Bottrop. Viele Bottroper Straßennamen erinnern an Personen. Andere funktionieren als Wegweiser. Und dann gibt es die Straßen, die Geschichte erzählen.

Straßennamen sind so selbstverständlich wie die eigene Postleitzahl? Ja, auf den ersten Blick. Aber warum lassen dann Versuche, Straßen umzubenennen, immer wieder in der Stadtgeschichte Emotionen explodieren? Weil sie ein Stück Heimat sind – und oft auch Stadtgeschichte erzählen. Gern erzählen wir ein andermal, warum es den Schrullenkamp nicht mehr gibt, warum der Nordring nicht wirklich im Norden liegt und warum Bottrop ohne Straßen auskommt, die nach Adenauer oder Heinemann benannt sind. Stattdessen lassen wir einige Straßen ihre Geschichte erzählen.

Das Pestkreuz als Erinnerung an die Pest von 1676 steht heute an der Gladbeckerstr. in der Nähe vom Eigener Markt.
Das Pestkreuz als Erinnerung an die Pest von 1676 steht heute an der Gladbeckerstr. in der Nähe vom Eigener Markt. © FUNKE FotoServices | Heinrich Jung

Aegidistraße: Der Heilige Aegidius (640 - 720) ist – wie St. Cryiakus übrigens – einer der 14 Nothelfer und wurde gegen die Pest angerufen, als sie im Mittelalter in Westfalen wütete. 1676 wurde an der Straße eine Kapelle errichtet, in der die Statuen von Aegidius und Rochus schützend ihre Hände über das Kirchspiel Bottrop halten. Nach dem Abbruch der Kapelle wurde dort das Pestkreuz errichtet, das heute an der Gladbecker Straße auf dem Eigen steht.

Alter Postweg: Die Dortmunder sind stolz auf ihren Hellweg. Der Postweg ist mindestens genau so alt. Er verband die Nordsee über Münster und Duisburg mit Marseille. Seit dem 16. Jahrhundert waren hier die „Münsterschen reitenden Boten“ unterwegs, seit 1722 die „Münstersche Fahrpost“. Goethe erlebt auf ihm eine ungemütliche Nacht am 6. Dezember 1792 auf dem Weg von Düsseldorf nach Münster.

Armelerstraße: Über den Armeler Hof, der der Straße seinen Namen gab, kann Stadtarchivarin Heike Biskup unterhaltsam und stundenlang erzählen. Machen wir es kurz: Er ist vermutlich älter als Bottrop und wurde um das Jahr 800 herum dem Kloster Werden geschenkt.

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Buchenstraße: Hier stand Beckfelds Buche, ein mächtiger Baum mit einer Krone von 25 Metern Durchmesser. Sie wollte Alfred Krupp unbedingt in seinen Park holen, als er von 1870 bis 1873 die Villa Hügel und den Hügelpark in Essen anlegen ließ. Aber, so heißt es in einem Bericht: „Aus Ehrfurcht vor diesem Baumriesen ließ der Kanonenkönig von seinem Vorhaben ab.“ Pech für die Buche übrigens: Sie wurde wenige Jahre später von Blitz und Sturm gefällt.

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Cyriakusplatz: Den gibt es gar nicht, im Stadtplan steht schlicht „Kirchplatz“. Hier stand schon vor 1150 eine Kirche. Der Name des Heiligen taucht allerdings erstmals 1425 in Bottrop auf: graviert in die Kirchenglocke, die bis heute am Rathaus steht.

Warum der Heilige um diese Zeit auftaucht, dafür hat der 2012 verstorbene Dompropst Werner Dürdoth diese Erklärung: Zunächst habe die Gemeinde das Patronat der Muttergemeinde St. Pankratius in Osterfeld übernommen. „In den Namen Pankratius und Cyriakus steckt die gleiche Bedeutung: ,Pantokrator’ und ,Kyrios’ bedeuten beide: Herr der Welt.“ Im Mittelalter sei das Patronat personalisiert worden: „Heiligenfiguren erklärten all denen den christlichen Glauben, die zwar nicht lesen, aber Bilder ansehen konnten. Wohl wegen der mittelalterlichen Vorliebe für Figuren in Bildern blieben wir nicht eine Kyrios-Gemeinde, sondern eine Gemeinde mit einem Heiligen als Namens- und Schutzpatron.“

Der historische Brunnen am Döckelhorst.
Der historische Brunnen am Döckelhorst. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Döckelhorst: Er markiert eine weitere Keimzelle der Stadt. Er liegt im Gemeindeland (der Mark) des Edlen von Welheim, der 1230 seinen Besitz dem Orden der Deutschritter vermachte. So entstand die Kommende Welheim, über Jahrhunderte größter Grundbesitzer im Südosten des heutigen Bottrops. Der Straßenname bedeutet übrigens schlicht: Dachsbau.

Donnerberg: Zu diesem Namen gibt es eine hübsche Legende. Der Teufel soll sich in dieser trostlosen Landschaft so gelangweilt haben, dass er sich ein paar Kumpel aus der Hölle holte und mit Findlingsblöcken Ball spielte. Daraus sollen die sieben Bottroper Hügel entstanden sein, darunter der Donnerberg, der Vonderberg und der Ortberg.

Diese Straße erinnert an die historische Furt durch die Emscher zwischen Ebel und Bottrop.
Diese Straße erinnert an die historische Furt durch die Emscher zwischen Ebel und Bottrop. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Giesenfort/Lichtenhorst: Bevor es zwischen Bottrop und der Ebel-Kolonie auf der Emscherinsel die „Fünf-Pfennig-Brücke“ über die Emscher gab, konnten Menschen durch diese Furt in der Emscher nach Borbeck gelangen. „Giesen“ hießen früher Buchen, und durch diesen Wald wurde die Straße Lichtenhorst („Gelichteter Wald“) nach Bottrop geschlagen.

Woher Bottroper Straßen ihre Namen haben: Bergbau und Natur

Mühlenflötte: Einer von vielen Namen aus der Bergbaugeschichte, erfunden vom Karnaper Bergwerkskonzern Matthias Stinnes. Die Mühlenflötte war ein längst verschwundener Bach, der einst die Grenze zwischen der Boy und Karnap markierte und am Schloss Welheim eine Wassermühle antrieb.

Randebrockstraße: Auch eine der Bottroper Vorzeigeadressen ist benannt nach einem Bach, den es so nicht mehr gibt. Er findet sich schon auf der Mercator-Karte vom „Bischofs Sundern“ von 1579 als „Randebroicksbecke“. Heute plätschert er dort als Vorthbach.

Beliebter Wanderweg am Bischofssondern: der Schlehenkamp.
Beliebter Wanderweg am Bischofssondern: der Schlehenkamp. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Schlehenkamp: Der Wanderweg an der ehemaligen Jugendherberge am Bischofssondern ist benannt nach einem Dornbusch mit einer pflaumenartigen Frucht, der auch ein Ureinwohner der Kirchheller Heide ist: der Schlehdorn. In Kirchhellen brennen sie bis heute aus Schlehen den Schnaps: „Kirchbube“ . Heute ist der Schlehenkamp Teil der Wanderroute „Klompenweg“. Der Name sagt es schon: Er führt vom Niederrhein mach Holland.

Weilbrock: Dieser Flurname in der Boy stammt aus dem Jahr 1653 von Rutger von Leggewey, Besitzer des seit 1584 nachgewiesenen gleichnamigen Hofes. Der Name bezeichnet ein sumpfiges Waldstück und meint damit genau dasselbe wie der Flurname „Wellbrauck“ in Kirchhellen. Die alten Bottroper schrieben für Sumpf „Bruch“ oder „Brock“, die Kirchhellener „Brauck“ oder „Bräuke“.

Die selbsterklärenden Straßennamen

Viele Bottroper Straßen wurden nach den alten Flurnamen benannt. In Zechensiedlungen heißen Straßen nach Flözen und Schächten. Dazu hat Bottrop sein Dichter- und sein Philosophenviertel, Grafenwald seine Handwerkerstraßen, Kirchhellen seine Vogelsiedlung.

Einige große und alte Straßen und Plätze haben ihren Namen nach ihren Funktionen (Pferdemarkt, Am alten Kirchplatz) oder dienen damals wie heute als Wegweiser in die Nachbarstädte. Niemand muss fragen, wohin die Essener, die Borbecker, die Bottroper oder die Kirchhellener Straße wohl führen.