Bochum. Die Evangelische Hochschule und die Hochschule Bochum feiern in diesem Jahr 50. Geburtstag. Beim Blick zurück zeigt sich eine spannende Historie.
Ältere Männer mit schwarzer Hornbrille, Anzug und immer derselben Frisur und Figur stehen in Hörsälen ebenfalls vor Männern – nur deutlich jünger. Wenige Kilometer entfernt sitzen fast nur junge Frauen in einer zweiten Hochschule, doch auch dort sind es wieder ausschließlich Männer, die lehren. Wir schreiben die 1970er Jahre. Die Hochschule Bochum und die Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum sind gerade gegründet. In diesem Jahr feiern sie Geburtstag – und blicken zurück auf 50 Jahre Geschichte. So wie damals ist es schon lange nicht mehr.
1. August 1971: Geburtsstunde der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Bochum
Im Zuge des Wirtschaftswunders war die Industriegesellschaft rasant ausgereift. Unternehmen fragten zunehmend praxisorientierte und zugleich höher qualifizierte Arbeitskräfte nach. Deutlich wurde: Es fehlte ein akademischer Mittelweg zwischen Universität und der klassischen Berufsausbildung. Das wurde im Ruhrgebiet noch notwendiger als in anderen Regionen Deutschlands.
Auch interessant
Drei Vorgängereinrichtungen schlossen sich so zur Fachhochschule Bochum zusammen: die 1949 gegründete Höhere Wirtschaftsfachschule sowie die 1964 eröffnete staatliche Ingenieurschule für Maschinenwesen und staatliche Ingenieurschule für Bauwesen in Recklinghausen.
Auch die Kirche erkannte in dieser Zeit, dass ein staatlicher Bildungsreformprozess eine Chance bot: Die Ausbildung sozialer Berufe sollte auf eine akademische und methodische Grundlage gestellt werden. So bildete sich aus mehreren höheren Fachschulen die größte, protestantisch geführte Fachhochschule in Deutschland: die Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe.
Die historischen Wurzeln reichen bis ins Jahr 1836 zurück. Die neue Fachhochschule befand sich zunächst an drei Zentren in Bochum, Bielefeld und Düsseldorf – mit 650 Studierenden und 36 Lehrkräfte. In den 1980er Jahren wurde schließlich Bochum zum ausschließlichen Standort.
Verteilung der Geschlechter auf beide Hochschulen bleibt
Auch interessant
Noch heute – 50 Jahre später – erkennt man eine eindeutige Verteilung der Geschlechter auf die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Während an der Hochschule Bochum überwiegend junge Männer studieren, gibt es an der Evangelischen Hochschule viel mehr Frauen. Der Grund: Während Männer sich eher Bereiche wie Ingenieurwesen oder Wirtschaft zu entscheiden scheinen, wählen Frauen die sozialen Studienfächer.
Hochschule und Evangelische Hochschule im Wandel der Zeit
An der Hochschule Bochum studieren im Jahr 2021 8200 Personen (1971: 2300). Die Evangelische Hochschule hat rund 2600 Studierende (1971: 650, 306 davon in Bochum).
Beide Hochschulen hatten zuerst den Titel Fachhochschule – das hat sich 2007 bzw. 2016 verändert.
Fachhochschulen haben kein Promotionsrecht, durch eine Kooperation mit dem Graduierteninstitut NRW mit Sitz an der Hochschule Bochum wird die Promotion seit 2016 aber deutlich einfacher.
Durch die Bologna-Reform wurden seit 2002 Diplom- durch Bachelor- und Masterabschlüsse ersetzt. Es ist eine europaweite Vereinheitlichung, durch die der Zusatz FH beim Diplom wegfällt.
Ihren gesellschaftlichen Beitrag sehen die Hochschulen bei der Gestaltung des sozio-ökologischen Wandels – durch technische und soziale Innovationen.
„Wir versuchen, dem entgegenzuwirken“, sagen Prof. Jürgen Bock, Präsident der Hochschule Bochum, und Prof. Sigrid Graumann, Rektorin der Evangelischen Hochschule. Präsidien werden ausgeglichen gefüllt, beispielsweise im Studiengang „Nachhaltige Entwicklung“ an der Hochschule sei das Verhältnis annähernd 50:50. Auch in den einzelnen Studiengängen sei man bemüht, Studierende des jeweils anderen Geschlechts zu werben, teils klappe das schon gut.
Eins haben beide Hochschulen gemein – im Vordergrund stand lange die Lehre und weniger die Forschung. Seit etwas mehr als zehn Jahren hat sich das verändert. „Wir wollen weiter gut ausbilden. Die Forschung hat aber einen anderen Stellenwert bekommen“, so Graumann.
Die Hochschulen legen viel Wert auf Anwendungsorientierung – mit Blick auf mittelständige Betriebe, Nachhaltigkeit in Lehre und Forschung sowie auf die Sozialwirtschaft und Zivilgesellschaft: „Die Forschung betrifft Probleme, die wir in der Praxis erkennen“, erklärt Bock. Es gehe darum, vielseitige gesellschaftliche Herausforderungen zu lösen, oft in Zusammenarbeit mit Praxispartnern.
Hochschulen unterscheiden sich in vielen Punkten von Universitäten
Doch was unterscheidet die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, die deutschlandweit immerhin 40 Prozent der Studierenden ausbilden, von den Universitäten? Bock erklärt: „Wir haben zum Beispiel nicht so hierarchische Strukturen und überschaubare Gruppengrößen. Die Türen stehen hier auf, die Wege sind kurz.“ Hinzu komme, dass der Anteil an Erstakademikern hoch ist, und: „Wir haben viele Studierende mit mittlerer Reife oder Fachabitur“, erklärt Graumann für die Evangelische Hochschule. Ein wichtiger Punkt bezüglich des Strukturwandels im Ruhrgebiet. Auch an der Hochschule Bochum sei der Anteil an Nicht-Abiturienten höher.
Auch interessant
Eine große Aufgabe der Zukunft wird für beide Hochschulen die Digitalisierung. „Wir wollen Präsenzhochschule bleiben, gleichzeitig schauen wir aber, welche digitalen Formate sich bewährt haben“, erklärt der Präsident der Hochschule Bochum. Auch die Lehrinhalte sollen den Herausforderungen der Digitalisierung angepasst werden. Ein weiterer Aspekt der Hochschule ist die Nachhaltigkeit. Die Evangelische Hochschule will noch internationaler werden und tief gehender forschen.
In diesem Jahr wird nun erst einmal der 50. Geburtstag gefeiert. Wie genau, das ist coronabedingt noch unklar. Große Feierlichkeiten waren gewünscht, wurden aber schon verschoben. Nun heißt es abwarten und hoffen, dass ein halbes Jahrhundert Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Bochum angemessen gewürdigt werden können.
Die ganze Chronik zu 50 Jahren Hochschule Bochum sowie den Jubiläumsfilm gibt es hier: www.hsbo50.de. Viele Informationen zur Evangelischen Hochschule gibt es hier: www.evh-bochum.de.