Bochum. Die Zahl ausländischer Firmen in Bochum nimmt zu. Zwölf von ihnen haben chinesische Eigentürmer. Droht womöglich ein technologischer Ausverkauf?
Kelvion, CGI, Doncasters Precision. Viele internationale Unternehmen sind in Bochum zu Hause. Sie gehören zu einer schwedischen Beteiligungsgesellschaft (Kelvion), zu einem kanadischen Konzern (CGI), zu einer Beteiligungsgesellschaft der Arabischen Emirate (Doncasters). Es sind nur drei von vielen Firmen, deren Eigner keinen deutschen Pass besitzen und/oder deren Muttergesellschaft im Ausland registriert ist.
In und rund um Bochum wächst das ausländische Gewerbe am stärksten
Von einer weiteren Internationalisierung der Wirtschaft im Ruhrgebiet berichten die Industrie- und Handelskammern im Revier. Dabei sei das Wachstum ausländischer Gewerbe im Mittleren Ruhrgebiet mit Bochum im Zentrum sogar am größten. Die Zahl der im Handelsregister (HR) eingetragenen ausländischen Unternehmen hier ist zwischen 2016 und 2022 um 88 Prozent auf 422 Firmen gestiegen.
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Zwölf Unternehmen in Bochum gehören chinesischen Eigentümern. Und drei von ihnen haben eine beträchtliche Größe. Die Bochumer Verein Verkehrstechnik (BVV) wurde 2016 von der Georgsmarienhütte Holding an den chinesischen Staatskonzern Full Hill Limited Enterprises verkauft. 500 Mitarbeiter hat der BVV.
Seit 2017 ist die Brock Kehrtechnik GmbH, die 2020 von Witten ins Gewerbegebiet Robert Müser in Werne gezogen ist, eine 100-prozentige Tochter des chinesischen Mutterkonzerns Beiqi Foton Motor Co. Ltd. 140 Beschäftigte gibt es in Bochum.
Ausländisches Kleingewerbe nimmt zu
Neben den im Handelsregister (HR) geführten Unternehmen gibt es eine wachsende Zahl von ausländischen Kleingewerben (KGT). Das stärkste Wachstum in den vergangenen sechs Jahren haben dabei syrische KGT verzeichnet, ihre Zahl hat sich im Ruhrgebiet fast verzwanzigfacht (2438).
Auch in Bochum spielen sie eine große Rolle. 368 syrische KGT gibt es in der Stadt. Hinter türkischen KGT (390) ist das der zweitgrößte Anteil vor Polen (218).
Klassische Branchen für ausländische Kleingewerbe sind, so die IHK, der Einzelhandel und die Gastronomie. Diese Firmen „beleben nicht nur die Innenstädte, sondern bilden den Kern der Unternehmerschaft vor Ort“, sagt IHK-Referatsleiter Dominik Stute.
Und im vergangenen Jahr ist das Bochumer Start-Up Phenox, ein weltweit führender Anbieter von Stents und Implantaten gegen Schlaganfälle, an das amerikanisch-chinesische Unternehmen Wallaby Medical gegangen. Zur Belegschaft gehören 300 Mitarbeiter.
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Bochumer-Verein-Muttergesellschaft baut Werk in China
Diese Übernahmen reihen sich ein in eine Liste zahlreicher Verkäufe an chinesische Investoren – auch über das Ruhrgebiet hinaus. Und: Sie führen allmählich zu Argwohn und zu Sorgen vor einer großen Abhängigkeit von China. „Die kontinuierliche Steigerung des Handelsvolums mit China muss uns nachdenklich stimmen“, sagt etwa André Stinka, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion.
Argwohn ist auch in Bochum aufgekommen. Galt Full Hill Enterprises bei der Übernahme des BVV noch als Retter, änderte sich später das Bild. Vor allem der Aufbau einer eigenen Produktion von Rädern und Radsätzen für Hochgeschwindigkeitszüge lässt Raum für Spekulationen. Wird die Herstellung dieser Hightech-Produkte über kurz oder lang in Bochum wegfallen, weil BVV den größten Absatzmarkt Chinas sozusagen vor der eigenen Haustür bedienen kann?
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China-Kompetenz-Zentrum für das Mittlere Ruhrgebiet
Dabei galt China als großer Hoffnungsträger – auch im Raum Bochum. 2019 haben die Wirtschaftsförderung Herne, die IHK Mittleres Ruhrgebiet und die Hochschule Bochum das China-Kompetenz-Zentrum gegründet. Das Ziel sollte es sein, die wirtschaftlichen Kooperations- und Innovationspotenziale zwischen China und dem mittleren Ruhrgebiet zu entwickeln. Allerdings: Coronabedingt ist die Arbeit des Kompetenzzentrums in den Kinderschuhen steckengeblieben, wie es heißt.
Die meisten ausländischen Firmen in Bochum kommen aus Luxemburg
Die Sorgen von einem technologischen Ausverkauf deutscher „Hidden Champions“ nach China sehen die Autoren der Studie „Chinesische Investitionen im Ruhrgebiet: Eine Chance für den Strukturwandel?“ von der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen indes nicht. Ein krisengeplagtes Unternehmen wie etwa Schwing aus Herne könne nach zehn Jahren chinesischer Beteiligung ein positives Fazit ziehen, so Alessio Giustolisi und Judith Terstriep 2020.
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Chinesische Unternehmen werden in Bochum in der Liste ausländischer Firmen auf Platz sieben geführt. Die meisten ausländischen HR-Unternehmen kommen aus Luxemburg (41). Dahinter folgen Großbritannien (38) und die Niederlande (33) vor den USA (28), Österreich (17) und Frankreich (14).