie laut Prognose für den erwarteten Bevölkerungswachstum nötig wären“, so Linne. Duisburg hingegen biete eine ganze Reihe von neuen und attraktiven Wohnflächen, die in den nächsten Jahren Platz für bis zu 18.000 Menschen bieten werden. Der Beigeordnete nennt das Mercatorquartier, den Angerbogen und das Projekt „6-Seen-Wedau“ als Beispiele.

In Kombination mit der verkehrsgünstigen Anbindung zur Landeshauptstadt und ins Ruhrgebiet und den Immobilienpreisen in Düsseldorf sei das ein gewichtiges Argument dafür, dass Duisburg einige Tausend Zuzügler aus dem Umland erwarten könne, so Linne.

„Keine Prognose tritt so ein, wie sie erstellt wurde“, sagt der Stadtplaner, weshalb die Stadt auch nicht vorhabe, Kitas, Schulen oder Quartiere zurückzubauen. Anpassungen zur Modernisierung werde es sukzessive geben. Pläne, wegen eines prognostizierten Bevölkerungsrückganges, den Bestand zurückzufahren, „gibt es nicht“, betont Linne im Gespräch mit der WAZ.

Herausforderungen der Migration

Während die Berechnungen von IT.NRW „nur auf Statistiken und Mathematik“ beruhten, zeigt für Linne die Erfahrung: „Das „wahre Leben überholt die Zahlen“. Deutliche Bevölkerungsrückgänge wurden Duisburg auch schon in der Vergangenheit prognostiziert. Dann kam die EU-Südosterweiterung und der Zuzug von 20.000 Bulgaren und Rumänen, und die jüngsten Flüchtlingsbewegungen. Die Zuwanderung konnte den Verlust der „natürlichen Bevölkerungsbewegung“ (Geburten - Todesfälle) zeitweise mehr als ausgleichen.

Lebten zum Stichtag 31.12.2017 noch 106.281 Ausländer in Duisburg, waren es ein Jahr später 109.471. Gleichzeitig sank die Zahl der deutschen Staatsangehörigen um fast 2000 Bürger. Eine Entwicklung, die die Integrationsprobleme in der Stadt eher noch verstärken könnte. „Städte wie Duisburg werden von Bund, Land und der EU mit den Folgen der Migration teilweise alleingelassen. Daran muss sich etwas ändern“, macht Linne klar. Er erwehrt sich aber des Eindrucks, dass es etwa im Duisburger Norden zugehe wie im Wilden Westen. „Ich wohne selber am Rande von Marxloh, und wie sie sehen, geht es mir gut“, so Linne, der hinzufügt: „Wir haben Gesetze in Deutschland, die für jeden gelten, völlig egal welcher Nationalität die Person angehört. Wenn wir diese Gesetze anwenden, dann kommen wir auch klar miteinander.“

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Miteinander ins Gespräch kommen und Konsequenzen ziehen, wo die Freiheit des Einzelnen, das Wohl der Gesellschaft gefährdet – das sei die Formel, mit der Integration perspektivisch gelingen könne. Aber es werde Zeit brauchen. „Bei den türkischen Migranten hat es auch eine Weile gedauert, mittlerweile viele ihrer Kinder Abitur“, argumentiert Linne.

120.000 Menschen im Rentenalter

Eine andere Herausforderung für Stadt und Gesellschaft birgt die Tatsache, dass wir immer älter werden. Im Jahre 2040 werden laut IT.NRW 21 Prozent weniger 0 bis 3-Jährige und 16 Prozent weniger 25 bis 40 Jahre alte Duisburger in der Stadt leben. Gleichzeitig werden laut Prognose 20 Prozent mehr über 65-Jährige und 16 Prozent mehr über 80-Jährige im Stadtgebiet leben. Zusammengenommen sind es dann rund 120.000 Menschen im Rentenalter – fast 20.000 mehr als heute.

„Es ist eine gesamtgesellschaftliche Frage, wie wir mit den Herausforderungen, die daraus entstehen, umgehen“ sagt Linne. „Wenn wir nur das günstigste Produkt wollen, dann wird es für echte Nahversorgung immer schwerer“, so der 57-Jährige. Schon heute hätten große Supermärkte stellenweise einen Einzugskreis von mehreren Kilometern: „Von Nahversorgung kann da noch kaum die Rede sein.“ Neben dem Kunden sei aber auch die Kommunalpolitik gefordert, an dieser Stelle mit ihren Mitteln entgegenzusteuern.

Bei Neubauten und Sanierungen etwa steure die Stadt schon gegen, in dem Barrierefreiheit immer zur Voraussetzung für Genehmigungen gemacht werde.