Bottrop. Mit 15 Youtube-Star an der Orgel, mit 24 Master of Music und Organist an berühmten Kirchen: Warum Alexander Grün für die Orgel in Heilig Kreuz schwärmt.

Es gibt sie immer wieder, diese Ausnahmen, die mit Anfang 20 nicht nur eine Nische für sich entdeckt haben, sondern diese auch erfolgreich besetzen. Bei Alexander Grün müsste man eigentlich sagen: bespielen. Denn Grün ist Organist. Ein Instrument, das er seinen Altersgenossinnen und -genossen, den „Millennials“ oder der „Generation Z“ nur mit Mühe schmackhaft kann, oder?

„Es geht, kommt immer drauf an, was man so spielt und wie man es präsentiert“, sagt der gebürtige Osterfelder, Jahrgang 2000, den es schon mit elf Jahren auf den Orgelbock zog. Aber dort, in St. Pankratius, kurz hinter der Bottroper Stadtgrenze, hatte Alexander Grün auch eines der größten und prachtvollsten Instrumente des gesamten Bistums gehört: Die ehemalige Orgel des Limburger Doms, die mit der alten Pankratius-Orgel zu einem riesigen, romantisch disponierten Klangkörper erfolgreich vereint wurde.

Früher Youtube-Star an der Orgel hat später renommierte Lehrer

„Ich war tatsächlich davon hin und weg und wollte seitdem nur Orgel studieren“, sagt der Organist, der dann mit 15 schon Youtube-Star an der Orgel war. Gut wenn jemand weiß, wo das Ziel liegt. Grün macht sich auf den Weg, hatte mit Koryphäen wie dem Franzosen Thierry Mechler, Otto Krämer (beide Köln) und dem legendären Meister der Improvisation, Wolfgang Seifen, viele Jahre Organist der Wallfahrtsbasilika in Kevelaer, auch renommierte Lehrer.

Mit knapp 22 wurde er bereits zweiter Organist an der berühmten Riesenorgel in dem Niederrhein-Städtchen. Derzeit liegt er mit der künstlerischen Abschlussprüfung in Köln (Master of Music) in den letzten Zügen, ist gleichzeitig Musiker an der ehrwürdigen Ursula-Basilika und St. Agnes, der nach dem Dom zweitgrößten Kirche Kölns.

Was hat das nun alles mit Bottrop zu tun? Alexander Grün outet sich beim Treffen in der Kulturkirche sogleich als Fan, nicht nur des „spektakulären 50er-Jahre-Raums“ des Architekten Rudolf Schwarz, sondern auch der Breil-Orgel, die Dank großzügiger Unterstützung der Egon-Bremer-Stiftung und mit Hilfe des Fördervereins jetzt technisch wieder in hervorragendem Zustand ist.

Ein echtes im Original erhaltenes Zeitdokument des Orgelbaus, neobarock, wie man es in den 50er und 60er Jahren favorisierte, doch nicht „schreiend-schrill“, wie viele Exemplare aus dieser Zeit. „Sicher, man kann Schärfe zugeben und dann auch Unterhaltungssound wie mit einer Hammond-Orgel erzeugen.“ Grün demonstriert das sogleich. Und tatsächlich: Es klingt etwas nach Tanzkapelle oder Partymusik der Sixties.

Preisträger ist Kandidat für ein Einweihungskonzert

Und, ja: Der Jung-Profi und mehrfacher Preisträger bekannter Wettbewerbe, der sonst zwischen Bach und der großen französischen Orgelsymphonik mühelos hin- und herschaltet, hatte bereits in Bottrop keine Berührungsängste und spielte im Winter beim Grünkohlessen der Freunde und Förderer des Bottroper Kleinods auf der noch nicht ganz fertig restaurierten Breil-Orgel: U-Musik. Dirk Helmke, Vorsitzender des Fördervereins, gefiel das so, dass er dem jungen Virtuosen sogleich das nun (fast) fertige Instrument präsentieren wollte und ihn möglichst für ein Einweihungskonzert gewinnen möchte.

Vielleicht kann dies zusammen mit Ursula Kirchhoff geschehen, der Kantorin von St. Cyriakus, die damals den Kontakt zu Grün vermittelt hat. Denn: Schließlich hat Heilig Kreuz, wenngleich die Kirche profaniert wurde, immer noch Bindungen an St. Cyriakus als Mutterpfarrei. Dafür käme Alexander dann sogar von Mittelrhein zurück nach Bottrop. Denn im Sommer, wenn er seinen Master in der Tasche hat, übernimmt er in Bingen die Musikerstelle am Weltkulturerbe, der Martinsbasilika.

Hier gut zu erkennen: die denkmalgeschützte zweigeteilte Orgel an den Langhauswänden der Kulturkirche Heilig Kreuz.
Hier gut zu erkennen: die denkmalgeschützte zweigeteilte Orgel an den Langhauswänden der Kulturkirche Heilig Kreuz. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Ist also Heilig Kreuz im Gegensatz den großen, uralten Kirchen seiner bisherigen Wirkungsstätten nur ein kleiner Fisch? „Auf keinen Fall“, widerspricht Alexander Grün. „Ein grandioser Raum, der theologische Gedanken, Architektur und Kunst zusammenführt. Selbst die Orgel, die der berühmte Sachverständige und Folkwang-Professor Ernst Kaller mitkonzipiert hat, nimmt diese Gedanken auf“, schwärmt der 24-jährige Musiker. Zum einen gibt die zweigeteilte Orgel an den Seitenwänden ganz praktisch den Blick frei auf das riesige Meistermann-Fenster.

+++ Wollen Sie keine Nachrichten mehr aus Bottrop verpassen? Dann abonnieren Sie hier unseren WhatsApp-Kanal

„Dann orientierten sich Breil als Orgelbauer und Ernst Kaller aber auch an historischen Vorbildern alter Kloster- oder Domkirchen mit ähnlich angeordneten Instrumenten. Auch hier hat die Teilorgel an der Evangelienseite (links) einen Schwerpunkt gegenüber der Epistelseite, nimmt also, wie die Architektur, Bezug auf die Liturgie, wie sie zur Erbauungszeit der Kirche gefeiert wurde“, sagt der Musiker, der diese Liturgie selbst nie erleben konnte. „Allein sich mit den Gedanken der beteiligten Künstler auseinanderzusetzen, ist an diesem komplett erhaltenen Ort beeindruckend.“ Kein Wunder, dass der Kölner Experte Stephan Pollock und andere das Instrument neben der Kirche selbst als denkmalwürdig einstuften.

Natürlich weiß Alexander Grün um die vielen Gründe für Kirchenschließungen. Aber gerade an so einem exemplarischen wie qualitätvollen Ort muss er dann doch schlucken. „Stellen sie sich vor, es gäbe diesen Förderverein nicht, der sich kümmert, nicht auszudenken.“ Auch deshalb möchte der bekennende Ruhrgebietler zurückkommen, wenn die „letzte Orgelpfeife in Heilig Kreuz frisch intoniert“ ist und ein Konzert spielen – oder gleich eine ganze Orgelnacht mit Gleichgesinnten.

Infos: kulturkirche-heiligkreuz.de.