Düsseldorf/Duisburg. Die Hochschulen in NRW rätseln, wie sie mit internationalen Studierenden ohne offiziellen Impfschutz umgehen sollen.

Längst geimpft und doch kein Zutritt zum Hörsaal? Tausende Studierende sowie Forscherinnen und Forscher aus dem Ausland stehen vor Problemen, weil die Vakzine, mit denen sie immunisiert wurden oder die Impfzertifikate, die sie vorzeigen, in NRW nicht zählen. Gäste aus China, oftmals geimpft mit dem chinesischen „Sinovac“ sowie Russen sind betroffen, aber auch Ungarn, die das russische Vakzin „Sputnik V“ bekommen haben.

Die Wahl: Impfen oder Testen

Im Grund gibt es für sie nur zwei Möglichkeiten in einem Präsenzsemester mit „3G“ (Zutritt für Geimpfte, Genesene und Getestete) zurechtzukommen: Erneut impfen oder täglich (und ab Mitte Oktober kostenpflichtig) testen lassen. Eine Zumutung. Die TU Dortmund und andere Hochschulen prüfen, ob sie diesen internationalen Studierenden sowie Menschen, die sich nicht impfen lassen können, zum Beispiel Personen mit bestimmten Vorerkrankungen, kostenlose Tests anbieten können.

„Die ,Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung‘ regelt, dass nur diejenigen als geschützt gelten, die mit einem in der EU zugelassenen Impfstoff aus der Liste des Paul-Ehrlich-Instituts geimpft sind. Sputnik und Sinovac sind nicht darunter, das heißt, mit einer solchen Impfung allein erfüllt man in ganz Deutschland den 3G-Status nicht“, sagte Eva Prost, Sprecherin der Technischen Universität (TU) Dortmund, dieser Redaktion. Mehrere Hochschulen prüfen daher die Möglichkeit kostenloser regelmäßiger Tests für diese Studierenden.

Studentin aus Russland würde sich nachimpfen lassen

Gleb Krat und Elvira Sinitcyna aus Russland gehören zu den Betroffenen. Krat wurde schon im März mit Sputnik-V geimpft. Auch Sinitcyna gilt in Russland als voll geimpft. Beide wollen zum Wintersemester an der Uni Duisburg-Essen ein Auslandssemester beginnen.

Elvira Sinitcyna (21) stammt aus Khabarovsk, wo sie Übersetzungstheorie sowie Deutsch und Englisch studiert. Sie wurde aus Austauschstudentin für ein Semester eingeladen. „Es ist mein Traum, in Deutschland zu studieren, das Land zu sehen und zu fühlen mit meinen eigenen Augen, meiner Seele“, schreibt sie per Mail. Würde sie sich erneut impfen lassen? „Natürlich!“, sagt sie. Ihr Eindruck sei, dass es sinnvoll sei, sich alle sechs Monate nachimpfen zu lassen, um gegen Covid-19 geschützt zu sein.

Student fürchtet die hohen Kosten für regelmäßige Tests

Die Regeln in Russland seien nicht so streng wie in Deutschland: Das Leben in Bars und Cafés etwa laufe wie vor der Pandemie. Elvira ist froh darüber, denn „ohne soziale Kontakte kann man auch krank werden“. Deshalb hofft sie auf die Chance, „offline“ in Duisburg studieren zu können.

Gleb Krat (20) studiert Deutsche Sprache und Kultur. Seine Uni in Blagoweschtschensk hatte ihm angeboten, im Rahmen der „Germanistischen Institutspartnerschaft“ ab Oktober in Duisburg zu studieren. Auch er würde sich, wenn erforderlich, erneut impfen lassen. Krat befürchtet, dass es zu teuer wäre, sich ständig testen zu lassen.

„Mit Sinovac Vorgeimpfte können sich eine Johnson&Johnson-Impfung geben lassen. Aus medizinischer Sicht ist das kein Problem“, sagt Dr. Prosper Rodewyk, Internist und Leiter der Bezirksstelle Dortmund der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe.

Ende der Impfzentren vergrößert das Problem

Der Personenkreis, um den es geht, ist groß. Allein an der TU Dortmund waren "vor Corona" zum Wintersemester 2019/20 rund 700 chinesische Studierende und rund 150 russische Studierende eingeschrieben. Die Zahl der chinesischen Studierenden ist im vergangenen Wintersemester pandemiebedingt stark zurückgegangen, die Zahl der russischen Studierenden blieb unverändert. Wie viele jetzt neu hinzukommen werden, ist offen, weil die Einschreibungen noch bis Anfang Oktober laufen.

Eva Prost, Sprecherin der TU Dortmund, erklärt: „Bis zum 30. September kann sich die Gruppe der internationalen Studierenden in den Impfzentren beraten lassen, inwiefern eine Nachimpfung mit einem in der EU zugelassenen Impfstoff medizinisch empfohlen ist, oder sich kostenlos testen lassen, um die 3G-Regel zu erfüllen. Welche Impfmöglichkeiten ab dem 1. Oktober bestehen und wie kostenlose Tests nach dem 11. Oktober weiterhin für Personen angeboten werden, die sich nicht impfen lassen können, wird vor Vorlesungsbeginn geklärt.“

Mit anerkanntem Vakzin geimpfter Inder hatte Probleme mit dem Zertifikat

Pamela Domke vom International Office der Ruhr-Uni Bochum berichtet von einer Odyssee mit einem indischen Forscher, der mit dem indischen Astrazeneca-Derivat „Covishield“ geimpft wurde, durch die medizinischen Institutionen. Covishield ist laut Paul-Ehrlich-Institut (PEI) anerkannt, in diesem Fall dreht sich das Problem aber um das indische Impfzertifikat.

In einem Impfzentrum seien mehrere Mediziner mit der Situation nicht zurechtgekommen. Ergebnis: Der Inder wurde zwar geimpft, bekam aber kein Zertifikat über eine vollständige Impfung, weil es sich aus Sicht des Impfzentrums nur um eine Erstimpfung handelte. Dr. Prosper Rodewyk erklärt dies so: Das Impfzentrum dürfe nur für im Impfzentrum Geimpfte Zertifikate ausstellen. Ein niedergelassener Arzt könne aber durchaus ein „Fremdzertifikat“ ausstellen.

RWTH Aachen stellt internes Zertifikat aus -- aber nicht für alle

Die RWTH Aachen bietet Studierenden aus dem Ausland ein hochschulinternes Impf-Zertifikat an. „Es wird aber nur für Impfungen mit Impfstoffen ausgestellt, die durch das PEI anerkannt sind, zum Beispiel Covishield“, erklärt Hochschul-Sprecher Thorsten Karbach. Studierende, die mit Sinovac immunisiert wurden, haben aber derzeit keine Chance auf dieses Uni-Zertifikat. Sie müssen sich testen lassen, wenn sie Veranstaltungen besuchen möchten. Die RWTH hofft auf eine zügige Zulasssung für den chinesischen Impfstoff.

Vollständiger Impfschutz gilt laut Paul-Ehrlich-Institut aktuell für Menschen, die mit Astrazeneca, Moderna, Biontech oder Johnson&Johnson geimpft sind. Ausländer, die mit den chinesischen Vakzinen Sinovac, Sinopharm oder Cansino geimpft sind, oder russische und ungarische Studierende, die mit Sputnik V geimpft wurden, gelten als nicht vollständig geimpft. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA prüft die Zulassung von Sputnik V und Sinovac.