Bottrop. Gina Ottersbach liebt ihren Beruf in der männerdominierten Lkw-Branche. So kämpft sie gegen Vorurteile und lebt als „Trucker Babe“ (Kabel 1).

Regina „Gina“ Ottersbach sitzt auf 460 PS. Die 37-Jährige ist Lkw-Fahrerin und als „Ruhrpott-Girl“ noch Darstellerin in der Fernsehsendung „Trucker Babes“ auf Kabel 1. Lkw-Fahrerin ist ihr Traumjob, doch der Weg dorthin war steinig.

„Ich hatte es schwer am Anfang. Ich dachte, ich schaffe es nicht“, sagt sie. Potenzielle Arbeitgeber würden bei Bewerberinnen besonders skeptisch hinschauen. Das Rollenbild sei häufig klar geregelt: Männer fahren Brummis. Frauen sind in der Branche eine seltene Spezies. Gina schätzt, dass unter 50 Fahrern höchstens zwei Frauen sind.

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Eigentlich kommt sie aus der Pflege, arbeitet jahrelang in einer Demenz-WG. Obwohl sie sich leidenschaftlich um die älteren Damen und Herren kümmert, zieht sie einen Schlussstrich. Zu viel ist die Belastung, zu gering die Personaldichte. „Man kann sich mit den Menschen gar nicht richtig unterhalten oder sich vernünftig um sie kümmern“, sagt Gina und spricht in dem Zusammenhang von „Massenabfertigung“. „Pflege ist eine Herzensangelegenheit. Man muss dafür Zeit haben.“

Regina „Gina“ Ottersbach arbeitete zunächst in der Pflege. Entschied sich dann vor knapp anderthalb Jahren Lkw-Fahrerin zu werden.
Regina „Gina“ Ottersbach arbeitete zunächst in der Pflege. Entschied sich dann vor knapp anderthalb Jahren Lkw-Fahrerin zu werden. © Regina Ottersbach 

Dann trifft sie für sich eine berufliche Entscheidung: „Es ging einfach nicht mehr. Ich konnte das nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren.“ Rückblickend sagt sie zum Berufswechsel: „Das war für mich ein großer Schritt.“

Bottroper Brummi-Fahrerin: „Lkw fand ich schon immer cool“

Ein Neustart muss also her. Schnell weiß sie, was sie will. „Lkw fand ich schon immer cool, große Maschinen, schöne Fahrzeuge“, sagt Gina und hat eine Vorstellung davon, was auf sie zukommt. Ihr Onkel fuhr für eine Möbelspedition, in ihrer Freizeit besuchte sie Truckertreffen mit Freunden. Im November 2022 schafft sie die Führerscheinprüfung für Lkw.

Abschließend sucht sie eine Anstellung und wird zunächst mit Vorurteilen konfrontiert. „Ich glaube, dass viele Firmen einer Frau diesen Job nicht zutrauen“, meint Gina. Dann macht sie schließlich doch ihre ersten Schritte als Lkw-Fahrerin. Inzwischen kann sie, wie sie selbst sagt, mit ihrem 40-Tonnen-Sattelschlepper besser und leichter rückwärts einparken als mit ihrem Pkw.

Seit knapp anderthalb Jahren ist sie nun in ihrem Job. Eine Lektion lernt sie sofort: „Als Frau muss man sich durchsetzen.“ Über die männlichen Kollegen lernt sie, es gibt solche und solche. Die einen hauen dumme (Macho-)Sprüche raus, die anderen geben ihr wertvolle Tipps.

Manchmal muss „Trucker Babe“ Gina beim Kunden einen Helm aufsetzen. Die 37-Jährige transportiert zum Beispiel Stahl oder Lebensmittel.    
Manchmal muss „Trucker Babe“ Gina beim Kunden einen Helm aufsetzen. Die 37-Jährige transportiert zum Beispiel Stahl oder Lebensmittel.     © Regina Ottersbach   

Den Respekt unter den männlichen Kollegen muss sie sich dennoch hart erarbeiten. Ihr Vorteil: Sie ist nicht auf den Mund gefallen, kann sich verbal zur Wehr setzen. Wer ihr krumm kommt, bekommt einen Spruch gedrückt. Wenn es nicht anders geht, stellt sie die Ohren auf Durchzug. Als Frohnatur bekommt sie noch den mürrischsten Lkw-Fahrer weich.

Gina stammt gebürtig aus Gelsenkirchen und wohnt in Bottrop. Kaum jemand kann den Ruhrpott besser verkörpern: ehrlich, bodenständig und hart arbeitend. „Es ist ein Knochenjob“, daraus macht Gina kein Geheimnis. Von Montag bis Freitag sitzt sie am Steuer. Bis zu zwölf Stunden kann ein Arbeitstag dauern – natürlich mit Pausen.

Trucker on Tour: Der Job ist körperlich und mental herausfordernd

Abends ist sie meistens wieder Zuhause. Fernfahrten quer durch Deutschland kommen auch vor. Dann übernachtet sie im Lkw, aber nur an sicheren Orten. Als Frau meidet sie Rastplätze an der Autobahn („Da kann zu viel passieren“).

Gina Ottersbach vor ihrem Truck.
Gina Ottersbach vor ihrem Truck. © Regina Ottersbach

Ihr Job ist nichts für Zartbesaitete. Stundenlang muss sie konzentriert am Steuer sitzen. Neben der mentalen Belastung kommt die körperliche Anstrengung. Mit ihrem Lkw befördert sie Metall, Lebensmittel und viel mehr. „Alles, was unter die Plane passt“, sagt sie. Die Beladung übernimmt der Kunde. Jedoch muss sie vorher gegebenenfalls Antirutschmatten auf dem Auflieger auslegen, später die Gurte fest spannen.

Lkw-Fahrerin und Familienleben: Wie Gina damit zurechtkommt

Hinzu kommt der Zeitdruck, rechtzeitig bei den Kunden anzukommen. Leichter gesagt als getan bei der derzeitigen Baustellenlandschaft auf Deutschlands Autobahnen. Die Erschöpfung ist schon spürbar. „Am Freitag weiß man, was man geleistet hat“, sagt sie. Das Wochenende hat sie frei. Dann schaltet sie mehrere Gänge zurück.

Gina ist Mutter. „Mein Kind soll nicht unter dem Beruf leiden.“ Denn sie fährt nicht nur Lkw. Auch auf dem Videoportal „TikTok“ ist die 37-Jährige aktiv. Ihre dortigen Aktivitäten blieben auch dem Fernsehen nicht verborgen.

Wenn Gina mit ihrem 40 Tonner auf den Autobahnen unterwegs ist, erlebt sie solche Sonnenuntergänge.
Wenn Gina mit ihrem 40 Tonner auf den Autobahnen unterwegs ist, erlebt sie solche Sonnenuntergänge. © Regina Ottersbach 

Deutschlandweit ist sie inzwischen bekannt als „Trucker Babe“. Als sie von den Machern der Fernsehserie für Kabel 1 kontaktiert wird, hält sie die Anfrage zuerst für einen Scherz. Nach Rücksprache mit ihrem Arbeitgeber sagt sie ihre Teilnahme zu. „Mehr als blamieren kann ich mich ja nicht“, meint sie in ihrer unverblümten Art.

Mehrere „Trucker Babes“ aus Deutschland begeistern das Fernsehpublikum mit ihrer Schlagfertigkeit, ihrer Liebe für den Beruf und zeigen, wie sie sich in der Männerdomäne beweisen. Gina wird in ihrem Arbeitsalltag gefilmt. Zuletzt wurde im Dezember gedreht, eine Ausstrahlung steht noch aus.

„Trucker Babe“ Gina aus Bottrop: „Es ist ein Gefühl von Freiheit“

Gina hat den beruflichen Neustart nicht bereut. „Ich würde nichts anderes mehr machen wollen.“ Man sehe viel von der Welt, treffe viele unterschiedliche Nationalitäten. Schön findet sie, die Sonnenaufgänge und die Sonnenuntergänge, die sie aus der Fahrerkabine sieht. „Es ist ein Gefühl von Freiheit.“

Gibt es bald mehr Lkw-Fahrerinnen? „Ich kann die Frauen dazu nur motivieren“, sagt Gina. Wer Auto fahren könne, könne auch einen Lkw fahren. „Man muss sich trauen, und man muss an sich selber glauben. Wenn man nicht an sich selber glaubt, dann schafft man es auch nicht.“ Auch das habe sie in dem Beruf gelernt.