Bottrop. Von der alten Pestkapelle blieben nur zwei Heiligenfiguren erhalten. Sie stehen nun in Liebfrauen. Das Pestkreuz kam 1907 an die heutige Stelle.
Es gibt ältere Kreuze auf Bottroper Stadtgebiet. Aber das Pestkreuz an der Gladbecker Straße fast beim Eigener Markt hat sicherlich die turbulenteste Geschichte von allen. In Zeiten der Corona-Epidemie scheinen sich zudem mehr Bottroperinnen und Bottroper an die alte Christusdarstellung zu erinnern. Es brennen mehr Kerzen als normalerweise üblich vor dem Pestkreuz und manchmal sind auch Blumen zu entdecken, die Gemeindemitglieder der Liebfrauenkirche auf dem Eigen dort niederlegen. Im vierten und letzte Teil der Wegekreuz-Serie der WAZ dreht sich daher fast alles um die Ereignisse auf dem Eigen.
Anwohner bringen Kerzen und Blumen
Besonders in der Osterzeit erinnert die Initiative „Rettet Liebfrauen“ an die Geschichte dieser alten Station auf ihrer Fronleichnamsprozession. Dass dieses Kreuz aber 1850 als Ersatz für eine uralte Pestkapelle errichtet wurde, wissen vielleicht nur noch die wenigsten. Das etwa sechs Quadratmeter große Kapellchen soll wohl auf das Jahr 1676 zurückgehen, als die Pest in Bottroper noch einmal mit großer Wucht ausbricht, wie auch Emil Heinrichsbauer in seiner Schrift“Kapellen, Wegekreuze und Bildstöcke in Alt-Bottrop“ erwähnt. Geweiht ist sie dem Heiligen Rochus, dem Schutzpatron gegen Pest und Seuchen, sowie dem Heiligen Ägidius, der ebenfalls unter anderem bei Seuchen „zuständig“ ist.
Nach dem Abriss im 19. Jahrhundert gelangen die Figuren in die neue Liebfrauenkirche, wo sie bis heute stehen. Beide Holzfiguren stammen wohl aus dem 15. Jahrhundert. Das bedeutet, dass es auf dem Eigen bereits eine ältere Kapelle gegeben hat oder die Figuren aus der Cyriakuskirche (oder einer anderen Kapelle) dorthin gebraucht wurden. Dass der Eigener Ägidius kunstgeschichtlich auch ein Antonius sein kann, macht die Sache nur noch spannender.
Die Serie auf einen Blick:
Wenn heute in Corona-Zeiten Gottesdienste abgesagt werden, stellt sich gerichtlicherseits die Frage nach der Verhältnismäßigkeit oder dem Recht auf freie Religionsausübung. Bei der letzten Bottroper Pestepidemie vor 344 Jahren geht es tumultartiger zu. Der Ausbruch der Seuche hat für die damaligen Menschen viele Gründe und Krankheit jeglicher Art wird oft als Strafe Gottes angesehen. Als 1676 die Pest erneut in Bottrop aufflackert, meint man rasch, die Ursache dafür gefunden zu haben: Die Gemeinde hatte einige Zeit zuvor die große Prozession, die traditionell am zweiten Pfingsttag gehalten wurde, abgeschafft - oder so verkürzt, dass von „groß“ keine Rede mehr sein kann.
Sensationstourismus vor 300 Jahren
Der damalige Pfarrer von St. Cyriakus hat den einstmals 12 Stunden dauernden Umgang entlang der Kirchspielgrenzen gekappt. Als dann die Pest ausbricht, glaubt man, den Grund für Gottes Zorn gefunden zu haben: Es gibt keine Prozession mehr. Alte Chroniken berichten: „Gesunde und blühende Menschen fielen plötzlich unter dem Schnitt des Sensenmanns, in den Ställen sackte das Vieh vor den Trögen tot zusammen.“ Gott hat anscheinend also Bottrop für das mutwillige Einstellen der Prozession gestraft. Einwohner und der neue Pfarrer treffen Gegenmaßnahmen.
Mit Kreuz und Fahnen zieht man wieder von morgens 5 bis nachmittags 5 Uhr durch die Felder. Die Pest weicht. Der Streit um die Prozession schwelt aber weiter. Der nächste Pfarrer will wieder nur eine kleine Prozession. Das Dorf ist gespalten. Der Streit eskaliert Pfingsten 1683. Man spricht in den Nachbargemeinden schon von einer Bottroper Prozessions-Revolution und reist neugierig an. Sogar Polizei aus Dorsten wird abkommandiert. Es kommt natürlich zum Eklat. Ein Teil der Prozession setzt sich am Randebrock Richtung Kirche in Bewegung. Die Bauern aus Welheim, Boy und Eigen reißen die Fahnen an sich und ziehen weiter den alten großen Weg.
Später entscheidet die vestische Obrigkeit, der Beschwerde der frommen Bauern statt zu geben. Das Urteil: Die Prozession muss auf dem großen Weg ziehen. Diese Tradition hält sich bis ins 20. Jahrhundert. 1907 versetzt man das Kreuz an die heutige neben der Volksbank auf der Gladbecker Straße.
Wegekreuz-Serie endet
Dieser vierte Teil der Serie über Wege- und Hofkreuze in Bottrop ist nicht als Parcours angelegt. Die Stationen liegen zu weit auseinander. Erinnert sei hier allerdings neben dem Pestkreuz an das alte Allermannsche Hofkreuz (Hans-Böckler-Straße/alte Stadtgärtnerei), das 1983 neue errichtete Kreuz an der Hebeleckstraße (Nähe Alpincenter) sowie an das Kraneburgsche Hofkreuz in der Boy.