Bottrop-Kirchhellen. Kältekammern sollen schmerzlindern wirken und das Immunsystem stärken. Ein Selbsttest zeigt, wie sich diese Trendbehandlung anfühlt.
Die Wirkung des Eisbadens, kalten Duschens und allgemeiner temporaler Kälte auf den Körper ist schon lange bekannt. Seit der Antike nutzen Menschen diesen Effekt, um sich abzuhärten und zu regenerieren, indem sie je nach Region in kalten Flüssen, Seen, Ozeanen oder im Schnee baden. Das Phänomen des Eisbadens überdauert bis heute und wird mit teils viralen Clips in sozialen Netzwerken noch populärer.
Die Medizin übersetzte diese Behandlung in Form von Kältekammern in eine für alle ganzjährig nutzbare Form, die heute in vielen modern ausgestatteten Physiotherapiezentren ihren Platz findet. Vor allem Patienten mit Gelenkschmerzen und Sportlern kommt dies zugute. Ein WAZ-Reporter stellte sich im Selbsttest in eine dieser bis auf -110 Grad gekühlten Kammern.
Kryotherapie im Herzen von Bottrop-Kirchhellen
Test-Ort ist das Therapiezentrum Kirchhellen. „Seit knapp 18 Monaten sind wir im Besitz einer Kältekammer“, sagt der Physiotherapeut und Mitinhaber der Praxis, Matthias Timmerhaus. „Wir wenden die Kammer hauptsächlich bei Rheuma-Patienten und als Reha-Behandlung an.“ Timmerhaus ist auch für den Betrieb und die Wartung der Kammer verantwortlich.
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Die Kältekammer steht aus Platzgründen in einem separaten Häuschen im Hinterhof des Therapiezentrums. Neben einer Liege und einer kleinen Garderobe nimmt die Kammer den gesamten Raum ein. Die etwa zweieinhalb Meter hohe, weiße Box mit Glastür bietet gerade genug Platz für eine Person. „Wir empfehlen einzig Patienten mit Platzangst, die Kammer eventuell nicht zu benutzen. Trotzdem ist bei der gesamten Prozedur stets ein Mitarbeiter anwesend“, so Timmerhaus.
„In der Anschaffung kostet eine solche Kammer je nach Modell etwa 75.000 bis 120.000 Euro. Unsere Kammer wird elektrisch betrieben und funktioniert im Grunde wie ein Kühlhaus. Größere Häuser besitzen ganze Kälteräume, in der mehrere Personen gleichzeitig stehen“, so der Physiotherapeut. Die Behandlungspreise in der Praxis variierten, doch generell zahlen Patienten etwa zwanzig bis dreißig Euro pro Sitzung. Auch Patienten des benachbarten St. Antonius-Krankenhauses, das seit letztem Jahr einem neuen Verbund angehört, kämen zur Kältebehandlung.
Gummischlappen, Handschuhe und Mütze schützen den Patienten
„Der Patient stellt sich etwa drei bis sechs Minuten, wir empfehlen in der Regel viereinhalb, bis auf die Unterhose entkleidet in die Kammer. Um die Atemwege und empfindlichsten Stellen zu schützen, zieht der Patient Gummischlappen, Handschuhe und eine Mütze an“, so Timmerhaus. Barfuß bestehe die Gefahr, in der Kammer festzufrieren. Er empfehle ruhig und kontrolliert zu atmen, um nicht in Panik zu verfallen.
Die temporäre Kälte bringe dem Körper viele Vorteile, meint Matthias Timmerhaus: „Zunächst setzt die Kälte die Nervenleidgeschwindigkeit herab. Das nutzen wir, um Patienten mit Gelenkschmerzen auf eine Behandlung vorzubereiten. Die Körperoberflächentemperatur wird auf 15 Grad gesenkt. Das fördert die Durchblutung und die Zellregeneration.“
Das rege den Stoffwechsel an, erhöhe die Sauerstoffsättigung im Blut und verjünge quasi die Zellen. Dies helfe bei Schlafstörungen oder Übergewicht. „Wir behandeln unter anderem Sportler des VfB Kirchhellen und einer lokalen Crossfit-Gruppe regelmäßig in der Kältekammer“, so Timmerhaus. Im Profisport, für welchen es in Bottrop ganz besondere Therapiemethoden wie das Anti-Schwerkraft-Laufband gibt, sei die Kältetherapie schon seit den 90ern fest etabliert, wahlweise mit Kältekammern oder Eisbädern.
Selbsttest bei -110 Grad: So fühlt es sich an, in der Kältekammer zu stehen
Um die Funktionsweise kennenzulernen und einen genauen Erfahrungsbericht bieten zu können, stelle ich als Reporter mich einmal selbst in die Kammer. Fest eingepackt mit Mütze, Handschuhen und Schal über Nase und Mund, aber ansonsten entkleidet, geht es für viereinhalb Minuten in die Eiseskälte. „Im Gegensatz zur kalten Dusche und dem Eisbaden bleibt in der Kältekammer der Schock weg, da die Kammer sehr trocken ist“, so Timmerhaus.
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Durch das Öffnen der Tür kommt Wärme in die Kammer, und die Temperatur steigt auf -80 Grad. Der erste Eindruck ist recht angenehm, und der Kälteschock bleibt aus. Das Zeitgefühl geht verloren, da beim Blick aus der Kammer das Modul neben der Tür, das Temperatur und Zeit anzeigt, nicht zu sehen ist. Von außen erkundigt sich der Physiotherapeut regelmäßig durch Handzeichen nach dem Wohlbefinden des Patienten.
„Es kann jederzeit abgebrochen werden, und die Tür ist von beiden Seiten zu öffnen. Es ist noch nie jemand umgekippt“, so Timmerhaus. Durch die Kälte spannt sich der Körper an. Kleine Eispartikel bilden sich an Augenbrauen und Wimpern. Nach etwa einer Minute fängt der Körper an zu zittern, und es ist schwer, die Atmung ruhig und gleichmäßig zu halten. Die viereinhalb Minuten vergehen ausgesprochen schnell. Beim Verlassen sowie den restlichen Tag fühle ich mich wacher und vitaler als zuvor.