Bochum. Mit Martin Paul hat die Ruhr-Uni einen neuen Rektor. Er hat lange in den Niederlanden gelehrt – und will u. a. die flachen Hierarchien mitnehmen.
Vier Frauen und zwei Männern führen die Ruhr-Universität Bochum (RUB) durch die kommenden sechs Jahre. Die Amtszeit des neuen Rektorats hat am 1. November begonnen, kurz zuvor wurden drei Prorektorinnen und ein Prorektor gewählt. Sie stehen Kanzlerin Christina Reinhardt unddem neuen Rektor Prof. Martin Paul zur Seite, der zuvor zehn Jahre Präsident der Universität Maastricht in den Niederlanden war. Der 63-Jährige erzählt im Interview mit WAZ-Redakteurin Carolin Rau, welchen Themen er sich widmen möchte.
Sie haben bereits in verschiedenen Städten und Ländern gelehrt. Wie kommen Sie nun nach Bochum?
Das hatte ich tatsächlich gar nicht vor. Ich wurde irgendwann Anfang des Jahres angerufen, ob ich Interesse habe. Meine spontane Antwort war: „Nein, mir geht es gut in Maastricht.“ Aber man hat mich dann gebeten, doch einmal mit den Leuten in Bochum zu reden und ich hatte ein sehr anregendes Gespräch mit einer Kommission der Ruhr-Universität, sodass ich es mir doch noch anders überlegt habe.
Was konnte Sie schließlich überzeugen?
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Erstens wollte ich in Deutschland gerne noch einige Strategien aus den Niederlanden anwenden, die ja ein relativ modernes Universitätswesen haben. Und zweites dachte ich mir nach zehn Jahren als Präsident der Universität in Maastricht ist es ein guter Zeitpunkt, noch mal etwas anderes zu machen. Reif für die Pension fühle ich mich noch nicht. Ich hätte mich nicht für jede Universität entschieden, aber Bochum ist eine noch junge Universität und als Reformuniversität gegründet worden. Um etwas zu verändern, ist das hier eine gute Station.
Das klingt so, als wenn Sie viel vorhaben. Was zum Beispiel?
Ein wichtiges Thema ist die Internationalisierung. Das Ruhrgebiet ist als Metropole interessant, auch für internationale Studierende sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Derzeit sind immerhin 350 internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hier zu Gast – trotz Corona. Die Universität ist gut vernetzt, das weiter auszubauen ist wichtig. Mit Universitätsallianz Ruhr – zusammen mit der Technischen Universität Dortmund und der Universität Duisburg-Essen – gibt es jetzt ein neues Projekt, bei dem wir uns gemeinsam wichtigen Themen widmen.
Was wollen Sie außerdem fördern?
Wir wollen uns einer Reihe von großen Themen widmen. Es geht um Nachhaltigkeit: Wie können wir dafür sorgen, eine Industrieregion in eine nachhaltige Region zu wandeln? Das dritte große Thema ist die Digitalisierung.
Seit dem 1. November gibt es ein Prorektorat für Diversität und Talententwicklung – das gab es auf Rektoratsebene hier noch nie.
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Das macht das Thema zur „Chefsache“. Das Ziel ist, Diversität noch deutlicher in die Universitätsstrategie zu integrieren. Da geht es einerseits um Männer und Frauen, aber andererseits auch um Religionszugehörigkeit, ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung, Menschen in verschiedenen Lebensphasen oder mit Behinderungen. Ein Beispiel ist: Ist dieser Campus für Menschen im Rollstuhl gut zugänglich – oder müssen wir da noch was tun? Es gilt außerdem, die Talente in den verschiedenen Bereichen gezielter zu fördern. Wenn Sie an anderen Universitäten nachschauen, dann heißen die Studierenden oft Müller, Meyer, Schmidt. Das Besondere bei uns ist, dass es hier Menschen mit ganz unterschiedlichen – nicht nur typisch deutschen- Nachnamen und Biografien gibt – auch da ist die Ruhr-Universität diverser als andere.
Sie haben einige Jahr ein den Niederlanden gelehrt. Was nehmen Sie mit?
Flache Hierarchien! Die Niederlande sind ein Land, in dem die Universitäten viel kommunikativer gestaltet sind. Zweitens denke ich, dass Forschung und Lehre dort eine bessere Balance haben. Lehre hat in den Niederlanden einen sehr großen Stellenwert und einen ausgezeichneten Ruf, was auch an der besseren Finanzierung liegt.
Aber daran können Sie ja so erst mal nichts ändern.
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An der Finanzierung kann ich nichts ändern, aber man kann mit den Kolleginnen und Kollegen schauen, was unter den hiesigen Rahmenbedingungen möglich ist. Das ist gerade an einer so großen Universität eine Herausforderung, aber wir haben eine sehr gute Prorektorin für Studium, Lehre und akademische Angelegenheiten, die sich diesem Thema engagiert widmet.
Was gefällt Ihnen an Bochum?
Ich bin ein Mensch, der eine urbane Umgebung mag. Ich wohne noch in Maastricht, das ist natürlich eine wunderschöne kleine Stadt, die durchaus auch ihre Werte hat. Aber Bochum hat ein bisschen was Raues, das mich anspricht. Ich war lange in Berlin und es gibt durchaus Bereiche hier, die mich daran erinnern. Ich bin auch ein großer Kulturfan und gehe gerne ins Museum, auf ein Konzert, ins Theater. Das ist in Maastricht nicht so gut zu realisieren. Bochum ist ein guter Kompromiss zwischen dem, was ich in Sachen Lebensqualität in den Niederlanden und in Deutschland kennengelernt habe.
Zur Person: RUB-Rektor Martin Paul
Der gebürtige Saarländer Martin Paul, Jahrgang 1958, war von 2011 bis 2021 Präsident der Universität Maastricht in den Niederlanden. Seit 2016 gehört er dem Expertengremium der Deutschen Exzellenzstrategie an. Von 1997 bis 2008 war er Professor und Institutsleiter für Klinische Pharmakologie und Toxikologie an der Freien Universität Berlin.
Als Wissenschaftler hat er zahlreiche Publikationen in seinem Fachgebiet veröffentlicht; seit einigen Jahren befasst er sich vor allem mit Hochschulstrategie und der Etablierung innovativer Strukturen für Forschung und Lehre.
Martin Paul hat von 1978 bis 1985 Humanmedizin in Heidelberg studiert und dort promoviert und habilitiert. Weiterhin ist er Facharzt für Klinische Pharmakologie und Hypertensiologe (Bluthochdruckexperte). Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
Sie haben eine Zweitwohnung in Bochum: Haben Sie sich hier schon gut eingelebt?
Ich bin vor einem halben Jahr gewählt worden und mir war es wichtig, dass ich etwas Anlaufzeit habe, um mich vor meinem Dienstantritt einzuarbeiten. Das ist gut geglückt. Ich habe vorher mit allen Fakultäten virtuelle Treffen gehabt. Ich habe mit ganz viele Leute in der Universität und auch in der Stadtpolitik gesprochen, sodass ich mich nicht als totaler Anfänger fühle. Das ist natürlich wichtig.
Stichwort Corona: Steigende Zahlen lassen bei vielen Studierenden die Angst wachsen, dass es bald wieder keine Präsenzlehre gibt. Können Sie da Sicherheit geben?
Wir sind eine öffentliche Einrichtung und natürlich auch abhängig von den Corona-Verordnungen. Wir haben aber auch gesehen, dass die vergangenen drei Semester für Studierende und auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinsichtlich der psychologischen Situation sehr schwierig waren, weil eben alles nur online war. Wir haben eine viel höhere Impfquote als im Durchschnitt der Bevölkerung und versuchen unter den Bedingungen, unter denen wir handeln können das was möglich ist auf dem Campus zu gestalten. Unter dem Motto: So sicher wie möglich, so offen wir nötig.